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Susamam mit 18 Millionen Aufrufen – Zwei Rapper rudern zurück

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Die Türkei hat wirklich viele Probleme. Einige darunter sind uralt, weitere sind in den letzten Jahren erst neu entstanden. Vergangenen Freitag wurden einige dieser Probleme eindrucksvoll thematisiert. In einem 15 minütigen Rap-Song hat der Künstler Sarp Palaur, aka Şanışer, 17 Künstler zusammengetrommelt und ein kollektives Bollwerk produziert. Jeder Künstler hat zu einem gesellschaftlichen, bzw. politischen Thema gerappt, oder gesungen. Das Gesamtwerk heißt Susamam, auf Deutsch: Schweigen nicht möglich. Im Song geht es unter anderem um Gerechtigkeit, Umweltschutz, Chancenungleichheit und Frauenrechte. Mit Fuat und Defkhan sind unter den Rappern auch Künstler aus Deutschland dabei.

Mega-Feature Song Susamam schlägt ein. Knapp 18 Millionen Views in nur 3 Tagen

Der Song Susamam ist bereits kurze Zeit nach Veröffentlichung heftig eingeschlagen. Mit einer Resonanz, dessen Ausmaß sich die Künstler vor der Veröffentlichung vermutlich nicht hätten erträumen können, hat der Song hohe Wellen geschlagen. Internationale Medien haben die über die Produktion berichtet. Nur drei Tage nach der Veröffentlichung zählt der Youtube-Counter knapp 18 Millionen Aufrufe und Tausende Kommentare auf unterschiedlichen Portalen. Unabhängig von dieser Zahl, hat sich das Lied in den Sozialen Medien verbreitet. Zusammengerechnet wurde das Lied wahrscheinlich weit über 30 Millionen Mal gestreamt und verbreitet. Selten war ein Rap-Lied in türkischer Sprache jemals so erfolgreich. Ein Vergleichswert: Die türkische Rapper-Legende Sagopa Kajmer veröffentlichte vor rund einem Monat sein Song Avutsun Bahaneler. Dieser Song wurde knapp 17 Millionen Mal aufgerufen.

Kritik von der AKP für Susamam

Schnell erntete das Lied auch Kritik von den obersten Rängen. Hamza Dag, Vizepräsident der AKP erklärte, dass die Kunst kein Mittel zur Provokation und politischer Manipulation sein dürfe. Man wisse genau, wie die Gruppe von Susamam, bei anderen wichtigen Ereignissen der Türkei geschwiegen habe. Neben Dag haben sich auch Personen wie Hüseyin Gülerce zu Wort gemeldet. Der ehemalige Mitarbeiter der Gülen-nahen türkischen Tageszeitung Zaman vermutet hinter dem Projekt die Gülen-Bewegung selbst. Zudem sei es klar, dass das Projekt vom amerikanischen sowie israelischen Geheimdienst finanziert sei. Eine andere Version verbreitet das Regierungsnahe Medium Gündem. Dort werden die Künstler als PKK-FETÖ Mitglieder denunziert.

In einer Fernsehsendung spricht Hüseyin Gülerce von einer Vebrindung der Künstler von Susamam zu westlichen Geheimdiensten sowie zur Gülen-Bewegung.

Susamam – Fuat: „Menschheit nicht Mal so wie Tiere“

Der Deutsch-Türkische Rapper Fuat ist der erste Künstler in dem Maxi-Feature Song. Er klagt in seinem Part die Menschheit an, die Umwelt zu zerstören und vergleicht die sie mit den Tieren. In seiner Line, „Hayvan kadar olamadı beşer“, sagt Fuat, die Menschheit konnte nicht mal so wie Tiere sein. Auf den Shitstorm im Internet gegen ihr Lied und dem Gündem-Artikel über den Song #Susamam, antwortet Fuat mit eben jenem Satz: „Menschheit nicht Mal so wie Tiere!“.

Susamam, Rapper Fuat Kritik

#Susamam, Rapper Fuat übt Kritik gegen regierungsnahe Zeitung, die behauptet, die Künstler hätten eine PKK-FETÖ Verbindung.

Fuat zur Deutschen Welle: „Habe keine Angst vor einer Verhaftung“

In einem Video-Interview mit dem türkischen TV-Format der Deutschen Welle spricht Fuat über die Brisanz, die mit ihrem Song einhergeht. Denn die politische Tiefe ihres Liedes könnte durchaus dazu führen, dass sie bald durch die türkische Regierung verfolgt werden. Doch Fuat äußert sich klar. „Habe ich vor einer Verfolgung, oder vor einem möglichen Ermittlungsverfahren Angst? Nein. Wir sind die Kämpfer des HipHop, wir müssen die Wahrheit sagen. Wir fürchten niemanden. Mit Angst kann man nicht leben.“

Mirac und Defkhan rudern zurück – Stellungnahme nach Susamam-Veröffentlichung

Doch je mehr Aufmerksamkeit der Song generiert hat, desto größer wurde der Shitstorm. Das hat letztlich Uneinigkeit zwischen den Team-Mitgliedern erzeugt. Ganz deutlich wurde es, als Mirac, der über die Chancenungleichheit in der Türkei rappt, ein Tweet postete, dass er nachträglich wieder gelöscht hat. Darin beklagt er, dass ihr Song von „Gülenisten und HDP´lern“ geteilt, unterstützt und somit instrumentalisiert werde. „Ich bin extrem gestört davon, dass sich Gülenisten und HDP´ler etwas von unserem Song erhoffen.“ Später räumt Mirac ein, dass es nicht besonders geeignet war, sämtliche HDP´ler mit der PKK gleich zu setzen.

Auch Defkhan, der zweite Deutsch-Türkische Rapper im Clip, rudert auf seine Weise zurück. Der Hip-Hop Künstler aus Hamm ist in der Rap-Szene der Türkei respektiert. Das hat nicht nur mit seinem besonderen Flow, sondern mit seinem guten Türkisch zu tun. Anders als viele HipHop-Künstler aus der Diaspora würde Defkhan mit seiner Artikulation nicht als ein sogenannter „Almancı“, also Deutschländer auffallen. Doch wie so oft, sind die Menschen in der Diaspora in kulturellen und traditionellen Themen schlicht konservativer. Das trifft scheinbar auch auf den Hammer Rapper zu. Gerade deshalb hat es die Kenner der Szene verwundert, teilweise geschockt, dass Defkhan überhaupt bei Susamem mitwirkt. Zwar rappt Defkhan nur über das Leben eines Diaspora-Türken, doch das Gesamtkonzept und einzelne weitere Künstler im Team sorgen für Verärgerung. Entsetzte Fans schreiben ungefähr:

„Wie kannst Du bei so einem Projekt der Verräter mitmachen?“,

„Hast Du denn keine Ahnung, worauf Du dich da einlässt?“,

„Wie kannst Du mit Islam-Hassern gemeinsam auftreten?“.

Defkhan nach Susamam – Kein FETÖ, sondern Moslem

Kurze Zeit nach der Veröffentlichung und der wachsenden Kritik gegen seine Teilnahme an Susamam postet Defkhan ein kurzes Statement via Twitter. Darin heißt es: „Ich bin ein Türke, kein Faschist. Ich bin ein Moslem, gelobt sei Gott, aber keiner von FETÖ. Ich bin der Heimat, der Nation, der Religion und dem Staat mit einer besonderen Zuneigung verbunden, ich bin kein Feind. Mein Besitzer ist Allah, ich gehöre zu Niemandem. Mein Part war die Fremde, ich hoffe ich wurde verstanden.“

Defkhans #Susamam Statement

Erleichterung und Enttäuschung nach Veröffentlichung.

Zahlreiche Fans von Defkhan und Persönlichkeiten aus dem HipHop-Umfeld hat diese Botschaft erleichtert. Deutsch-Türken kommentieren Defkhans Stellungnahme mit: „Wir wussten, dass Du kein Verräter bist“, oder „Du bist ein ehrenwerter Mann“. Doch anderen reicht diese Stellungnahme noch nicht aus. Schließlich distanziert sich Defkhan nicht klar genug, auch nicht von anderen Teilnehmern wie Hayki und gar dem Initiatior Sarp Palaur. Diesem wird vorgeworfen während der Gezi-Proteste den aktuellen türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beleidigt zu haben.

Aus den Reihen der Susamam-Rapper kommt hingegen eine Enttäuschung ans Licht. Mit einem Statement will man erneut klarstellen, dass sämtliche Künstler von Susamam sehr unterschiedliche politische und religiöse Ansichten haben, aber zusammen gekommen sind, um gemeinsame Probleme anzusprechen. Man wolle nicht, dass ein gewisser Teil das Lied gut und ein gewisser Teil schlecht finden. Doch Sarp Palaur, Initiator von Susamam, machte in einem privaten Tweet klar, dass einzelne Stellungnahmen in sehr traurig gemacht hätten. Damit sind die Messages von Mirac und Defkhan gemeint. Ob das Projekt Susamam weitergehen wird und ob Defkhan sowie Mirac auch in Zukunft wieder dabei sein werden, bleibt eine spannende Frage. Auch bleibt spannend zu beobachten, ob der Song für die Künstlerinnen und Künstler politische Konsequenzen mit sich bringen wird.

Volle Liste der Künstler aus Susamam und ihre Themen

Künstler Thema – #Hashtag
Fuat Umweltverschmutzung
Ados Erderwärmung und Klimawandel
Şanışer Gefängnis und Tierrechte
Hayki Recht
Server Uraz Justiz
Beta Türkei
Tahribad-ı İsyan Metropole Istanbul
Sokrat St Bildung, Chancenungleichheit & Selbstmord
Ozbi In Frage stellen der Dinge
Deniz Tekin Frauenrechte
Sehabe & Yeis Sensura Frauenrechte
Aspova Welt
Defkhan Fremde, das Leben in der Diaspora
Aga B Faschismus
Mirac Straßen, Chancenungleichheit in der Wirtschaft
Kamufle Verkehrsunfälle