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Politik

„Stetige Unterstützung haben nur die Djihadisten“

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Der Generalstab der Freien Syrischen Armee kann nicht frei wählen, welche Brigade er unterstützt. Die Djihadisten bekommen hingegen Geld und Waffen aus den Golfstaaten. Unterdessen sagt auch Tschetschenien den Terroristen den Kampf an. (Foto: reuters)

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Kämpfer der FSA - reuters
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Mit seinem tief ins Gesicht gezogenen Hut und dem desillusionierten Blick wirkt der Syrer Salim Hedschasi (28) in dem eleganten Istanbuler Café wie ein Eindringling aus einer fremden Welt. Auch seine Geschichten von Häftlingen, die in unterirdischen Zellen ersticken, und von Scharfschützen, die ihre Opfer langsam quälen, wirken deplatziert neben der Fröhlichkeit der türkischen Geburtstagsgesellschaft, die drei Tische weiter ein Lied anstimmt.

„Meine Freunde und ich, wir hatten früher auch so ein Leben, aber das ist lange her“, sagt der ehemalige Jura-Student. Er ist nicht hier, um zu feiern. Hedschasi ist Kommandeur der Al-Scham-Brigade, die seinen Angaben zufolge 1500 Kämpfer hat.

Er sagt, er habe den gefährlichen Weg von der belagerten Stadt Duma im Umland von Damaskus in die Türkei nur auf sich genommen, um einmal kurz Luft zu schnappen – und um Geldgeber für seine Rebelleneinheit zu finden. „Viele Kämpfer der Freien Syrischen Armee sitzen im Moment zu Hause, weil sie keine Munition mehr haben“, klagt er. „Dieses Problem haben die islamistischen Brigaden nicht, denn sie bekommen immer genügend Unterstützung aus den arabischen Golfstaaten.“

„In (der türkischen Stadt) Antakya habe ich auch den Generalstab der Freien Syrischen Armee getroffen, doch auch der kann nicht frei darüber entscheiden, welche Brigade Hilfe erhält. Das gibt immer derjenige vor, der bezahlt“, sagt Hedschasi. Das schürt die Rivalität zwischen den verschiedenen Rebelleneinheiten.

Ein syrischer Geldgeber, der in einem der arabischen Golfstaaten lebt, habe seine Brigade anfangs noch großzügig unterstützt, doch dann sei er wohl unter Druck gesetzt worden, berichtet der Kommandeur. „Er sagte uns, wir sollten uns der Armee des Islam anschließen. Erst dann könne er uns wieder Geld geben.“

„Viele Staaten wollen ihre Extremisten hierher loswerden“

Mit den islamistischen Brigaden hat sich Hedschasis Brigade arrangiert, obwohl sie ihren Plan, in Syrien eine Art Kalifat zu gründen, ablehnt. Die Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS), die in den vergangenen Monaten mehrere kurdische Kämpfer, Angehörige religiöser Minderheiten und säkulare Aktivisten getötet hatte, ist für Hedschasi dagegen „ein Feind, den wir genauso bekämpfen müssen wie das Regime“.

„Liwa al-Scham ist eine der Brigaden, die für ein modernes, demokratisches Syrien kämpfen“, erklärt der kurdische Oppositionspolitiker Salaheddin Bilal. Auch ihn frustriert das Erstarken der radikalen „Djihadisten“ in der Heimat zutiefst. Hedschasi hat dazu seine eigene Theorie: „Ich glaube inzwischen, dass viele dieser Staaten, aus denen die Terroristen kommen, deren Ausreise nach Syrien bewusst fördern, um sie loszuwerden.“

Auch in der entspannten Atmosphäre des Istanbuler Cafés spiegeln sich die Schrecken des Bürgerkrieges in den Augen von Salim Hedschasi. Für ihn persönlich seien in den vergangenen zwei Jahren die Momente am schlimmsten gewesen, in denen er sich völlig machtlos gefühlt habe, sagt er.

Unterirdische Foltergefängnisse

Zwölf Tage lang sei er im August 2012 in einem Gefängnis in Damaskus gefoltert worden, sagt er. „Sie sperrten mich in eine völlig überfüllte Zelle, die drei Stockwerke unter dem Erdboden lag. Beim Verhör hängten sie mich an der Decke auf oder sie setzten Elektroschocks ein. Es gab für die gesamte Etage nur einen kleinen Luftschlitz, durch den Sauerstoff kam. Manchmal sperrten sie den Schlitz für fünf Minuten zu, dann erstickten jedes Mal mehrere Häftlinge – in der Zeit, in der ich dort war, starben auf diese Weise 20 Menschen in unserem Zellentrakt. Schließlich kam ich frei, weil sie keine Beweise gegen mich hatten – ich wog nur noch 35 Kilo.“

Genauso hilflos wie in der Folterkammer fühlte sich der schmale Rebellenkommandeur, als ein guter Freund von ihm von einem Scharfschützen der Regierungstruppen ins Bein geschossen wurde. „Jedes Mal, wenn ich versuchte, meinem Freund zu Hilfe zu kommen, feuerte er aus dem Hinterhalt einen weiteren Schuss ab.“ Den Freund habe der Scharfschütze dann erst in das zweite Bein geschossen, anschließend in eine Schulter, in die nächste Schulter und dann zum Schluss in den Kopf.

Auf die geplanten Friedensverhandlungen in Genf setzt der junge Kommandeur keine großen Hoffnungen. Er sagt: „Ich glaube, dieser Konflikt wird noch Jahre andauern.“

Kadyrow: Terroristen „ohne Glauben, ohne Ehre“

Unterdessen steigt auch in anderen Nachbarländern Syriens die Besorgnis über das Treiben der terroristischen Elemente in Syrien. Ramsan Kadyrow, das Oberhaupt der russischen Kaukasusrepublik Tschetschenien, hat bei einem Treffen mit islamischen Geistlichen allen Extremisten, die in Syrien Heiligtümer zerstören, den Tod gewünscht.

„Was sie in Syrien treiben: Sie rauben, schikanieren das Volk und schänden Heiligtümer. Das sind Menschen ohne Glauben, ohne Ehre. Es gibt dort keinen heiligen Krieg, keinen Dschihad. Die Banditen und Terroristen, die sich in Syrien verschanzt haben, verdrehen die Worte unserer Glaubenslehrer. Sie sagen, nach Syrien kommen sie nach Tschetschenien. Ich träume davon, sie alle bis auf den letzten auszurotten“, sagte Kadyrow auf einen Treffen mit Religionsvertretern der Republik am Freitag.

Seinen Worten nach erlaubt die tschetschenische Führung „niemandem und niemals“, auf dem Territorium der Republik gegen Gesetz oder Religion zu verstoßen. „Unsere Jugend hat die Chance, weltliche wie religiöse Bildung zu erhalten, kultiviert ihre Freizeit zu verbringen. Kein einziger Sänger stimmt Lieder an, die der Religion widersprechen. Wer behauptet, dass man überhaupt nicht singen oder Musik machen darf, hat keine Ahnung von der Religion“, so Kadyrow weiter.

In Tschetschenien selbst, so der „Republikchef“, haben die Terroristen keinen Rückhalt mehr. Die Hauptrolle bei der Extremismus-Prophylaxe würde dabei die Geistlichkeit spielen.

„Wir wissen, wie viel Unglück und Leiden die Wahhabiten dem tschetschenischen Volk gebracht haben. Sie haben die Gefühle der Gläubigen beleidigt, Menschen umgebracht: Kinder, Alte, Frauen. Wir lassen nicht zu, dass dieses Übel erneut in tschetschenischem Boden Wurzeln schlägt. Viel davon hängt von Ihnen, den Geistlichen, ab“, hieß es. (dpa/dtj)