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Politik

Syrien schlägt nicht zurück

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„Israel hat mit seinen Angriffen die Tür aufgestoßen für alle möglichen Reaktionen“, verkündet das syrische Regime. Doch es bleibt zunächst bei Rhetorik. UN-Ermittler untersuchen derweil, ob in Syrien wirklich Giftgas eingesetzt wurde. (Foto: rtr)

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Syrien schlägt nicht zurück
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Nach den Luftangriffen im Nachbarland Syrien bereitete sich Israel auf einen syrischen Gegenschlag vor – der bislang jedoch ausblieb. Der Flugverkehr im Norden Israels wurde vorerst eingestellt und die israelische Armee befindet sich in erhöhter Alarmbereitschaft, besonders an der Grenze zu Syrien (Foto).

Bis zum Montag beschränkte sich die Reaktion der Regierung in Damaskus lediglich auf Drohungen. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter erklärte, bei den israelischen Angriffen in der Nacht zum Sonntag seien im Umland von Damaskus mindestens 42 Soldaten getötet worden. Das Schicksal von 100 weiteren vermissten Soldaten sei noch ungeklärt. Die Getöteten sollen der syrischen Republikanischen Garde angehören, einer Eliteeinheit der Armee, die für die Sicherheit von Präsident Baschar al-Assad zuständig ist.

Israelische Kampfjets hatten nach Medienberichten nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus ein militärisches Entwicklungszentrum angegriffen. Israel bestätigte dies nicht offiziell, brachte jedoch zwei Batterien des Luftabwehrsystems Iron Dome (Eisenkuppel) im nördlichen Landesteil in Position. Die israelische Zeitung „Jediot Achronot“ berichtete, Israel habe eine „geheime Botschaft“ an Assad übermittelt, wonach Israel keine Absicht habe, sich in den Bürgerkrieg in Syrien einzumischen. Der Luftschlag ist nicht die erste Operation des israelischen Militärs in Syrien, schon Ende Januar hatte die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben einen Waffenconvoy der Hisbollah angegriffen. Syrien hatte den jüngsten Angriff als israelische Kriegserklärung bezeichnet und mit Vergeltung gedroht.

Bislang keine militärische Gegenreaktion Syriens

„Wir fordern alle Konfliktgegner auf, Zivilisten zu verschonen und ihnen den Rückzug in sichere Gebiete zu ermöglichen sowie die Bergung von Verwundeten und Toten zu ermöglichen,“ erklärte das Rote Kreuz. Zugleich beklagt das IKRK, die Kapazitäten von Leichenhäusern in Syrien reichten angesichts des Todes von monatlich Tausenden Menschen schon längst nicht mehr aus.

Das syrische Fernsehen berichtete, Damaskus habe palästinensischen Gruppierungen erlaubt, Israel von den Golanhöhen aus anzugreifen. Israel hatte das Gebiet 1967 während des Sechstagekriegs erobert. Die Grenze wurde von der syrischen Armee streng überwacht und galt in Israel bislang als relativ sicher.

Die syrische Opposition verurteilte die israelischen Angriffe. Die Nationale Syrische Koalition erklärte, das Assad-Regime sei dafür verantwortlich, dass die syrische Armee gegen das eigene Volk kämpfe, gleichzeitig aber zu schwach sei für die Landesverteidigung.

International lösten die Bombardements erhebliche Besorgnis aus. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief alle Seiten „zu höchstmöglicher Ruhe und Zurückhaltung“ auf, um eine Eskalation zu vermeiden. China mahnte alle Konfliktparteien, den Frieden und die Stabilität in der Region zu wahren und jegliche Handlung zu vermeiden, die die Lage weiter eskalieren lassen könnte. Ein Sprecher des russischen Außenministerium erklärte: „Das weitere Schüren von militärischen Konfrontationen erhöht das Risiko der Entstehung neuer Spannungsherde dramatisch, nicht nur in Syrien, sondern auch im Libanon.“ Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton warnte vor einer Ausweitung des Konflikts.

Israelische Militärs rechnen laut einem Bericht des israelischen Rundfunks nicht mit einem syrischen Gegenangriff, weil das Regime von Baschar al-Assad zu sehr mit dem eigenen Überleben beschäftigt sei. Dennoch stelle sich die Armee auf eine mögliche Reaktion der libanesischen Hisbollah und sogar des Irans ein. Der Angriff galt nach Medienberichten einer Lieferung iranischer Raketen des Typs Fateh-110 an die mit Israel verfeindete Hisbollah. Die Schiitenorganisation ist daran interessiert, ihre Waffendepots mit fortgeschrittenen Boden-Boden-Raketen und Boden-Luft-Raketen aus syrischen Beständen zu bestücken, um sich der militärischen Überlegenheit des erklärten Erzfeindes Israel besser erwehren zu können.
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„Keine beweiskräftigen Ermittlungsergebnisse“ zu Chemiewaffeneinsatz

Die unabhängige Syrien-Kommission der Vereinten Nationen relativierte am Montag Aussagen der UN-Expertin Carla del Ponte über einen Chemiewaffeneinsatz durch Rebellen in Syrien. Es gebe „keine beweiskräftigen Ermittlungsergebnisse für einen Chemiewaffeneinsatz in Syrien durch irgendeine der an dem Konflikt beteiligten Parteien“, erklärte die Kommission. „Daher ist die Kommission derzeit nicht in der Lage, diese Behauptungen weiter zu kommentieren.“

Die Erklärung kommt einem Dementi zu Medien-Äußerungen Del Pontes nahe, die selbst Mitglied der Experten-Kommission ist. Sie hatte am Sonntagabend in einem Fernsehinterview erklärt: „Nach den Aussagen, die wir gesammelt haben, haben die Rebellen Chemiewaffen eingesetzt und auf das Gas Sarin zurückgegriffen.“ Die frühere Chefanklägerin der UN-Gerichte für Ex-Jugoslawien und Ruanda hatte im Schweizer Fernsehsender RSI hinzugefügt, die Ermittlungen seien noch lange nicht abgeschlossen, und weitere gründliche Recherchen seien nötig.

Luai al-Mekdad, ein Sprecher der Freien Syrischen Armee (FSA), sagte Medienvertretern: „Wir besitzen kein Sarin-Gas, und wir streben auch nicht danach, es in unseren Besitz zu bringen.“

Rebellen und syrische Regierung werfen sich seit einigen Wochen gegenseitig den Einsatz von Giftgas vor. US-Präsident Barack Obama hatte den Einsatz chemischer Waffen durch die syrischen Streitkräfte als „rote Linie“ bezeichnet, bei deren Überschreitung eine Intervention möglich sei. Auf Grund dieser Ankündigung Obamas stellte der Nahostexperte Prof. Dr. Meyer in einem Interview die Frage, wem ein Einsatz von Chemiewaffen eigentlich nütze. 

Neben den Gefahren für die syrische Bevölkerung sehen westliche Geheimdienste auch das Risiko, dass die chemischen Waffen, die das Regime von Präsident Baschar al-Assad hortet, Terrorgruppen in die Hände fallen könnten. (dpa/dtj)