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Gesellschaft

„Lang lebe die türkisch-kurdische Brüderlichkeit!“

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Es war ein historisches Treffen für den Frieden. Führende Politiker der Regierung sind am Samstag nach Diyarbakır gereist und dort mit wichtigen kurdischen Persönlichkeiten zusammengekommen. Erdoğan benutzte erstmals den Begriff „Kurdistan“. (Foto: dha)

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Erdogan zusammen mit den beiden Sängern Ibrahim Tatlises und Siwan Prever in Diyarbakir am 16.11.2013.
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Ziel des symbolischen Treffens zwischen führenden türkischen Politikern und wichtigen kurdischen Persönlichkeiten am Samstag in der ostanatolischen Stadt Diyarbakır war es, dem Friedensprozess neuen Schwung zu verleihen.

Der türkisch-kurdische Bürgermeister Diyarbakırs Osman Baydemir und die ebenfalls aus der Provinz stammende unabhängige Abgeordnete Leyla Zana empfingen Premierminister Erdoğan am Flughafen, von wo aus der Regierungschef seinen Besuch startete. Vom Flughafen fuhr Erdoğan weiter zum Gebäude der Stadtverwaltung und zum Büro des Bürgermeisters von Diyarbakır. Es war Erdoğans erster Besuch in einer von der kurdischen BDP geleiteten Stadtverwaltung überhaupt.

Der türkische Ministerpräsident wurde von weiteren wichtigen Regierungsvertretern begleitet, darunter den stellvertretenden Premierministern Bülent Arınç, Bekir Bozdağ und dem Außenminister der Türkei, Ahmet Davutoğlu.

Im Bürgermeisterbüro traf Erdoğan anschließend den Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak, Masud Barzani. Barzani war kurz zuvor zusammen mit dem berühmten kurdischen Sänger Şivan Perwer über den Grenzübergang Habur aus dem Nordirak in die Türkei ein- und von dort nach Diyarbakır weitergereist. Die Türkei unterhält mit Barzani und dem Nordirak seit langem enge Beziehungen.

Ausgerechnet in Diyarbakır

Dass der türkische Premierminister den kurdischen Politiker ausgerechnet in Diyarbakır, einer hauptsächlich von Kurden bewohnten Stadt, empfängt, gilt als historisches Zeichen für den Frieden.

Nach einem kurzen Gespräch fuhren die beiden Politiker in das Kantar-Stadtviertel, wo sie zu den Anwohnern sprachen, der Eröffnung einer Fabrik beiwohnten und an mehreren Hochzeitsgesellschaften teilnahmen.

Während der Kundgebung sagte Barzani: „Heute ist ein historischer Tag. Das ist ein historischer Besuch für mich… Wir alle wissen doch, dass es noch vor 15 oder 20 Jahren (für mich) unmöglich gewesen wäre, hier zu sprechen.“

„Premierminister Tayyip Erdoğan hat einen sehr mutigen Schritt in Richtung Frieden unternommen. Ich will, dass meine kurdischen und türkischen Brüder den Friedensprozess unterstützen. Es ist nun allerhöchste Zeit, im Mittleren Osten vereint zu sein. Wir können unserem Volk durch unsere Einheit schöne Tage bescheren“, sagte Barzani. Auf Türkisch erklärte der kurdische Politiker: „Lang lebe die türkisch-kurdische Brüderlichkeit! Lang lebe der Frieden, lang lebe die Freiheit!“

Barzani, Perwer, Tatlıses und Erdoğan werben für den Frieden

Erdoğan begrüßte Barzani und Perwer in seiner Ansprache und sagte: „Diyarbakır ist die Stadt der Brüderlichkeit. Wir sind nun alle ewige Brüder.“ Die in Diyarbakır lebenden Kurden forderte der türkische Regierungschef auf, den Friedensprozess entschlossen zu unterstützen. „Ich will, dass Diyarbakır sich vereint gegen Drohungen und Sabotage und sagt: ‚Genug ist genug’“. In seiner Rede benutzte Erdoğan außerdem das erste Mal die Bezeichnung „Irakisch-Kurdistan“. Er hoffe, dass der Besuch Barzanis und die Veranstaltung in Diyarbakır den momentan laufenden Friedensprozess „krönen“ werden, so Erdoğan.

Erdoğan versicherte seinen Zuhörern außerdem, dass die Türkei die Freilassung von kurdischen Gefangenen und die Rückkehr von PKK-Terroristen aus den Bergen erleben werde, wenn die Kurden den Friedensprozess unterstützen. Der Ministerpräsident erinnerte auch an türkisch-kurdischen Sänger und Liedermacher Ahmet Kaya, der nach einer Hetzkampagne der Medien die Türkei im Jahre 1999 verlassen musste und 2000 an einem Herzinfarkt im Exil starb. „Ich wünschte, er wäre heute auch hier“, sagte Erdoğan in Bezug auf Kaya.

Auch die beiden berühmten kurdischen Sänger Şivan Perwer und İbrahim Tatlıses sprachen auf der Kundgebung. Für Perwer war der Besuch in Diyarbakır auch ein großes persönliches Ereignis. Der Sänger verließ vor 37 Jahren aus politischen Gründen die Türkei und betrat nun das erste Mal seit seinem Weggang wieder sein Heimatland.

Perwer war zuvor bereits Dutzende Male von der türkischen Regierung eingeladen worden. Er schreckte bislang jedoch vor einem Besuch zurück, da er die Reaktion der Terrororganisation PKK fürchtete. Die PKK hatte Perwer mehrmals bedroht. Der Sänger sagte damals: „Ich werde nur zurückkehren, wenn mich der Staat, die Regierung und die BDP zusammen einladen.“

Nach der öffentlichen Veranstaltung hielten Barzani und Erdoğan Gespräche über den Fortgang des Friedensprozesses und die Lage der syrischen Kurden ab.

Treffen gibt Friedensprozess neuen Schwung

Unter osmanischer Herrschaft lebten in Anatolien etliche Volksgruppen jahrhundertelang miteinander. Doch nach dem Untergang des Osmanischen Reichs und der Gründung der Republik Türkei im Jahre 1923 veränderte sich die Lage für Minderheiten. Die Ideologie des Kemalismus und das von ihm propagierte Türkentum räumten ethnischen Minderheiten keinen offiziellen Platz in der modernen Türkei ein. Die in der Türkei lebenden Kurden wurden jahrzehntelang nicht offiziell anerkannt und die kurdische Sprache war streng verboten. Erst unter der AKP-Regierung und dem von Erdoğan 2013 durchgesetzten Demokratiepaket wurden den Kurden wichtige Rechte zugestanden.

Die marxistische PKK bekämpft seit 1984 mit terroristischen Mitteln den türkischen Staat, um politische Autonomie für die von Kurden dominierten Gebiete in der Türkei zu erlangen. Der blutige Konflikt, der Schätzungen zufolge bis zu 40 000 Opfer forderte, lähmt die wirtschaftliche Entwicklung des verarmten Ostens der Türkei. Nach intensiven Verhandlungen mit der türkischen Regierung unter Erdoğan stimmte der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan einem Rückzug der PKK-Einheiten aus der Türkei und einer dauerhaften Waffenruhe zu.

Der Friedensprozess war jedoch zuletzt ins Stocken geraten. Die PKK drohte gar mit einer Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes.