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Politik

Türkei: Raketendeal vor dem Aus?

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Das NATO-Mitglied Türkei verschreckte im Spätsommer 2013 seine Bündnispartner mit dem Vorhaben, Flugabwehrraketen aus China zu kaufen. Nach heftiger Kritik stehen die Verhandlungen zwischen Ankara und Peking nun offenbar vor dem Aus. (Foto: rtr)

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Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan wird von seinem chinesischen Amtskollegen Wen Jiabao empfangen.
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Nach scharfer Kritik vonseiten der NATO am von Ankara geplanten Kauf chinesischer Raketen mehren sich nun die Spekulationen darüber, dass die Türkei das Projekt schon wieder beenden könnte – und zwar von sich aus. Die türkische Zeitung „Today’s Zaman“ berichtete, dass gut informierte Quellen ihr gegenüber erklärt hätten, man gehe davon aus, dass die Türkei noch einige Monate mit den Chinesen über den Vertrag verhandeln werde, bevor man das Projekt doch ad acta lege.

„Die Türkei wird das Vorhaben nicht sofort anhalten, sondern vielmehr Argumente sammeln, um dann das gesamte Projekt einstellen zu können. Die NATO hat der Türkei von Anfang an gesagt, dass das chinesische Waffensystem von CPMIEC nicht kompatibel mit dem Verteidigungsverbund aus NATO-Flugabwehrsystemen ist“, sagte die Quelle gegenüber Today’s Zaman.

Dem Bericht zufolge sind die Verhandlungen mit CPMIEC momentan jedoch noch in vollem Gange und die Ergebnisse sollen am Ende des Monats dem türkischen Premierminister Recep Tayyip Erdoğan vorgelegt werden.

NATO: Angst vor Verteidigungslücke oder nur Ärger über verpassten Milliardenauftrag?

Im September 2013 hatte sich der chinesische Rüstungskonzern CPMIEC (China Präzisions Maschinerie Export-Import Corp.) bei einer milliardenschweren Ausschreibung der türkischen Regierung für den Kauf eines Langstrecken-Raketenabwehrsystems mit seinem Flugabwehrraketentyp HQ-9 gegen amerikanische, russische und europäische Firmen wie etwa Lockheed, Rosoboronexport oder Eurosam durchgesetzt.

Mit dem geplanten Kauf von neuen Flugabwehrraketen plant das türkische Militär, die Verteidigungssysteme der Türkei zu modernisieren.

Die NATO war vor allem besorgt über das Vorhaben der Türkei, die chinesische Rakete vom Typ HQ-9 den türkischen Ansprüchen entsprechend zu modifizieren, hin zu einer „T-LORAMIDS“ genannten Variante der HQ-9. In der „T-LORAMIDS“ wäre dann erstmals ein militärisches Steuerungssystem der NATO in einer chinesischen Waffe eingebaut worden. Dadurch könnten sensible militärische und technische Informationen an die Chinesen gelangen, so die Sorge der NATO. Außerdem seien russische und chinesische Waffensysteme nicht mit den NATO-Systemen kompatibel.

HQ-9: Bau mit türkischer Beteiligung und 1,5 Milliarden Dollar günstiger

Außerdem sorgte die Tatsache, dass der chinesische Rüstungskonzern CPMIEC offiziell unter US-Sanktionen steht. Das Unternehmen soll Geräte, die unter US-Recht zum Zwecke der Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen verboten sind, an Syrien, Nordkorea und den Iran verkauft haben.

Der Auftrag an das chinesische Unternehmen umfasse dem Zeitungsbericht nach ein Volumen von 3,4 Milliarden Dollar und wäre damit im Vergleich zur US-amerikanischen Option um ganze 1,5 Milliarden Dollar günstiger. Ein weiterer Vorteil, der sich für die türkische Regierung aus dem Kauf der chinesischen Rakete ergeben würde, ist, dass die Waffensysteme mit türkischer Beteiligung gebaut werden würden.

Ankara ließ bereits verlauten, dass im Falle des Scheiterns der Vertragsverhandlungen mit CPMIEC sofort Verhandlungen mit den übrigen ausländischen Anbietern beginnen würden.

Die Türkei besitzt bislang nur veraltete Flugabwehrsysteme

Die türkische Armee verfügt bereits über verschiedene, meist jedoch veraltete Flugabwehrsysteme amerikanischer und britischer Produktion. So besitzt die Türkei etwa Mittelstrecken-Flugabwehrraketen des Typs MIM-104 Patriot, das Flugabwehrraketensystem MIM-23 HAWK, Langstrecken-Flugabwehrraketen vom Typ Nike Hercules für Ziele in großen Höhen aus amerikanischer Produktion und britische Boden-Luft-Raketen des Typs Rapier und mehrere Radarsysteme. Seit Anfang 2013 kann die Türkei auch eigene AWACS-Radarflugzeuge einsetzen.

Die NATO hat im Rahmen der Operation „Active Fence” außerdem momentan jeweils zwei „Patriot“-Abwehrstaffeln aus den USA, den Niederlanden und Deutschland in der Türkei stationiert.

Große Hoffnung setzt die Türkei auch in selbstentwickelte Waffensysteme. Im Oktober wurde auf einem militärischen Testgelände die erste in der Türkei produzierte Flugabwehrrakete erfolgreich getestet.