Connect with us

Politik

Syrien: Ein neuer Krieg bricht los

Spread the love

Der Konflikt zwischen Rebellenbrigaden und der Terrororganisation „Islamischer Staat im Irak und der Levante“ ist endgültig zu einem offenen Krieg eskaliert. Beide Gruppen gehen mit äußerster Brutalität gegeneinander vor. (Foto: reuters)

Published

on

Kämpfer in Syrien
Spread the love

Die zersplitterte syrische Opposition stemmt sich vor den Syrien-Friedensgesprächen in Genf mit aller Macht gegen den wachsenden Einfluss der radikalen Organisation Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIL). Nachdem ISIL immer wieder Gräueltaten, etwa Exekutionen von gefangenen Regierungssoldaten, Zivilisten oder sogar Rebellen und gezielten Hinrichtungen einiger Rebellenkommandeure verübte und so die syrische Opposition international zu diskreditieren drohte, ist seit Anfang Januar ein offener Krieg zwischen einem Bündnis verschiedener syrischer Rebellenbrigaden und ISIL ausgebrochen.

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Anfang Januar mehr als 800 Menschen bei den Kämpfen zwischen verschiedenen Rebellenbrigaden und ISIL getötet worden.

Wer kämpft gegen wen?

Der Ursprung des ISIL liegt im Irak, wo sie lange unter dem Namen Al Qaida im Irak (AQI) gegen die amerikanische Besatzung, irakische Sicherheitskräfte, schiitische Iraker und sunnitische Stammesbündnisse kämpfte.

Die Organisation entsandte nach Ausbruch des Bürgerkriegs eigene Kämpfer nach Syrien und agierte fortan unter dem Namen ISIL. Ihr irakischer Anführer Abu Bakr al-Baghdadi verkündete im April 2013 die Vereinigung des ISIL mit einer der schlagkräftigsten und größten Rebellengruppe in Syrien, der Nusra-Front. Doch der Anführer der Nusra-Front widersprach in einer Stellungnahme der Vereinigung.

Über das genaue Verhältnis der beiden Gruppen bestehen wenig gesicherte Informationen, doch scheint die Nusra-Front weiterhin als eigenständige Gruppe zu agieren und sich dem Einfluss ISIL, der von irakischen Anführern dominiert wird, zu entziehen.

Im nun ausgebrochenen Konflikt scheint die Nusra-Front zu versuchen, eine Vermittlerposition zwischen den beteiligten Gruppen einzunehmen, doch gibt es immer wieder auch Berichte über Kämpfe zwischen Einheiten der Nusra-Front und dem ISIL.

Gegen den ISIL kämpfen mehrere Rebellenbrigaden, darunter die als islamistisch eingestuften Koalitionen „Armee der Mujahideen“ und die „Islamische Front“, sowie die Freie Syrische Armee.

Alle an dem Konflikt beteiligten Gruppen befinden sich darüber hinaus im Krieg mit der regulären syrischen Armee und den verschiedenen Milizen des Assad-Regimes. Der militärische Druck auf die syrische Armee droht vielerorts durch die internen Kämpfe der verschiedenen Oppositionsfraktionen zu schwinden. Assad könnte am Ende der eigentliche Gewinner des internen Konfliktes sein.

Die Gewalt eskaliert – ISIL geht in die Offensive

Besonders besorgniserregend ist, dass es zwischen den ehemaligen Waffenbrüdern immer öfter zu extremer Gewalt kommt. So scheinen sowohl Rebellen als auch ISIL Gefangene der Gegenseite systematisch hinzurichten.

Rebellen entdeckten nach der gewaltsamen Erstürmung von ISIL-Stützpunkten in Aleppo und ar-Rakka in Gefängnissen beispielsweise dutzende kurz zuvor ermordete gefangene Rebellen und Aktivisten. ISIL wendet sich außerdem zunehmend mit Selbstmordanschlägen gegen Checkpoints der Rebellen – mit verheerender Wirkung. Der Ausgang der Kämpfe bleibt auch nach anfänglichen Erfolgen der Rebellen im Nordwesten Syriens offen, da ISIL über Nachschubrouten aus dem Osten Syriens und dem Irak neue Kämpfer und schweres Gerät an die Front bringen kann.

Von Osten rollt momentan daher eine Offensive des ISIL gegen die Rebellen, in deren Verlauf die strategisch wichtigen Städte al-Bab und ar-Rakka wieder unter ihre Kontrolle fielen. ISIL-Kämpfer massakrierten außerdem in der syrischen Grenzstadt Dscharablus mehrere Kommandeure lokaler Rebellenbrigaden. Aktivisten veröffentlichten am Freitag Fotos, auf denen zwei Köpfe zu sehen sind, die auf den Spitzen eines schmiedeeisernen Zauns aufgespießt sind. Die regimekritische Website „Akselser“ meldete, die ISIL-Terroristen hätten die Kommandeure der Freien Syrischen Armee (FSA) erst gefangen genommen und dann enthauptet. Der nahe gelegene Grenzübergang zur Türkei sei noch in der Hand der Rebellen.

Andernorts in der Provinz Aleppo nahmen Rebellen nach Informationen der Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter 20 ausländische ISIS-Kämpfer gefangen. Unter ihnen waren den Angaben zufolge mehrere türkische Staatsbürger. Ein Großteil der ISIL-Einheiten besteht Berichten zufolge aus ausländischen Kämpfern. Das türkische Innenministerium veröffentlichte jüngst einen Bericht, wonach sich auch bis zu 500 türkische Staatsbürger djihadistischen Gruppen in Syrien angeschlossen haben sollen.

Irak: Armee versucht ISIL zurückzuschlagen

Auch im Irak ist die ISIL aktiv und startete Anfang des Jahres einen Versuch, zwei wichtige Städte im Westen des Landes zu erobern. Nach schweren Kämpfen und Gebietsgewinnen der ISIL hat die irakische Armee nun einen neuen Versuch gestartet, die Terroristen aus der Provinz Al-Anbar im Westen des Landes zu vertreiben. Bewohner Falludschas berichteten am Freitag erneut von Artillerie-Beschuss im Osten der Stadt. Im Stadtzentrum seien Kämpfer der Terrorgruppe gesichtet worden. Tausende Menschen flohen vor den Kämpfen. Die Nachrichtenagentur „Sumeria News“ meldete, sie hätten in den Städten Samarra, Bagdad und im kurdischen Autonomiegebiet Zuflucht gesucht.

Auch weiter nördlich gingen die Sicherheitskräfte gegen die Gruppe vor. Ein Armee-Sprecher sagte, in der nördlichen Stadt Mossul seien bei einer Razzia vier mutmaßliche ISIL-Terroristen festgenommen worden, drei Syrer und ein Sudanese. Bei Angriffen von Extremisten in Mossul und in der Provinz Dijala starben laut Polizei sieben Menschen.

Die Terrorgruppe ISIL, die seit 2013 auch in Syrien aktiv ist, hatte Anfang des Jahres mehrere Städte in Al-Anbar besetzt. Aus den meisten Vierteln der Provinzhauptstadt Ramadi wurden sie von Stammeskämpfern vertrieben. In Falludscha schlug ihnen weniger Widerstand entgegen. Die ISIL-Terroristen profitieren von dem bereits seit mehr als einem Jahr andauernden Konflikt zwischen dem schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki und einer sunnitischen Protestbewegung.

Schadensbegrenzung vor internationaler Friedenskonferenz

Mit Spannung wird unterdessen die Friedenskonferenz in Genf erwartet. Türkische und westliche Diplomaten trafen sich diesbezüglich am Samstag in Ankara mit oppositionellen und islamistischen Rebellen aus Syrien. Ziel des Treffens sei es, die djihadistische Front von Störmanövern gegen die geplanten Syrien-Friedensgespräche in Genf abzuhalten, hieß es aus Oppositionskreisen. Die Nationale Syrische Allianz, das größte Bündnis der Opposition, das zur gleichen Zeit in der türkischen Metropole Istanbul über die Teilnahme an den Friedensverhandlungen beriet, wollte erst den Ausgang der Gespräche in Ankara abwarten.

Die Friedensgespräche sollen am kommenden Mittwoch mit einer internationalen Konferenz im schweizerischen Montreux beginnen. Anschließend sollen sich Vertreter der Opposition und eine Delegation des Regimes von Präsident Baschar al-Assad mit dem UN-Syriengesandten Lakhdar Brahimi nach Genf zurückziehen, um dort über einen Waffenstillstand und die Bildung einer Übergangsregierung zu verhandeln.

Am Rande des Treffens in Istanbul hieß es, die Allianz werde sich wahrscheinlich für eine Teilnahme an den Verhandlungen entscheiden. Das Assad-Regime hatte bereits vor Wochen zugesagt. Der syrische Außenminister Walid al-Muallim reiste vergangene Woche zu Gesprächen nach Moskau. (dpa/dtj)