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Politik

Syrien: Menschenrechtler erheben schwere Vorwürfe gegen die Türkei

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Schwere Kämpfe zwischen dem IS und Rebellengruppen im Norden Syriens haben nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in den letzten 48 Stunden mindestens 30 000 Vertriebene zur erneuten Flucht gezwungen. HRW warf türkischen Grenzschützern am Freitag vor, auf Zivilisten zu schießen, die im Nachbarland Zuflucht vor dem Vormarsch der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nördlich der syrischen Stadt Aleppo suchen wollten. „Während Zivilisten vor IS-Kämpfern fliehen, reagiert die Türkei mit scharfer Munition statt mit Mitgefühl“, sagte Gerry Simpson, der bei HRW für Flüchtlingsfragen zuständig ist. Die Regierung in Ankara wolle damit ihre Forderung nach der Schaffung von „Schutzzonen“ für Flüchtlinge auf der syrischen Seite der Grenze durchsetzen.

HRW berichtete unter Berufung auf internationale Helfer und auf Vorsteher von Flüchtlingslagern bei Asas nahe der türkischen Grenze, aus zehn Camps seien mindestens die Hälfte der Bewohner vor dem IS-Vormarsch geflohen. Sie hätten in anderen Lagern an der Grenze und in der nahegelegenen Stadt Asas Zuflucht gesucht. Drei Lager mit einst 24.000 Schutzsuchenden seien inzwischen verwaist. „Die ganze Welt redet davon, den IS zu bekämpfen, doch gleichzeitig sind diejenigen, die dem größten Risiko ausgesetzt sind, Opfer seiner fürchterlichen Gräuel zu werden, auf der falschen Seite einer Betonmauer gefangen“, so Simpson, der sich damit auf eine insgesamt 911 km lange Betonmauer bezieht, die die Türkei derzeit an der Grenze zu Syrien errichtet. Laut HRW ist diese Mauer bereits zu einem Drittel fertiggestellt und versperrt vor allem nördlich von Aleppo den Weg der Flüchtlinge in die Türkei.

HRW zitiert auf seiner Seite einen Flüchtling, der aus einem Lager fliehen musste: „Im Morgengrauen hörten wir Schüsse in der Nähe des Lagers. Kurz danach traf der IS ein und sagte über Lautsprecher durch, dass wir das Lager zu verlassen haben. [..] Wir verließen das Lager und liefen nach Norden in Richtung der türkischen Grenze. Wir waren über 2000 Menschen. Als wir uns der Grenzmauer näherten, sahen wir türkische Soldaten auf einem Hügel hinter der Mauer und sie begannen sofort auf uns zu schießen. Sie schossen auf unsere Füße und alle drehten sich sofort um und rannten in alle Himmelsrichtungen. Ich nahm meine Familie und wir gingen in ein anderes Flüchtlingslager namens Al-Rayan. Nun sind wir in Angst, weil der IS auch in der Nähe dieses Lagers ist. Aber wo sollen wir noch hin?“

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat der Türkei vor kurzem vorgeworfen, seit Mitte Januar Flüchtlinge mit Bussen zurück nach Syrien zu schicken. Fast täglich würden Gruppen von bis zu 100 Personen, einschließlich Frauen und Kindern, zwangsweise zurück in das Bürgerkriegsland gebracht.  Die türkische Regierung streitet diese Vorwürfe ab. In einer schriftlichen Erklärung des Außenministeriums betont sie, dass die Türkei seit mehr als fünf Jahren eine „Politik der offenen Tür“ verfolge und dadurch mit fast drei Millionen Syrern mittlerweile weltweit das Land sei, das die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat. „Dass Syrer dazu ermutigt werden, freiwillig in ihr Land zurückzukehren, oder dazu gezwungen werden, ist nicht der Fall“, so das türkische Außenministerium.

(mit Material von dpa)