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Politik

Teşekkürler, ne kadar cömert, „Spiegel“!

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Erstmals in 66 Jahren seines Bestehens hat das bekannte Hamburger Nachrichtenmagazin einen Artikel in türkischer Sprache verfasst. Wir haben uns mit möglichen Erklärungen befasst. Und bleiben bei gesunder Skepsis.

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Teşekkürler, ne kadar cömert, „Spiegel“!
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Wenn das nicht eine Revolution in der 66-jährigen Geschichte des Magazins „Der Spiegel“ ist: Erstmals in seiner Geschichte druckt das Blatt, das sonst bislang durch Titel wie „Gettos in Deutschland: Eine Million Türken“ oder „Mekka Deutschland: Die stille Islamisierung“ aufgefallen ist, einen ganzen, zehnseitigen Artikel in türkischer Sprache ab.

Dies erscheint auf den ersten Blick bemerkenswert und auch lobenswert, wenn man bedenkt, wie lange die türkische Bevölkerung bereits in Deutschland ansässig ist. Die ersten türkischen Gastarbeiter waren Anfang der 1960er-Jahre nach Deutschland gekommen und es sind inzwischen über 50 Jahre vergangen, nach denen der Großteil von ihnen hier geblieben ist. Die deutsche Zeitschrift „Spiegel“ gibt es nun auch schon seit 66 Jahren. Während sich das türkische Radio Metropol FM mehr und mehr zur deutschen Sprache hingewandt hat, weil in den Jahren 1999-2005 ein Wandel in der Hörercommunity zu verzeichnen war, scheint der „Spiegel“ die Entwicklung anders zu sehen. „Spiegel“-Leser türkischer Herkunft beherrschen normalerweise auch die gehobene deutsche Sprache, weshalb ihn viele auch abonniert haben. Er ist – oben genannten Überschriften zum Trotz – nicht zu vergleichen mit einer Boulevard-Zeitung, wo eine einfache Sprache benutzt wird.

Warum nicht schon nach Solingen oder den NSU-Morden?

Doch was bewegt den „Spiegel“ nun, einen zehnseitigen Bericht in türkischer Sprache abzudrucken, der die Taksim-Unruhen in Istanbul zum Inhalt hat.

Potenzielle Gründe gäbe es viele:

Der „Spiegel“ könnte vorhaben, sich auch in der Türkei niederzulassen. Oder er unterschätzt die Sprachkenntnisse seiner Leser und möchte deshalb in deren Muttersprache berichten. Oder der „Spiegel“ sieht in den türkischen Lesern in Deutschland ein Potenzial, das es absatzpolitisch zu erweitern gelte. Oder der „Spiegel“ weiß, dass das Thema „Taksim“ sehr emotional ist und benutzt die Sprache, in der sich die türkischen Leser heimisch und verstanden fühlen.

Der „Spiegel“ könnte seine empathische Seite entdeckt haben und entsprechend an die Sache herangehen. Oder der „Spiegel“ hat deutschsprachige Leser, die das Ganze auch mal auf Türkisch lesen möchten.

Aber am zutreffendsten ist wohl ein anderer Erklärungsabsatz. Der „Spiegel“ setzt der Türkei einen Spiegel vor und will sagen: Egal wohin du schaust, „Überall ist Taksim“. Was für die meisten ja immerhin sympathischer klingen dürfte als die kürzlich anderswo erhobene Behauptung, überall wäre Neukölln.

Lieber Spiegel, wir finden das jedenfalls ganz toll und bitten Dich, auch bezüglich der wirklich heißen Themen in Deutschland, die Menschen mit Migrationshintergrund betreffen, in gleicher Weise zu berichten. Es ist noch nicht zu spät, es gibt da einen Aufruf: Bitte berichten Sie doch auch über die NSU-Morde auf Türkisch, dann ist der türkische Leser in der Türkei darüber genauso aufgeklärt wie der deutsche Leser hier und entdeckt möglicherweise noch Informationen, die er in türkischer Sprache bislang noch nicht bekommen hat!