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Kultur/Religion

TÜBITAK plant Vernichtung „untürkischer“ Bücher

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Wer meint, in der Türkei wird nur die Presse zensiert, der irrt. TÜBİTAK, die Anstalt für Wissenschaftliche und Technologische Forschung, startet eine Zensurkampagne für Bücher. Alles, was der türkischen Kultur nicht passt, soll vernichtet werden.

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Bücher kann man einsammeln, verbieten, verbrennen. Kann man damit aber auch die Verbreitung von Gedanken und Erkenntnissen verhindern?

In der Geschichte gab es zu viele solche Versuche. Die katholische Kirche hatte den Index, auf dem als bedenklich eingestufte Bücher landeten. Die Nazis veranstalteten in vielen deutschen Städten Bücherverbrennungen. Betroffen waren Bücher und Autoren, die heute zu den Klassikern der Weltliteratur zählen.

Solche Aktionen haben auf lange Sicht nichts gebracht. Versuche gibt es aber immer wieder – und heute ist die Türkei an der Reihe. Eine Aktion der Türkischen Anstalt für Wissenschaftliche und Technologische Forschung TÜBİTAK (Türkiye Bilimsel ve Teknolojik Araştırma Kurumu) steht symbolisch für die Richtung, in die sich das Land gerade entwickelt.

TÜBITAK hat 50.000 Bücher einsammeln lassen

Wie in den letzten Tagen bekannt wurde, hat TÜBİTAK angeordnet, 50.000 Exemplare von Büchern, die von ihr herausgegeben wurden, einzusammeln und zu prüfen. Zunächst handelt es sich um Bücher von ausländischen Autoren für Kinder.

Sie würden nun auf die Kriterien ‚Angestammtheit‘ (‚yerlilik‘) und ’kulturelle Harmonie’ (‚kültürel uyum‘) geprüft. Bücher, die durch diese Prüfung fallen, sollen dann eigesammelt und vernichtet werden. Die Aktion erfolgt im Zuge der Neustrukturierung der TÜBİTAK.

Bekannt wurde die Aktion durch eine Kolumne des Journalisten Arslan Bulut, der für die rechtsgerichtete Zeitung Yeniçağ Gazetesi schreibt. Die Zeitung steht der nationalistischen Partei MHP nahe. Bulut kritisierte in einer Kolumne vom 6. November, dass in dem Kinderbuch ‚Gökkuşağının Tüm Renkleri‘ (‚Alle Farben des Regenbogens‘) der Autorin Jennifer Moore-Mallinos und der Zeichnerin Marta Fabrega jüdische Feiertage und christliche Taufsymbole abgebildet sind. Er warnte:

„Bei TÜBİTAK werden türkischen Kindern jüdische Feiertage und christliche Taufsymbole mit Bildern und Wörtern nahegebracht. Sie können den Staat zerstören, das Volk wird einen neuen hervorbringen. Wenn aber das Volk zugrundegeht, dann durch solche Symbole, die in das Unterbewusstsein der Kinder eingeimpft werden. Es gibt dann kein Zurück mehr.“

Brief des TÜBİTAK-Präsidenten: „Wir teilen ihre Sensibilität“

Daraufhin schickte der Präsident von TÜBİTAK, Prof. A. Arif  Engin (Foto), einen Brief an den Kolumnisten, welchen dieser in der Kolumne vom 21. November 2015 veröffentlicht hat. Der Brief beginnt mit den Worten: „Wir danken ihnen für die kulturelle Sensibilität, die sie in Bezug auf das im Jahr 2011 veröffentlichte Buch ‚Gökkuşağının Tüm Renkleri‘ an den Tag gelegt haben. Seien Sie versichert: In dieser Frage teilen wir ihre Sensibilität.“

Daraufhinh teilte der Präsident mit, dass im Jahr 2015 insgesamt 50.000 Bücher eingesammelt wurden. Engin schreibt: „Wir sind immer noch dabei, alle bisher von uns veröffentlichten Bücher auf ‚kulturelle Harmonie‘ und ‚Angestammtheit‘ zu testen. Von den bisher veröffentlichten 700 Büchern sind 362 diesem Test  unterzogen worden. Sie werden uns zustimmen, dass es Zeit braucht, alle 700 Bücher einzeln zu überprüfen.“

Diesem Brief des TÜBİTAK-Präsidenten nach zu urteilen haben sie noch einiges vor sich. Bisher sind von den 700 Titeln über 17 Millionen Exemplare gedruckt worden. Die gesetzliche Grundlage dafür sei erst im Jahr 2015 geschaffen worden. Der Präsident drückt darüber hinaus sein Bedauern aus, dass der Eindruck erweckt worden sei, das betreffende  Buch sei in diesem Jahr gedruckt worden. In Wahrheit stamme es aus dem Jahr 2011.

Chefredakteurin wegen Titelgeschichte über Darwin entlassen

TÜBITAK wurde im Jahr 1963 gegründet. Sie soll die Regierung in Fragen von Wissenschaft und Technologie beraten. 1993 begann sie, auch populärwissenschaftliche Bücher zu drucken. Sie hat heute die Aufgabe, Wissenschaft und Technologie zu fördern und für die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse unter der Bevölkerung zu sorgen. Mit der AKP-Regierung gab es jedoch eine Neuausrichtung der Anstalt.

So wurde 2009 Dr. Çiğdem Atakuman, Chefredakteurin der Zeitschrift „Bilim ve Teknik“ (Wissenschaft und Technik), die von TÜBİTAK herausgegeben wird,  entlassen. Sie hatte in der Ausgabe vom März 2009 eine Titelgeschichte über Charles Darwin drucken lassen. Da die Evolutionstheorie nicht in das Weltbild einiger konservativer AKP-Politiker passt, wurde sie gefeuert und der Druck der Zeitschrift gestoppt. Stattdessen druckte man eine Titelgeschichte über den globalen Klimawandel.

Wie es heißt, werde die Aktion von TÜBITAK weitergehen, Bücher durch den Test türkischer Kultur und religiöser Werte einer Prüfung zu unterziehen.