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Kultur/Religion

„The Real Housewives of ISIS“: muslimische Satire und die Frage nach der Moral

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Der BBC-Sketch „The Real Housewives of ISIS“ hat eine kontroverse Diskussion im Netz ausgelöst: Ist es okay, sich über IS-Ehefrauen lustig zu machen? In arabischen Ländern jedoch hat Satire über die Terrororganisation Tradition.

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Von Carolina Drüten

„Nur noch drei Tage bis zur Enthauptung, und ich habe keine Ahnung, was ich anziehen soll!“ So beginnt der Sketch des britischen Broadcasters BBC „The Real Housewives of ISIS“ („Die echten Hausfrauen des IS“). Er ist Teil der neuen Comedy-Show „Revolting“ von Jolyon Rubinstein und Heydon Prowse.

Der Sketch ist angelehnt an die US-amerikanische Reality-TV-Serie „The Real Housewives of Beverly Hills“, in der reiche und berühmte Frauen ihr privates Leben zeigen.

Der BBC-Sketch parodiert das Leben britischer IS-Ehefrauen

In „The Real Housewives of ISIS“ sind junge britische Frauen zu sehen, die sich im Netz in IS-Kämpfer verliebt haben und zu ihnen nach Syrien gezogen sind. Afsana, Mel, Zaynab und Hayda zeigen ihren Alltag im Nahen Osten. Mel etwa schildert, wie sie sich zum Leben im Kriegsgebiet entschlossen hat. „Abdul hat mich online verführt“, sagt sie. „Mit der freien Krankenversicherung hat er mich überzeugt.“

Die Hausfrauen lieben es, zu lästern, meist übereinander. Als zwei von ihnen sich im gleichen Outfit präsentieren – einer Selbstmordattentäter-Weste – ist das Gerede groß. „Immer muss sie mich kopieren“, sagt eine der Ehefrauen wütend.

Die BBC greift mit dem Sketch ein reales Problem auf: Etwa 800 britische Staatsbürger haben sich dem IS angeschlossen und leben in Syrien, 100 von ihnen sollen Frauen sein. Das berichten britische Medien. Kürzlich hat der Fall von Joya Choudhury im Netz Aufmerksamkeit erregt. Die Britin lebte als Ehefrau eines hochrangigen IS-Kämpfers in Syrien, floh aber 2013 in die USA, wo sie nun mit ihren Kindern und ihren Schwiegereltern lebt. Ihr Ex-Mann, ein amerikanischer Konvertit, ist nach wie vor ein hoher IS-Funktionär in Syrien.

„The Real Housewives of ISIS“: Mutig oder geschmacklos?

Der BBC-Sketch, der das Leben britischer IS-Ehefrauen parodiert, polarisiert die britische Nation. In den sozialen Netzen ist eine heiße Debatte entbrannt. Nutzer streiten darüber, ob es in Ordnung ist, sich über unterdrückte Frauen und Terror lustig zu machen. Die einen feiern den Mut der BBC, sich an ein solches Thema heranzutrauen, die anderen verurteilen den Sketch als geschmacklos.

„Die BBC hat den satirischen Sketch ‚The Real Housewives of ISIS’ produziert – während die wirklichen IS-Hausfrauen täglich vergewaltigt und missbraucht werden.“

„Ob angebracht oder nicht, ‚The Real Housewives of ISIS’ ist wahnsinning lustig.“

Muslime können über Sketch lachen

Viele Kritiker bemängeln, der Sketch sei islamophob und diskriminiere Anhänger des islamischen Glaubens. Dem widersprechen Muslime höchstpersönlich, etwa auf der Facebook-Seite von BBC Two, die den Sketch ausstrahlt und auf ihrer Seite gepostet hat. „Ich als Muslim finde das saukomisch! Brillant! Die Satire trifft es auf den Punkt. Sie betont die erbärmlichen Ideale einer erbärmlichen Gruppe wie dem IS“, schreibt Facebook-Nutzer Shimul B. unter dem Video. Auch Manal A. findet den Sketch nicht unangemessen, sondern lustig: „IS-Anhänger sind keine Muslime, sie sind Barbaren. Ich bin Muslim und ich unterstütze die Botschaft des Sketches voll und ganz.“

Wie weit darf Kunst gehen? Besonders die Frage, ob Satire über den Islam – im weitesten Sinne – erlaubt ist, bleibt umstritten. Im Spätsommer 2005 veröffentlichte die dänische Tageszeitung Jyllands-Posten die sogenannten Mohammed-Karikaturen, die den islamischen Propheten und Religionsstifter Mohammed parodieren. Weltweit kam es daraufhin in muslimisch geprägten Ländern zu teils gewaltsamen Demonstrationen und Ausschreitungen.

Satire über den IS in arabischen Ländern

Satire über die Terrororganisation IS und ihre Anhänger hat jedoch gerade in arabischen Ländern Tradition. Die libanesische Band „The Great Departed“ macht sich in einem Lied über den IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi lustig: „Glaube ist Anstand. Wäre ich eine Kuh, ich trüge einen BH.“ Auch viele Fernsehsender des Nahen Ostens strahlen Cartoons und Comedy-Shows aus, die islamistische Terroristen zum Thema machen.

Satire aus muslimischer Perspektive gibt es auch in Deutschland – auf der Internetseite Noktara. Sie bezeichnet sich selbst als „orientalische Lügenpresse“ und „Propagandablatt der heimlichen Islamisierung des Abendlandes“. Mit Schlagzeilen wie „Herbstanfang: IS bekennt sich zu fallenden Blättern“, „Das Haus vom Nikolaus wird zur Moschee umgebaut“ und „Döner for One: Erdoğan feiert alleine Neujahr“ will sie Muslime und Nicht-Muslime zum Lachen bringen.

Ob „The Real Housewives of ISIS“ lustig oder empörend ist, bleibt jedem selbst zu entscheiden. Die gesellschaftliche Debatte um Themen wie Islam, Terror und Flüchtlinge ist jedoch teils so verfahren, dass Humor nicht der schlechteste Ansatz ist.