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Politik

Erdoğan soll Abbruch einer Fernsehsendung der Opposition erwirkt haben

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Premierminister Recep Tayyip Erdoğan soll mehrfach persönlich bei einem hochrangigen Programmverantwortlichen von Habertürk angerufen haben, um die Ausstrahlung von Sendungen zu stoppen. (Foto: cihan)

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Devlet Bahceli bei einer Rede seiner Partei MHP
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Ein am Samstag geleakter Tonbandmitschnitt mit der mutmaßlichen Stimme des Premierministers Recep Tayyip Erdoğan darauf offenbart eine offenkundige Intervention desselben in die Berichterstattung eines Medienkanals. Erdoğan habe demnach einen leitenden Angestellten des Unternehmens angewiesen, die Übertragung einer Rede des Vorsitzenden der Partei Milliyetçi Hareket Partisi (MHP, „Partei der Nationalistischen Bewegung“), Devlet Bahçeli, anzuhalten, in welcher dieser scharfe Kritik an der Regierung geübt habe.

Es handelt sich dabei bereits um den zweiten Fall einer dokumentierten Intervention seitens des Regierungschefs, der im Verlaufe  einer Woche bekannt wurde. Der neue Mitschnitt, der von Halk TV publiziert und über den auf T24 berichtet wurde, zeigt ein Gespräch zwischen Erdoğan und Fatih Saraç, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Ciner Media Group, welche den Sender Habertürk betreibt. Dieser hatte das Treffen des MHP-Vorsitzenden Bahçeli mit Journalisten am 14. Juli des Vorjahres übertragen.

Daraufhin habe Erdoğan angerufen und Saraç zur Rede gestellt. Dieser habe den Premierminister darüber unterrichtet, dass Habertürk grundsätzlich die Fraktionstreffen aller im Parlament vertretener Parteien übertrage. „Ich kann’s nicht glauben! Müsst Ihr tatsächlich so etwas bringen?“ äußerte der Premierminister in aufgeregter Weise dem Mitschnitt zufolge. Der offensichtlich besorgte Saraç sagte Erdoğan zu, die Übertragung sofort zu beenden und soll dies in weiterer Folge in Auftrag gegeben haben. Anschließend habe Saraç Erdoğans Sohn Bilal angerufen und noch einmal sein Bedauern über die Verärgerung des Regierungschefs zum Ausdruck gebracht. Er habe ihm gegenüber geschildert, dass sich Habertürk bezüglich der Ausstrahlung politischer Formate an TRT orientiere.

Bahçeli selbst höhnte mit Blick auf Saraç in einer Rede am Samstag in Ankara, „der Eroberer (Bedeutung des Namens Fatih, d.Red.) ist zum Sklaven geworden“.

Sendung auf Show TV abgesetzt

Ein anonymer Twitter-Benutzer verbreitete kürzlich eine weitere Tonbandaufnahme, aus der hervorging, dass drei Habertürk-Redakteure für eine kritische Reportage über das öffentliche Gesundheitswesen in Istanbul entlassen worden wären. Auch hier soll Erdoğan Saraç angerufen und ihn wegen der Ausstrahlung zurechtgewiesen haben. Daraufhin habe Saraç geäußert: „Ja, mein Herr. Das war eine Schande für uns. Es wird nicht mehr vorkommen.“ Außerdem soll der Premierminister von Marokko aus Saraç dazu bewogen haben, einen Nachrichtenlauftext aus dem Programm zu nehmen, in dem dargelegt wurde, dass MHP-Chef Bahçeli den Staatspräsidenten Abdullah Gül zur Intervention mit Blick auf die Gezi-Park-Proteste aufgefordert habe. „Ich werde mich sofort darum kümmern“, sagte Saraç zu.

Saraç soll zudem auf Veranlassung durch Erdoğan hin eine wöchentliche Sendung auf Show TV absetzen haben lassen, die von Yaşar Nuri Öztürk präsentiert wurde, einem umstrittenem Theologen, der für seine kritische Haltung zur AKP bekannt ist. Im Mai letzten Jahres wurden auch bei einer Razzia gegen den bekannten Geschäftsmann Mehmet Emin Karamehmet zahlreiche für Show TV angefertigte Medienerzeugnisse konfisziert, als der Einlagensicherungsfonds (TMSF) auf Grund einer Vertragsverletzung und von Zahlungsrückständen gegen Show TV vorging. Der TMSF hatte den Kanal Anfang Juni ohne Ausschreibung an die Ciner Media Group veräußert.

Der CHP-Abgeordnete Atilla Kart (Konya) meinte gegenüber Today’s Zaman, die Interventionen würden mehr offenbaren als nur den Versuch der Medienzensur. „Dies zeigt, wie sich eine diktatorische Struktur bildet, die fundamentale Rechte und Freiheiten in Gefahr bringt.“