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Politik

Türkei als Demokratie-Modell für arabische Welt noch „zu unbeständig“

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Der Gemischte Parlamentarische Ausschuss der EU kommt in seinem aktuellen Türkei-Bericht zu dem Schluss, dass die Vorbildrolle der Türkei für die arabische Welt hinterfragt werden müsse. (Foto: aa)

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Türkei als Demokratie-Modell für arabische Welt noch „zu unbeständig“
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Fast einen Monat ist es jetzt nun her. Eine unangemeldete Demonstration in Istanbul wurde von Sicherheitskräften mit einer rauen Art aufgelöst und eskalierte. Die ganze Welt richtete ihren Blick auf ein Land, das seit zehn Jahren fast durchweg für positive Schlagzeilen gesorgt hatte. Besonders während des andauernden Syrien-Konfliktes war die Türkei ein wichtiger und zuverlässiger Partner, der seine Aufgaben konsequent erfüllt hatte. Zwei weitere richtungsweisende Schritte in puncto Demokratisierungsprozess wurden unternommen: die Strukturierung einer neuen zivilrechtlichen Verfassung und die partielle Lösung des komplizierten PKK-Konfliktes sorgten allseits für Zustimmung und Beifall.

Türkisches Rollenmodell in Gefahr

In Brüssel kam gestern der Gemischte Parlamentarische Ausschuss der EU zusammen. Das Amt für Auswärtige Angelegenheiten des EU-Parlaments hatte für Informationszwecke einen Bericht über die Proteste in der Türkei veröffentlicht. Anhand dieses 26-seitigen Dokuments wurde schließlich in der Sitzung die Frage behandelt, ob die Türkei trotz der Unruhen als Rollenmodell für die arabische Welt weiterhin Bestand hat.

Türkei hat gezeigt, dass Demokratie und Islam harmonieren können

Die Türkei habe besonders nach dem „Arabischen Frühling“ politisch und strategisch immer mehr an Bedeutung gewonnen. In der Türkei sei bewiesen worden, dass Demokratie und Islam miteinander vereinbar sind. Auch die Europäer waren davon überzeugt. Sie verwiesen auf die säkular-parlamentarische Demokratie mit einer muslimischen Bevölkerung und wünschten, dass das gleiche Prinzip im selben Maße in der arabischen Welt umgesetzt würde. Im Bericht des Amtes für Auswärtige Angelegenheiten des EU-Parlaments wird jedoch in Erwägung gezogen, die kompromisslose Haltung der Regierung widerspreche der Zuversicht für den Erhalt dieser Vorbildfunktion. Zudem wird in dem Dokument ausgeführt, dass der Arabische Frühling sich nun auch die Türkei erfasst habe. Die Ausschreitungen und dagegen unternommene Maßnahmen hätten die Glaubwürdigkeit der säkularen Demokratie in Frage gestellt, heißt es.

Transparenz und zivile Aufsicht beim Militär erwartet

In dem offiziellen Dokument wird auch auf wichtige Reformbestrebungen im Zusammenhang mit der kurdischen und alevitischen Bevölkerung hingewiesen. Darüber hinaus seien die Beziehungen zwischen der Politik und dem Militär auf einem guten Wege. „Die türkische Regierung hat die Vorherrschaft des Militärs bei der Intervention in zivilen Angelegenheiten absorbiert. Des Weiteren sollte in der Tat bei den militärischen Ausgaben eine Transparenz und hierfür eine zivile Aufsicht bei dessen Steuerung gesichert werden.“

Gül schwächt raue Haltung Erdoğans ab

„Die Gezi-Park-Ausschreitungen sind eine Reaktion auf die autoritär wahrgenommene Haltung des Ministerpräsidenten Erdoğan und seiner Regierungspartei“, heißt es. Gleichermaßen werden im Bericht die derben Eingriffe der Polizei und die unzureichende Berichterstattung der Medien kritisiert.

„Am Anfang der Proteste hat Erdoğan die Bedürfnisse des Volkes ignoriert“, formuliert der Bericht und führt fort: „Die Annäherungsweise des Ministerpräsidenten und des Präsidenten Abdullah Gül sind prägnant voneinander zu unterscheiden. Dagegen behielt Gül seine konstruktive und versöhnliche Art und erwähnte, dass das Volk auf eine friedliche Weise seine Ansichten zum Ausdruck bringen kann.“ Auch das Statement Güls, wonach die Botschaft der Demonstranten bei ihnen (der Politik) angekommen sei, wurde in dem Bericht nicht ausgeklammert.

Ferner wurde auf die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei Bezug genommen. Es gebe diesbezüglich weiterhin ernste Probleme. Zudem seien einige Gesetze in der Terrorbekämpfung verbesserungswürdig, da hier zu strikte Strafen verhängt würden.