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Kolumnen

Türkei: Das sind die wahren Verlierer von Sonntag

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KOLUMNE Die Wahl ist zu Ende, die Stimmen gezählt. Was bedeuten sie?

Für mich gibt es klare Verlierer der Wahl. Das sind nicht unbedingt die, die sich zur Wahl gestellt haben.

Diese haben die Wahl verloren:

TRT: 

Ein Verlierer der Wahl ist der staatliche Sender TRT. Sie haben sich vor der Wahl nicht als staatlicher, sondern als parteiischer Sender hervorgetan. Der AKP 90 Prozent Sendezeit zugestanden, den Oppositionsparteien lediglich 10 Prozent. Die TRT-Führung sollte Konsequenzen ziehen.

Das gleiche gilt für die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu (AA). Auch sie haben sich durch und durch parteiisch gezeigt.

Diyanet:

Ein weiterer Verlierer ist das staatliche Religionsamt Diyanet. Die Diyanet hat sich parteiisch gezeigt, ihre Leitung in der Person von Mehmet Görmez als willensschwach gegenüber Erdoğan. Diyanet hätte sich eigentlich wie eine unabhängige Gewissensinstanz verhalten sollen. Stattdessen hat sie die Regierung mehr oder weniger offen unterstützt, Görmez ließ sich von Erdoğan eine gepanzerte Limousine schenken. Görmez sollte seinen Hut nehmen, wenn er einen hat, aber auf jeden Fall seinen Sarık (Imam-Turban) da lassen und gehen.

Oder sollte man das dem Mann nachsehen, sein Nachname bedeutet ja übersetzt „Jemand, der nicht sieht.“ Er war blind gegenüber Korruption, Unterdrückung und Unrecht.

HSYK:

Auch der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK) gehört zu den Wahlverlierern. Er waren unter die Kontrolle der Regierung getreten. Die Justiz war für viele nicht mehr der Garant für die Gerechtigkeit. Sie hat sich zur Bekämpfung oppositioneller und unabhängiger Bürokraten instrumentalisieren lassen.

Bleibt zu hoffen, dass nicht irgendein Staatsanwalt auf die Idee kommt, Ermittlungen gegen das Wahlvolk aufzunehmen mit der Beschuldigung, einen zivilen Putsch gegen die Regierung in Angriff genommen zu haben.

AVEA:

Der Mobilfunknetzanbieter AVEA übernahm die AKP-Praxis der staatlichen Stellen, Journalisten unabhängiger und oppositioneller Medien von ihren Veranstaltungen auszusperren. Einen TV-Reporter hatten sie vor kurzem zum Weinen gebracht. Sie haben diskriminiert, Journalisten ihrer Freiheit beschnitten.

Katzen:

In der jüngeren politischen Kultur der Türkei stehen Katzen für Wahlbetrug. Bei den letzten Kommunalwahlen (30. März 2014) gab es gerade am Wahlabend großflächige Stromausfälle. Der Energieminister erklärte dies damit, dass Katzen in Strom-Transformatoren eingedrungen waren. Auch vor dieser Wahl gab es Befürchtungen, dass es zu Wahlmanipulationen kommen könnte. Scheinbar konnten nicht genügend Katzen mobilisiert werden.

‚Überparteilicher‘ Staatspräsident:

Der Hauptverlierer der Wahl ist Recep Tayyip Erdoğan. Von Amts wegen war er eigentlich verpflichtet, sich unparteiisch zu verhalten. Aber er hat Partei ergriffen, ist von Wahlkampfauftritt zu Wahlkampfauftritt geeilt, 400 Abgeordnete für die AKP gefordert. Bekommen hat er den Verlust der Regierungsmehrheit für seine Partei, nämlich weniger als 260 Abgeordnete.

Er hat die Verfassung und Gesetze missachtet, gezeigt, dass sein Eid auf seine Ehre beim Amtsantritt nichts wert ist. Er hat dem Amt des Staatspräsidenten schweren Schaden zugefügt. Die Fehler von Bundespräsident Wulff sind im Vergleich zu Erdoğan nicht mal als Atome von Peanuts zu bezeichnen. Aber die Größe, zu gehen, wird von ihm nicht erwartet.

Und wer ist der Gewinner?

Der Gewinner ist eindeutig die türkische Demokratie. Das Parlament. Die Hoffnung auf einen Neuanfang.

Andernfalls wäre die Türkei in eine Ein-Erdoğan-Diktatur hinein marschiert. Jeder und alles, der und das sich Erdoğan nicht fügt, hätte keine Rechtssicherheit mehr gehabt. Viele hätten ihren Glauben an das Gute verloren. Die Maßstäbe für Gut und Böse wären durcheinander geraten.

Der türkische Wähler hat kurz vor der Klippe die Handbremse gezogen.