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Politik

Am Wochenende haben deutschlandweit Tausende gegen die „Erdoğan-Diktatur“ demonstriert

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Das harte Durchgreifen der türkischen Regierung gegen HDP-Politiker, Regierungskritiker und unabhängige Medien hat am Wochenende tausende in Deutschland lebende Kurden und Türken mobilisiert. Dabei blieb alles friedlich – anders als in der Türkei selbst.

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Tausende kurdisch- und auch türkischstämmige Bürger haben am Samstag in mehreren deutschen Städten gegen die autoritäre Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan demonstriert. Die größte Kundgebung gab es in Köln, wo 6500 Menschen durch die Innenstadt zogen. Teilnehmer riefen Parolen wie „Terrorist Erdoğan“ und „Erdoğan Faschist“ und zeigten Plakate mit Aufschriften wie „Stoppt die Erdoğan-Diktatur!“ Weitere Demonstrationen gab es in Stuttgart, Bremen, Hamburg und Karlsruhe. Insgesamt beteiligten sich mindestens 10 000 Menschen an den Kundgebungen.

Proteste gab es am Samstagabend auch in Istanbul. Dort ging die Polizei gewaltsam gegen die Demonstranten vor. Aus Protest gegen die Verhaftung ihrer Vorsitzenden und zahlreicher weiterer Abgeordneter beschloss die pro-kurdische HDP einen weitgehenden Boykott des Parlaments der Türkei. Die zweitgrößte Oppositionspartei in der Nationalversammlung in Ankara teilte am Sonntag mit, sie ziehe sich zunächst aus allen Gesetzgebungsverfahren zurück.

Der HDP-Abgeordnete Ziya Pir sagte der Deutschen Presse-Agentur, eine denkbare Option sei die Aufgabe der 59 Mandate der Partei im Parlament. Vorerst werde die Fraktion sich aber weiter treffen. Die HDP nannte die Verhaftungen den „umfassendsten und schwärzesten Angriff in der Geschichte unserer demokratischen Politik“.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan bezeichnete die HDP-Abgeordneten am Sonntag erneut als verlängerten Arm der Terrororganisation PKK. „Wenn Sie sich nicht wie ein Abgeordneter, sondern wie ein Terrorist verhalten, dann werden Sie wie ein Terrorist behandelt“, sagte er in Istanbul.

Unterdessen erhöhte die Polizei in Baden-Württemberg den Schutz türkischer Einrichtungen als Folge der jüngsten Entwicklungen in der Türkei. Das Innenministerium in Stuttgart hält gewaltsame Aktionen für denkbar. Konkrete Erkenntnisse lägen aber nicht vor, wie es hieß.

Die Kundgebungen in Deutschland richteten sich insbesondere gegen die Festnahmen führender kurdischer Politiker in der Nacht zum Freitag. Die türkische Polizei hatte bei Razzien elf HDP-Abgeordnete festgenommen, darunter die Parteichefs Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, den Fraktionschef İdris Baluken und den in Deutschland aufgewachsenen Ziya Pir. Demirtaş war im September noch selbst in Köln aufgetreten.

Redner riefen in Köln zum Widerstand gegen Erdoğan auf und warfen der deutschen Politik vor, in der Türkei ein terroristisches und diktatorisches Regime zu unterstützen. Viele Demonstranten schwenkten Fahnen mit dem Bild des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan – was eigentlich verboten werden sollte.

Dersim Dağdeviren, Sprecherin des kurdischen Dachverbands Nav-Dem, forderte eindeutige politische Sanktionen gegen die Türkei. „Dass mit Erdoğan jetzt ein Diktator eine der größten Armeen der Nato stellt, halte ich für sehr gefährlich“, sagte sie.

Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger forderte in seiner Rede in Köln den Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Die festgenommenen HDP-Politiker müssten sofort freigelassen werden. „Erdoğan ist auf dem Weg in eine Diktatur.“ Die Bundesregierung sei dafür mitverantwortlich, weil sie nicht mehr Druck auf ihn ausübe.

Auch jetzt könne man noch viel tun, sagte Riexinger der Deutschen Presse-Agentur. „Die Türkei ist Nato-Mitglied, in hohem Maße verschuldet, wirtschaftlich abhängig.“ Das Mindeste, was man erwarten könne, sei, dass die Bundesregierung mit dem „diplomatischen Rumgeeiere“ aufhöre und endlich klare Worte finde.

In der Türkei selbst löste die Polizei am Samstagabend in Istanbul eine Kundgebung der HDP mit Wasserwerfern, Tränengas und Plastikgeschossen auf, wie Teilnehmer berichteten. Auf Plakaten forderten Demonstranten „Demokratischen Widerstand gegen jede Art von Putsch“ und „Fasst unsere Vorsitzenden nicht an“. (dpa/ dtj)