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Politik

Syrien: „Salafisten” gegen die Hisbollah

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In Syrien tobt ein blutiger Krieg, Syrer kämpfen gegen Syrer – und immer öfter auch Libanesen gegen Libanesen. Die Hisbollah kämpft an der Seite des Regimes. Nun rufen zwei libanesische Prediger die Sunniten zum Dschihad in Syrien auf. (Foto: rtr)

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Syrien: „Salafisten” gegen die Hisbollah
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Das kleine Land am östlichen Mittelmeer ist – genau wie der große Nachbar Syrien – Heimat vieler unterschiedlicher Religions- und Volksgruppen. Das Zusammenleben der Libanesen ist seit Jahrhunderten geprägt von einem Wechselspiel aus friedlicher Koexistenz und blutigen Konflikten. Die tiefen Wunden und die immense Zerstörung, die der libanesische Bürgerkrieg in den Jahren zwischen 1975 und 1990 über das Land gebracht hatte, sind teilweise noch immer in der libanesischen Gesellschaft präsent. Nun ziehen einige libanesische Gruppen wieder gegeneinander in den Krieg – diesmal jedoch (vorerst) im benachbarten Syrien.

Hisbollah gegen Salafisten – Krieg entlang konfessioneller Grenzen

Der Konflikt in Syrien beeinflusst auch die Politik in Beirut. So brachte der Konflikt im Nachbarland bereits die libanesische Regierung zu Fall. Neben dem Iran gehört vor allem die mit Teheran verbündete, mächtige schiitische Hisbollah zu den stärksten Unterstützern des syrischen Regimes in der Region. Die Hisbollah-Führung dementierte in der Vergangenheit stets, dass ihr militärischer Arm sich aktiv an den Kämpfen in Syrien beteiligen würde und betonte gegenüber anderen libanesischen Parteien, aber auch gegenüber der eigenen schiitischen Anhängerschaft, Hisbollah-Kämpfer seien dort lediglich in 13 schiitischen Dörfern zum Schutze der Bevölkerung stationiert.

Der libanesische Soziologie Professor und Hisbollah-Experte Wadah Charara sagte, dass sich die Hisbollah nun jedoch auf Grund der stetig steigenden Zahl von Beerdigungen getöteter Hisbollah-Kämpfer gezwungen gesehen hätte, ihre aktive Rolle im Syrienkonflikt öffentlich zuzugeben: „Letztes Jahr veröffentlichte die Partei (Hisbollah) die Fotos einiger ihrer in Syrien getöteter Aktivisten. Dieses Phänomen breitete sich jedoch mit der steigenden Zahl an Toten und Beerdigungen aus. Sie konnten es einfach nicht weiter verheimlichen.“

Der Wissenschaftler schätzt, dass die von Iran finanziell, ideologisch, militärisch und logistisch massiv unterstützte Hisbollah über rund 20.000 bewaffnete Kämpfer verfügt, darunter bis zu 7.000 kampferprobte Milizionäre. Im Gegensatz zu den anderen libanesischen Bürgerkriegsparteien behielt die Hisbollah ihre Kampfeinheiten samt schwerer Bewaffnung mit der Begründung, den bewaffneten Kampf gegen Israel fortsetzen zu wollen, das den Südlibanon bis ins Jahr 2000 militärisch besetzt gehalten hatte.

„Die offene Einmischung der Hisbollah ist nicht länger das schlechtestgehütete Geheimnis der Welt, nun befinden wir uns in einer Krise, in der die Libanesen nicht mehr nur politisch gespalten sind… sondern auch militärisch“, sagte Ghassan al-Azzi, libanesischer Professor der Politikwissenschaft, dem Internetportal „yalibnan.com“.

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„Salafistische“ Prediger rufen sunnitische Libanesen zum Dschihad in Syrien auf

Die im Libanon lebenden Sunniten sympathisieren größtenteils mit der syrischen Opposition, deren bewaffnete Brigaden sich zu großen Teilen aus Sunniten zusammensetzen. Viele syrische Sunniten flohen vor den Kämpfen in den Libanon und Rebelleneinheiten nutzen teilweise libanesisches Territorium als Rückzugsgebiet. Die nordlibanesische Stadt Tripoli gilt als Hochburg der libanesischen Sunniten und dort besteht ein gut organisiertes, teilweise von streng-religiösen Gruppen „salafistischer” Prägung betriebenes Unterstützungsnetzwerk für syrische Flüchtlinge und Rebellen.

In Tripoli kommt es seit Jahren regelmäßig zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Bewohnern des mehrheitlich sunnitischen Stadtviertels Bab al-Tabbaneh und jenen des von Alawiten bewohnten Viertels Jabal Mohsen, welche jedoch stets lokal und nur von kurzer Dauer sind. Parallel zum Erstarken radikaler Gruppen in Syrien, wie etwa der Al Qaida nahestehenden al-Nusra-Front, verstärken auch die libanesischen Radikalen ihr politisches Engagement.

Nun scheint das öffentliche Eingeständnis der schiitischen Hisbollah, das syrische Regime militärisch zu unterstützen, für die radikalen sunnitischen Gruppen ein neues Kapitel eingeleitet zu haben. Die ohnehin durch den zunehmend an konfessionellen Trennlinien verlaufenden Konflikt in Syrien bereits erhitzten Gemüter vieler libanesischer Sunniten werden nun durch die Äußerungen zweier Scheiche aufgewühlt. Die dem „salafistischen” Spektrum zugeordneten Prediger Scheich Ahmad al-Assir (Titelbild, 3. v. r.) und Scheich Salem al-Rafi’i riefen ihre sunnitischen Glaubensbrüder am Montag offen zum Dschihad in Syrien auf, um dort sunnitische Dörfer vor Übergriffen der schiitischen Hisbollah-Kämpfer und den (meist alawitischen) Soldaten und Milizionären des Assadregimes zu schützen.

Damit handeln die „salafistischen” Gruppen auch gegen die offizielle Bestimmung der Freien Syrischen Armee (FSA), deren Sprecher Ende März sagte, seine Organisation brauche keine ausländischen Kämpfer.

Kampf auf Leben und Tod

„Der Aufruf zum Dschihad wird die Hisbollah davon abhalten, die Mörder (die syrische Armee) zu unterstützen“, sagte Scheich Al-Rafi’i. Zwar beschränkt sich der Aufruf der beiden Prediger momentan noch auf den Kampf in Syrien, jedoch ist eine Ausweitung der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den salafistischen Gruppen und der Hisbollah auf den Libanon zu befürchten.

Der einflussreiche sunnitische Politiker Saad Hariri, Sohn des 2005 ermordeten libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri, reagierte auf die jüngste Entwicklung und drängte am Dienstag seine Landsleute dazu, dem Aufruf der beiden Prediger nicht zu folgen: „Ich verkünde hiermit meine völlige Ablehnung jeglicher Gegenmaßnahmen (als Reaktion auf die Beteiligung der Hisbollah im Syrienkonflikt), darunter Aufrufe zu Dschihad oder zu konfessionellen Unruhen.” Gleichzeitig kritisierte er jedoch auch die Hisbollah scharf für ihre aktive militärische Rolle in Syrien und bezeichnete das Verhalten der Organisation als „Verbrechen am Libanon und an den Libanesen (…) und an Syrien und dem syrischen Volk”.

Für die Hisbollah sind der Konflikt in Syrien und das Überleben des Regimes der Einschätzung von Professor al-Azzi nach keine politischen Fragen, es geht für die schiitische Organisation besonders im Angesicht des Aufstiegs radikaler sunnitischer Gruppen und der voranschreitenden Isolierung des Iran ums nackte Überleben: „Die Hisbollah hat keine andere Wahl. In keinem Fall kann sie das Bündnis mit (dem Regime in) Syrien brechen, denn es geht hier um Leben oder Sterben.“