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Gesellschaft

Trotz Arbeit und Kind: Abgeschoben mitten in der Nacht

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Frau, Kind, feste Arbeit, aktiv im Fußballverein: Es klingt nach einem deutschen Vorzeigeleben. Doch das reicht nicht, um in Deutschland bleiben zu dürfen, wenn man den falschen Pass in der Tasche hat. Das mussten Dimitri und seine Familie schmerzhaft am eigenen Leib erfahren. Eine Geschichte, wie sie sich in Deutschland immer noch zu Tausenden zuträgt.

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abgeschobener Georgier Dimitri Bakradze
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Dimitri Bakradze ist 30 Jahre alt. Er steht mitten im Leben. Nein, stand, muss man sagen. Denn er wurde vor kurzem aus seinem Alltag in Deutschland gerissen.

Dimitri stammt aus Georgien und kam als Au-Pair im Sommer 2010 nach Deutschland. Er lernte sofort Deutsch, bestand bereits im ersten Jahr den Sprachtest für Deutsch als Fremdsprache (DAF) und schrieb sich im Oktober 2011 im Fach Agrarwissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin ein.

Baby statt Pauken

Doch der Start ins Studium verlief mehr als schleppend. Es lag nicht nur an ihm. „Ich habe den Anfang meines Studiums verpasst, man kann auch sagen versäumt. Dann kam meine Frau nach Deutschland – damals noch Freundin. Sie wurde schwanger.“ Es folgten drei Urlaubssemester, an Hausarbeiten und Klausuren war nicht zu denken. Er wechselte schließlich zu Informatik.

Plötzlich lief es, doch dieses Mal funkte die Ausländerbehörde dazwischen. „Sie sagten mir, dass ich nicht mehr studieren darf.“ Der Traum von einem Hochschulstudium zerschlug sich. Dimitri musste sich exmatrikulieren lassen.

Der junge Georgier suchte sich einen Vollzeitjob, um die junge Familie zu ernähren. Er wollte Pflegehelfer werden – und wurde fündig. Er bekam eine Stelle im Pflegeheim Sanatorium West, die er auch antrat. Doch wieder war es die Ausländerbehörde, die ihm einen Strich durch die Rechnung machte. Sie verweigerte ihm seinen Angaben zufolge die Arbeitserlaubnis. Doch dabei blieb es nicht. Dimitri und seine Familie wurden aufgefordert, innerhalb eines Monats das Land zu verlassen. Eine Klage brachte kein Ergebnis. Selbst der unbefristete Vertrag seiner Frau, die in einem Hotel als Zimmermädchen beschäftigt war, änderte nichts an dem Urteil.

Selbstkritik und Ärger über Landsleute

„Das einzige, was ich falsch gemacht habe, ist, dass ich nicht richtig studiert habe“, ist sich Dimitri seines Vergehens durchaus bewusst. Sein Aufenthalt war schließlich an einem Studium gekoppelt. Doch verweist er auf die nachvollziehbaren Rahmenumstände – und betont: „Wir haben nie Sozialhilfe in Anspruch genommen. Auch kein Kindergeld, obwohl Anspruch bestand.“ Er kann nicht verstehen, warum jetzt die gesamte Familie bestraft wird. Im Pass steht „abgeschoben“. Auch in dem seiner Tochter. Am letzten Tag der Frist wurde die junge Familie aus ihrem Haus abgeholt und nach Düsseldorf gebracht – mitten in der Nacht. Im Flieger ging es dann zurück nach Georgien. Das war vor knapp sechs Wochen am 19. Januar.

Dimitri sieht die Schuld jedoch nicht nur bei sich und den deutschen Behörden. Ein Problem stellen auch viele seiner Landsmänner dar – Stichwort „organisierte Kriminalität“.

Der 30-Jährige beklagt Sippenhaft. „Ich finde es beschämend, was viele Georgier im Ausland machen, aber ich habe und hatte mit denen nichts außer der gemeinsamen Nationalität gemein.“ Zwei Mal habe er sich gar im Flugzeug aus Wut über seine eigene Situation mit abgeschobenen, offenbar kriminellen Georgiern angelegt.

Fußballer kämpfen um ihren alten Kollegen

Jetzt ist er also wieder im Kaukasus und nicht gut auf die Ausländerbehörde und viele Georgier zu sprechen. Er fühlt sich ungerecht behandelt. Seine Zeit in Deutschland insgesamt hingegen hat er in guter Erinnerung. „Trotz des bitteren Endes meines Aufenthaltes bin ich froh und glücklich in Deutschland gewesen zu sein. Ich danke jedem, der dazu beigetragen hat!“

Ohne Zweifel dürfte auch die Fußballmannschaft dazugehört haben, in der Dimitri aktiv und integriert war. Auch sie hat ihn nicht vergessen. Seine alten Kameraden haben Geld gesammelt und über einen Anwalt Einsicht in seine Akte bekommen. Selbst den Flüchtlingsrat der Stadt haben sie eingeschaltet.

„Wir als Team wollen die Abschiebung nicht akzeptieren und versuchen alles, dass die Familie wieder nach Deutschland kommt“, berichtet ein Mitglied gegenüber DTJ.

Ob es klappt, bleibt mehr als ungewiss. Die Ausländerbehörde dürfte das solidarische Engagement wenig interessieren.