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Gesellschaft

Terrorismus hat keine Religion

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Terror ist eine Schandtat, wer auch immer dahinter stecken mag. Fatih Köylüoğlu bezieht in seinem offenen Brief Stellung zu den Ereignissen in Paris. (Foto: dpa)

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Liebe Bürgerinnen und Bürger,

liebe Mitmenschen,

Wir sind empört. Wir sind alle zutiefst erschüttert. In was für einer Welt leben wir eigentlich? Gestern noch avancierte eine junge, vorbildliche Frau mit türkischen Wurzeln für ihre Zivilcourage zu einer Heldin. Tuğce setzte sich selbstlos für ihre Mitmenschen ein. Nicht wir haben Tuğce zu einer Heldin gemacht, sondern die Medien. Wir wollten lediglich wichtig sein und mitreden. Wir wollten uns auf ihre Kosten profilieren und heroisch inszenieren, in einer scheinbar zunehmend individualistisch und menschenverachtenden Welt. Der Schein überschattet das Sein.

Jetzt wurde diese junge Frau still auf dem Friedhof des Schweigens und Vergessens begraben. Niemand spricht mehr über sie. Sind wir mundtot oder bereiten wir uns exzessiv darauf vor, das nächste Mal noch mehr ins Scheinwerferlicht zu drängen?

Der Angriff auf Charlie Hebdo ist ein barbarischer Akt. Die Krokodilstränen werden vergossen. Kaum sind sie ausgetrocknet, schon wird bereits am darauffolgenden Tag die nächste Ereigniskarte gezogen. Ein künstlich kreiertes und nicht minder heuchlerisches Spiel. Traurig, wenn man jetzt schon weiß, dass auch dieses Ereignis instrumentalisiert wird.

Wir sind damit beschäftigt, uns zu distanzieren. Niemand damit, genau jetzt näher zu kommen und zusammenzuhalten. Es reicht nicht, sich auf sozialen Plattformen und in den Medien verbal von diesen Terroristen zu distanzieren. Wir müssen gemeinsam handeln und an einem Strang ziehen. Nicht lediglich über Taten sprechen, sondern auch Taten sprechen lassen.

Ist es nicht jetzt an der Zeit und mehr als begrüßenswert, dass sich Menschen, unabhängig ihrer ethnischen, religiösen oder sozialen Herkunft, zusammenfinden und Solidarität gegen diese Barbaren zeigen, die unter dem Deckmantel der Demokratie morden? Ist es auch nicht seitens der Medien an der Zeit, sachlich und aufklärend zu berichten anstatt ein Feindbild zu konstruieren und gezielt auflagenorientiert Vorurteile zu zementieren und Ängste zu schüren?

Wir sind uns einig. Nur weil die barbarischen Täter „Allahu Akbar“ lautstark rufen, sind sie noch lange kein Muslime oder stehen nicht für den Islam. Nur weil die Pegida „Wir sind das Volk“ posaunen, sind sie nicht das Volk oder einer von uns. Einige sogenannte Muslime, Christen oder Juden erwarten heute zuversichtlich, in den Himmel zu kommen. Auch wenn ihr geistlicher Zustand das Gegenteil erwarten lässt. Und dennoch besitzen einige weiterhin eine unerklärliche Zuversicht, für die Ewigkeit bereit zu sein. Eine klägliche Selbsttäuschung. Wer hinter dem Terror steckt, ist nicht entscheidend, denn Terror ist Terror und Terrorismus hat keine Religion.

Wir müssen die stetig wachsende und aufkeimende Wut sowie den Hass im Keim ersticken. Nicht durch das Distanzieren, sondern Zusammenrücken. Nicht durch Reden über das Töten, sondern das Retten von Leben.

Rettest du einen Menschen, rettest du die gesamte Menschheit. Wer einen Menschen rettet, für den soll es sein, als habe er die ganze Welt gerettet, so heißt es. Diese ubiquitären Worte sind zentrales Element, ein Grundpfeiler der monotheistischen Glaubensrichtungen und einer zivilisierten Gesellschaft. Diese Kernbotschaft zieht keine Grenzen und spricht eine universell gültige Sprache. Sie adressiert sich an die gesamte Weltbevölkerung und ermöglicht dadurch Menschen, sich über nationale, soziale, kulturelle, religiöse und ethnische Grenzen hinweg miteinander zu verbinden und sich mit Respekt zu begegnen.

Mit solidarischen Grüßen,

Fatih