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Politik

Türkei: Ende der Politik der offenen Grenzen für Syrien-Flüchtlinge?

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Die „New York Times“ berichtet, die Türkei habe seit Anfang März die Grenze zu Syrien fast hermetisch abgeriegelt – auch für Flüchtlinge. Grund seien belastbare Geheimdienstinformationen über einen von Syrien aus geplanten Terroranschlag.

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Menschen stehen Schlange an der türkisch-syrischen Grenze
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Seit 9. März sind die Grenzen zwischen Syrien und der Türkei fast vollständig geschlossen. Die „New York Times“ hat berichtet, dass die seit mehr als vier Jahren andauernde Politik der offenen Grenzen, die seitens der Türkei vor allem gegenüber syrischen Flüchtlingen gepflegt worden war, ein Ende gefunden hat.

Grund dafür seien glaubhafte Hinweise, wonach ein von Syrien aus gesteuerter, groß angelegter Terroranschlag in der Türkei stattfinden solle. Der Beitrag erschien am 30. März, also noch vor Beginn der Serie von Terroranschlägen, die der linksextremistischen „Revolutionären Volkbefreiungspartei-Front“ (DHKP-C) zugerechnet wird, die 1994 ihren Vereinigungskongress mit anderen ultralinken Terrorgruppen in Syrien abhielt, außenpolitisch aufseiten der syrischen Regierung steht und über deren Verbindungen zum syrischen Geheimdienst immer wieder spekuliert wird.

In der Provinz Hatay wurden gleich zu Beginn der Operation angesichts heftiger werdender Gefechte im Norden Syriens die Grenzübergänge Oncupinar und Cilvegözü geschlossen. Zwar durften Lkws mit Hilfsgütern und autorisierte Lieferanten noch die Grenze passieren, Einzelpersonen wurden jedoch am Grenzübertritt gehindert – auch syrische Staatsangehörige, die im Besitz eines Reisepasses waren.

Dieser Zustand dauerte über mehrere Wochen an. Die Konsequenz war unter anderem, dass sogar Syrer, die bei ihren Familienangehörigen in der Türkei lebten und nach Syrien gereist waren, um ihren Pass erneuern zu lassen, nicht mehr zurück in die Türkei konnten.

Beobachter sehen in der Schließung der Grenzen auch ein Signal an die westlichen Verbündeten, die im türkischen Bestreben, Flüchtlingen auf türkischem Territorium Schutz zu bieten, ein Sicherheitsrisiko sahen. Bislang hat die Türkei mehr als zwei Millionen Flüchtlinge aus der Türkei aufgenommen, das seien weltweit die meisten, die ein Land beherbergt, so das Büro des UN-Hochkommissariats für das Flüchtlingswesen.

Syrien soll Ausgangspunkt eines groß angelegten Angriffs sein

Bislang wurden Grenzen im Verlaufe des Konflikts immer nur sporadisch geschlossen, allenfalls für die Dauer einiger weniger Tage. Nun heißt es vonseiten türkischer Offizieller, es wäre nötig, die Grenze zu schließen, da Geheimdienstinformationen auf ein terroristisches Komplott hinweisen, das seitens der syrischen Regierung unter Präsident Bashar al-Assad organisiert worden sein soll.

„Es geht hier nicht um eine Bedrohung durch eine oder zwei Personen“, zitiert die NYT eine Geheimdienstquelle. „Wir haben gesicherte Informationen über einen groß angelegten Terrorangriff, und deshalb müssen wir die erforderlichen Vorkehrungen treffen.“

Es wurde keine Angabe dahingehend gemacht, wann die Grenzen wieder geöffnet werden sollen. Von offizieller Seite heißt es dennoch, man werde die Politik der offenen Grenzen fortsetzen und den normalen Betrieb wieder aufnehmen.

Lange Zeit hatte die internationale Gemeinschaft der Türkei vorgeworfen, keine ausreichenden Vorkehrungen gegen den möglichen Grenzübertritt durch Djihadisten zu unternehmen, die aus Europa kommend die Türkei als Transitland nutzen. Auch Schmuggler hatten entlang der hunderte Kilometer langen und sehr porösen türkisch-syrischen Grenze oft genug leichtes Spiel, über bestimmte kaum kontrollierte Routen die Seiten zu wechseln.

Militär kontrolliert Grenze entlang der Schmugglerrouten

Am Montag meldete die halboffizielle Nachrichtenagentur Anadolu, dass der Übergang Cilvegözü teilweise wieder geöffnet worden wäre und syrische Staatsangehörige mit Reisepässen nach einem Sicherheitscheck einreisen dürften. An den Grenzen selbst war davon jedoch nichts bekannt. Weiterhin sei, so berichten Augenzeugen, nicht einmal mit einem Pass möglich, legal aus Syrien in die Türkei einzureisen. Und die alten Schmugglerrouten würden von der Armee überwacht.

Die „New York Times“ zitiert auch eine anonyme Quelle aus dem Amtsgebäude des Gouverneurs von Hatay, der zufolge auch Verwundete zur Behandlung in die Türkei gebracht werden könnten. Allerdings klagen gleichzeitig Mitarbeiter von Hilfsorganisationen darüber, dass Personen, die mit dringend behandlungsbedürftigen Erkrankungen wie Krebs nach einer Heilbehandlung suchen, nicht durchgelassen würden, selbst wenn sie über ein ärztliches Attest verfügen. Es soll diesbezüglich sogar schon mehrere Todesfälle gegeben haben.

Vor der Schließung der Grenzen waren im Schnitt 3000 Syrer über den Grenzübergang Cilvegözü in die Türkei gelangt, an solchen mit scharfen Kontrollen immer noch 1000. Derzeit stellen Schmugglerrouten jedoch die einzigen realistischen Optionen dar, aus Syrien in die Türkei zu gelangen – mit dem ständig präsenten Risiko, von der türkischen Armee aufgegriffen zu werden.