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Politik

Trotz aller Spannungen: Bundesregierung und EU beteuern, die Türkei „nicht im Stich zu lassen“

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Zwischen der Türkei und Europa knirscht es. Insbesondere die Beziehungen zu Berlin sind nach der Armenien-Resolution des Bundestages angespannt. Die Umsetzung des Flüchtlingspakts beeinträchtige das jedoch nicht, betont man im Innenministerium demonstrativ. Und auch der Kanzleramtschef beteuert, dass man zum Abkommen halte und die Türkei nicht hängen lassen werde.

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türkische und europäische Flagge
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Trotz aller diplomatischen und menschlichen Verwerfungen der letzten Tage sieht das deutsche Innenministerium die Flüchtlingsvereinbarung zwischen EU und Türkei als Erfolg. „Die Türkei hält sich an die gemachten Zusagen, insbesondere die Maßnahmen, die für die Schleuserbekämpfung greifen“, sagte Staatssekretärin Emily Haber am Freitag in Luxemburg am Rande des EU-Innenministertreffens. „Wir sehen, dass viel weniger Menschen von der Türkei nach Griechenland übersetzen.“ Zuletzt seien 50 Personen pro Tag angekommen.

Von Donnerstag auf Freitag seien sogar nur zwei Migranten aus der Türkei neu ins Land gekommen, teilte der griechische Stab für die Flüchtlingskrise am Freitag mit. Während es im Februar täglich rund 2000 Menschen waren, ist die Zahl der Neuankünfte dem Stab zufolge gar auf durchschnittlich knapp 30 Flüchtlinge am Tag gesunken.

Dennoch bleibt die Lage auf den Inseln angespannt: In den Registrierzentren harren seit Monaten mehr als 8000 Migranten aus. Ihre Asylanträge werden wegen Personalmangels nur langsam bearbeitet. In den Lagern kommt es immer wieder zu Randalen. Am 18. Juni will sich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ein Bild von der Lage auf Lesbos machen.

Während die Vertragsparteien das Abkommen loben, wird es von Menschenrechtsaktivisten verurteilt: Salil Shettyr, Generalsekretär von Amnesty International, kritisiert es als inhuman und rechtswidrig. “Europa setzt seinen Ruf als Menschenrechtsverteidiger aufs Spiel”, sagte Shetty beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Kuala Lumpur. “Man kann nicht durch die Welt gehen und arme Länder mit erhobenem Zeigefinger zur Einhaltung der Menschenrechte ermahnen und versagen, sobald die eigenen Werte getestet werden.” Er erinnerte daran, dass sich die europäischen Staaten mit der Unterzeichnung der Flüchtlingskonvention zum Schutz der Geflüchteten verpflichtet haben.

Die EU-Türkei-Vereinbarung soll Migranten davon abhalten, aus der Türkei weiter nach Griechenland zu reisen. Seit dem 20. März auf den griechischen Inseln angekommene Migranten schickt die EU generell zurück in die Türkei, es sei denn, sie können nachweisen, dass ihnen dort Gefahr droht. “Die Türkei ein sicheres Herkunftsland zu nennen, ist lachhaft”, merkte Shatty dazu an. “In der Türkei wird auf Menschen geschossen, die über die Grenze kommen wollen“, so der Menschenrechtler. Für jeden zurückgeschickten Syrer nimmt Europa der Türkei einen anderen syrischen Flüchtling ab.

Altmeier: EU lässt Türkei nicht im Stich

Viel wurde in den letzten Tagen darüber spekuliert, ob die Spannungen, die auf die Armenien-Resolution des Bundestages folgten, Auswirkungen auf das Abkommen haben würden. Dazu sagte Haber lediglich: „Alles was wir sehen ist, dass alle angestrengt sind und alles daran setzen, die Vereinbarungen umzusetzen.“ Auch der niederländische Migrationsminister Klaas Dijkhoff gab sich zuversichtlich. Beide Partner der EU-Türkei-Vereinbarung bemühten sich um die Umsetzung. „Ich denke, dass wir sehen, dass es funktioniert, dass das Sterben in der Ägäis aufgehört hat“, sagte er zur EU-Türkei-Vereinbarung.

Auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) erwartet, dass beide Länder bei der Lösung der Flüchtlingskrise trotz der aktuellen Probleme weiter an einem Strang ziehen. Weil der Zustrom von Migranten insgesamt zurückgegangen sei, müssten die EU-Länder bislang nur wenige Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen. „Wir alle hoffen, dass das so bleibt“, sagte Altmaier dem Nachrichtenmagazin Focus. „Aber klar ist: Wenn neue Fluchtbewegungen entstehen sollten durch neue Ereignisse in Syrien, kann sich die Türkei darauf verlassen, dass sie von Europa bei der Aufnahme von Flüchtlingen nicht im Stich gelassen wird.“

Im Mittleren und Nahen Osten seien mehr als zehn Millionen Menschen auf der Flucht vor Gewalt und Terrorismus, sagte Altmaier. Mehr als drei Millionen von ihnen habe die Türkei auf ihrem Territorium Zuflucht geboten. „Wir unterstützen die Türkei dabei, dass diese Menschen ausreichend versorgt werden, dass es Arbeitsmöglichkeiten gibt und die Kinder zur Schule gehen können“, sagte Altmaier. „All das haben wir im Abkommen zwischen der EU und der Türkei vereinbart. Und wir gehen davon aus, dass sich alle Beteiligten an getroffene Abmachungen halten.“

Im Nachgang des Streits um die Armenier-Resolution des Bundestages war in den letzten Tagen auch der Ton zwischen der Türkei und der EU rauer geworden. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hatte einen Brandbrief an den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan geschrieben, in welchem er Erdoğan davor warnte, dass seine Drohungen und rassistischen Beleidigungen die Beziehungen zur EU beeinträchtigen könnten: „Wenn Abgeordnete eines Parlaments allerdings erleben müssen, dass höchste Organe eines anderen Staates durch ihr Verhalten und ihre Äußerungen diese Garantie infrage stellen und dies gar zu Bedrohungen führt, wird das auf Dauer nicht ohne Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen bleiben.“ Auch ein Ende der Beitrittsverhandlungen wurde bereits gefordert.

Der türkische EU-Minister Ömer Çelik wiederum wirft dem Europaparlament eine „Kampagne“ gegen Staatspräsident Erdoğan vor. In dem Parlament werde „schwarze Propaganda gegen unseren geehrten Präsidenten“ betrieben, sagte Çelik bei einer im türkischen Fernsehen übertragenen Pressekonferenz in Den Haag. Hintergrund der Kampagne sei unter anderem „Türkei-Feindlichkeit“. Çelik kritisierte, auch gemäßigte EU-Parlamentarier hätten inzwischen „islamophobe Aussagen“ ultrarechter Politiker übernommen und verstießen damit gegen europäische Werte. (mit Material von dpa)