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Politik

Auf die Gnade des Westens angewiesen

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Der Nahe Osten steht vor einem weiteren Krieg. Einmal mehr hätten bereits zu einem frühen Zeitpunkt bei vernünftiger Vorgehensweise Eskalationen verhindert werden können – und einmal mehr wurde diese Gelegenheit verpasst. (Foto: cihan)

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Auch in Libyen schafften es die Menschen nicht, Gaddafi ohne die Hilfe des Westens zu stürzen.
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Es war kurz vor dem Irakkrieg. Die Türkei versuchte, alles Mögliche zu tun, um die sich anbahnende Katastrophe in der unmittelbaren Nachbarschaft zu verhindern. Die Nachbarländer des Irak und die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Länder der Region wie Ägypten wurden unter der Führung der Türkei einige Male zusammen an einen Tisch gebracht. Während die Vorbereitungen für eine der Versammlungen liefen, brach eine Krise aus: Die Diplomaten konnten sich nicht einigen, welche Hauptstadt als Gastgeber dienen sollte.

Als das Thema noch am gleichen Tag dem damaligen Premierminister Abdullah Gül weitergeleitet wurde, war dieser außer Fassung: „Für uns geht es hier nicht um Achtung oder Eitelkeiten, sondern darum, eine Lösung zu finden. Wir werden eure Entscheidung befolgen.“

Wer weiß, wie viele solche aus dem Nichts entstandenen Probleme wohl sonst noch aufgetaucht sind und wie viele Versammlungen stattgefunden haben, an denen die Türkei als verantwortlicher Staat aus der Region teilgenommen hat und wo hinterher eingetragen wurde, dass sie ihrer Aufgabe nachgekommen sei. Und auch wenn solche Versammlungen stattgefunden haben: Wurde damit überhaupt eine Lösung erreicht? Konnte ein Krieg verhindert werden? Natürlich nicht.

Denn es war ein Luxus, angesichts von solchen Mentalitäten – die sich in solch einer kritischen Zeit, in der es um Krieg und Frieden ging, nicht einmal entscheiden konnten, in welcher Hauptstadt eine Sitzung stattfinden soll – zu erwarten, dass sie in der Lage sein könnten, einen Ansatz zu erarbeiten, welcher eine Krise verhindern könnte. Da die Türkei auf der anderen Seite auch intensive Verhandlungen mit den USA führte, wusste sie, dass der Krieg vor der Tür stand. Sie konnte gut abschätzen, dass sie nur durch einen unerwarteten Schritt Saddams dessen Land, die Türkei und die Region vor dem drohenden Unheil retten könnte. Tatsächlich wurde in der letzten Sitzung der Nachbarländer Iraks entschieden, eine sehr klare Botschaft an Saddam Hussein zu senden.

Die Goldene Brücke für Saddam

Abdullah Gül wollte diese Botschaft direkt an Saddam übermitteln. Doch wurde sie durch den Botschafter Iraks übermittelt. Die Nummer zwei der Regierung in Bagdad, Taha Yasin Ramazan, hatte mitgeteilt, er wäre bereit , gemeinsam mit den Ministern für auswärtige Angelegenheiten und Wirtschaft nach Ankara zu kommen. Gül wollte nicht, dass die Verhandlung, welche die letzte Warnung an den Irak sein sollte, von irgendwelchen Misstönen überschattet wird. So hat er die Anfrage nach der Teilnahme des Wirtschaftsministers abgelehnt. Der MIT (Nationale Geheimdienstorganisation der Türkei) wurde benachrichtigt und ein MIT-Flugzeug brachte am Morgen des 3. Februar 2003 Ramazan und Außenminister Naci Sabri über Damaskus nach Ankara.

Unter dem Schutz des MIT wurden die beiden vom Flughafen in das vom MIT überwachte Marmara-Schloss auf dem Landgut des Atatürk-Waldes gebracht. Dort saßen Gül und Außenminister Ziyal zusammen gegessen. Gül hat den Persönlichkeiten, welche den Irak seit vielen Jahren geführt hatten, mitgeteilt, dass die USA entschlossen wirken – wenn ein Krieg stattfinden wird, würde jeder davon einen großen Schaden davontragen. Außerdem sagte er, dass sie, wenn sie denn wollten, den Irak verlassen und mit Saddam in die Türkei flüchten könnten. Ramazan hörte zu, doch reagierte er nicht darauf.

Dieses Treffen fand genau 35 Tage vor dem Krieg statt. Die Botschaft wurde Saddam übermittelt. Die Antwort war zwar nicht überraschend, doch beinhaltete sie einige wichtige Hinweise darauf, warum der Nahe Osten andauernd mit Krisen zu kämpfen hat. Saddam sah diese gut gemeinte Botschaft der Türkei als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten an und sandte die Antwort „Das irakische Volk ist ein heldenmütiges und kriegerisches Volk“ an Ankara zurück. Was danach geschah; wie Saddam sich in einem Graben versteckt hat, gefangengenommen und dann hingerichtet wurde und was an Entwicklungen immer noch zu schmerzhaften Spätfolgen für den Irak geführt hat, ist hinlänglich bekannt.

Hat denn Libyen – obwohl sich das, was im Irak passiert ist, vor den Augen aller Akteure in der Region abgespielt hatte – daraus eine Lehre gezogen? Nein, trotz aller Warnung ist Gaddafi denselben Weg gegangen und nahm seinen letzten Atemzug mit dem gleichen Schicksal wie der langjährige irakische Diktator. Ungeachtet der Beispiele des Irak und Libyens strebt Assad in Syrien nunmehr seit 2 Jahren nach einem nahezu gleichen Schicksal.

Keine Lösung ohne westliche Intervention

Anstatt die von der Türkei in aller Freundlichkeit übermittelten, vernünftigen Reformvorschläge zu beherzigen und somit ein Chaos, das die Region in einem Blutbad versinken lassen würde, zu verhindern, bevorzugt er den Krieg mit dem eigenen Volk; deren Bombardierung mit Panzern, Kampfflugzeugen, Scud-Raketen; die Zerstörung von Städten und die Ermordung von Babys durch chemische Waffen. Der Terror in Guta wird vielleicht sein Ende sein. Die Freunde, die ihn auf diesem schlechten Weg begleitet haben, werden genau wie sie gestern Saddam und Gaddafi im Stich gelassen hatten, auch ihn höchstwahrscheinlich mit seinem bevorstehenden schlimmen Schicksal allein lassen.

Als Kinder dieser Region gibt es viele wichtige Lektionen, die anhand dieses schmerzvollen Szenarios gelernt werden müssen. Als erstes kommt die Tatsache, dass die muslimische Welt keine Konzeption und keinen Mechanismus besitzt, um Probleme unter sich selbst lösen zu können. Im Angesicht eines ernsten Problems könnten weder die Arabische Liga noch die Organisation der Islamischen Zusammenarbeit oder anderen Institutionen die Erwartungen erfüllen. Wenn es darauf ankommt, wird geprotzt. Doch am Ende wird jedes Mal aufs Neue auf die Gnade des Westens gehofft. Der Westen reagiert entweder, genau wie in Bosnien und Syrien, zu spät und erst, nachdem unzählige Menschen getötet wurden, oder er interveniert genau wie in Afghanistan und im Irak auf seine eigene Weise und auf der Basis eigener Interessen – und im Anschluss fängt die muslimische Welt an, darüber zu klagen.

Es wäre längst an der Zeit, dass die Politiker und Intellektuellen dieser Region, statt große Reden zu führen, ihre erschreckende Hilflosigkeit akzeptiert und sich über die Diagnose dieser Krankheit und ihre Behandlung den Kopf zerbrochen. Ehrlich und aufrichtig, zumindest diese eine Mal…