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Politik

Syrien: Irakisierung und Afghanisierung zur gleichen Zeit

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Das Assad-Regime versucht, in den von ihm kontrollierten Gebieten die Voraussetzungen für einen eigenen Staat zu schaffen – und dabei innerhalb wie außerhalb möglichst viel an verbrannter Erde zu hinterlassen. (Foto: epa)

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Syrien: Irakisierung und Afghanisierung zur gleichen Zeit
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Ministerpräsident Erdoğan kritisierte Bashar al-Assad mit harten Worten aufgrund des Massakers von Banias in Syrien. Banias ist eine Stadt im Gouvernement von Tartus im Nordwesten Syriens, das 55 Kilometer im Süden von Latakia und 35 Kilometer im Norden von Tartus liegt. Banias ist ein wichtiger Wendepunkt für den syrischen Bürgerkrieg, da die Entwicklung zeigt, dass Assad seinem Regime keinerlei Grenzen mehr setzt.

Zu diesem Zweck tritt er in die Endphase der Verwirklichung seines Entwurfes für ein neues Syrien ein, das die Provinzen Tartus, Latakia, Hama und Homs einschließt.

Die Assad-Regierung zögert nicht, die vorwiegend arabisch-sunnitischen Gebiete anzugreifen, welche außerhalb dieses Entwurfes fallen. Sein Ziel ist es nicht, die Kontrolle über die von der Freien Syrischen Armee besetzten Regionen und Gebiete zurückzugewinnen. Sein Ziel ist es, den größtmöglichen Schaden für die Freie Syrische Armee zu verursachen und den letzten, entscheidenden Schlag zu verhindern.

Assads neues Syrien wird die östliche Mittelmeerküste Syriens, die Gebiete der arabischen Alawiten und der Christen umfassen. Er wird die libanesischen Grenzen entlang der Südseite kontrollieren sowie die Yayladağı-Grenzen der Türkei entlang der Nordseite. Auf diese Weise bliebe die Grenze zu den arabischen Alawiten in Hatay erhalten. Die sunnitischen Araber in diesem neuen Syrien sind eingeschüchtert und gezwungen, aufgrund der Massaker ihre Häuser zu verlassen. Es scheint, als wäre Syrien der neue Irak, andererseits findet in dem Land aber auch ein Prozess der Afghanisierung statt.

Gleichgewicht des Schreckens als dauerhafte Lösung?

Syrien wird insofern zum neuen Irak, als dieses Land in religiöse, konfessionelle und ethnische Gruppen zerfällt. Die Zentralregierung wurde geschwächt und ist unfähig, das gesamte Land zu kontrollieren. Selbst wenn der Krieg endet, wird höchstwahrscheinlich ein geteiltes Syrien weiterbestehen bleiben. Gleich dem Irak ist die Zentralregierung sehr schwach; ein neu kreiertes Syrien, gekennzeichnet von ethnischen, religiösen und konfessionellen Konflikten, wird täglich zwischen 10 und 100 Menschenleben kosten. Das Gleichgewicht baut auf der Idee auf, dass Assad an der Macht bleibt, jedoch nicht triumphiert und die Opposition bleibt, ohne Assad zu besiegen.

Der Opposition sind starke Waffen verweigert worden, die Folge wird sein, dass die Infrastruktur des Landes höchstwahrscheinlich einstürzen und ein wesentlicher Teil der Syrer in andere Länder flüchten wird. Erst nach solch einem Untergang könnten internationale Luftangriffe, mit denen die syrische Luftwaffe und militärische Infrastruktur zerstört werden, in Gang kommen.

Der Unterschied zwischen Syrien und dem Irak ist der Prozess der Afghanisierung in den sunnitisch- arabischen Gebieten. Jugendliche Djihadisten aus der ganzen Welt, einschließlich der EU, der USA, China, der russischen Föderation, dem Kaukasus und Zentralasien flogen nach Syrien, um sich am Krieg zu beteiligen. Es gibt verschiedene Ansätze, was den Kampf betrifft. Die Kämpfer lernen, einen Guerillakrieg zu führen, Waffen zu benutzen und Bomben zu bauen. Sie begründen ideologisch motivierte Freundschaften. Sechs Monate harten Trainings sind Voraussetzung für einen Guerillakrieg und um neue Zellen schaffen zu können.
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FSA muss zu einer regulären Armee umgebaut werden

Der in den syrisch-sunnitischen Gebieten geführte Krieg wird indessen immer schmutziger. Die Zwecke dieses Krieges gehen nun in unterschiedliche Richtungen. Jede Seite versucht, ihre Sache als einen gerechten patriotischen Kampf zu verkaufen.

Die Versuche, den Krieg als einen Konflikt zu präsentieren, der dem Westen schadet, basieren auf unehrlichen Gründen. Dies wird zu einer Pakistanisierung des Westens, des Nahen Ostens, der Russischen Föderation, des Kaukasus und Zentralasiens führen. Sie werden gegen ihren Willen in die Kampfhandlungen der Akteure mit hineingezogen und für Teile von ihnen auch zum ruhigen Hinterland. Der Prozess der Pakistanisierung wird seine ersten Auswirkungen auf die Nachbarländer Syriens und anschließend auf die EU haben.
Die Türkei kann nicht weiterhin einfach nur ein Zuschauer des syrischen Konflikts bleiben. Den Flüchtlingen zu helfen ist nicht genug. Wir sollten aus der Erfahrung mit Pakistan lernen. Mit anderen Worten: Es muss Einsatz gezeigt werden, sodass die Freie Syrische Armee in eine reguläre Armee umgewandelt werden kann.

Der syrische Krieg hat nun ein neues Ausmaß erreicht. Auch Israel und die jüdische Diaspora sollten verantwortungsvoller handeln. Sie müssen erkennen, dass ein schwaches Syrien ihren Interessen nur für kurze Zeit dienlich sein wird. Langfristig gesehen wird die Verlängerung des Krieges zusätzliche Bedrohungen für alle darstellen.

Autoreninfo: Hasan Kanbolat ist Experte für Außen- und SIcherheitsepolitik der Türkei und Direktor des „Center for Middle Eastern Strategic Studies” (ORSAM) and „Center for International Relations and Politics” (UPAM). Er ist Kolumnist für „Today’s Zaman”.