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Politik

12 Gründe, warum die Türken weiter an Erdoğan festhalten werden

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Auch wenn leichte Stimmenverluste möglich sind, wird die AKP voraussichtlich auch aus den Kommunalwahlen am 30. März als führende Kraft hervorgehen. Die anhaltende Unterstützung Erdoğans hat unterschiedliche Ursachen. (Foto: reuters)

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Recep Tayyip Erdogan
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Als sich der türkische Premierminister Erdoğan kürzlich mit Journalisten und Intellektuellen traf, wurde er von einigen Teilnehmern des Treffens als äußerst behaglich und selbstbewusst wahrgenommen. Auch regierungsnahe Kreise gehen davon aus, dass die Ereignisse rund um die Korruptionsaffäre, die am 17. Dezember bekannt wurde, dem Premierminister und seiner Partei nicht schaden, sondern am Ende möglicherweise sogar nutzen könnten.

Betrachtet man die heutige Situation der Türkei, fällt es zwar schwer zu behaupten, dass die Regierung Erdoğan das Land tatsächlich an einen lobenswerten Punkt gebracht hätte, doch muss man dem Premierminister und seinem Beraterstab eines lassen, nämlich dass sie, was die Lenkung der öffentlichen Meinung angeht, in den vergangenen Wochen sehr erfolgreich waren. Zum derzeitigen Stand des Prozesses im Gefolge des 17. Dezembers drängt sich tatsächlich der Eindruck auf, Erdoğan wäre gestärkt aus den Ermittlungen hervorgegangen.

Aber wie kommt das zustande? Warum unterstützen die Menschen Erdoğan trotz allem, was passiert ist? Aus welchen Gründen bevorzugen Menschen Erdoğan, obwohl er seit seiner Machtübernahme vor 11 Jahren als Regierungschef mehrere Teile der Gesellschaft entfremdet und durch zum Teil abwertende Aussagen vor den Kopf gestoßen hat? Wie kann es auch angesichts der heutigen Wirren noch Menschen geben, die immer noch Gründe finden, Erdoğan den Rücken zu stärken?

Von den aktuellen Entwicklungen ausgehend habe ich 12 mögliche Erklärungen aufgelistet, weswegen Menschen aus unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft und mit unterschiedlichem weltanschaulichem Hintergrund den Premier unterstützen. Es könnten auch noch andere Gründe zu meinen genannten hinzugefügt werden.

Allgemeine und politisch-ideologische Gründe

1. Für die Zukunft der Türkei und vor allem der säkularen Ordnung sehen einige Gruppierungen und Personen die eigentlich große Gefahr nicht in Erdoğan und der AKP, sondern in der, angeblich als Staat im Staat organisierten, Hizmet-Bewegung. Aus diesem Grund unterstützt man dort in der derzeitigen Auseinandersetzung den Premierminister. Erdoğan kam durch Wahlen an die Macht und wenn seine Politik keinen Anklang mehr findet, geht er auch durch Wahlen. Doch wenn die angebliche Parallelstruktur innerhalb des Staates nicht beseitigt würde, würde man weiterhin den Preis dafür bezahlen müssen.

2. Manche unterstützen Erdoğan, weil er eine mögliche Wiederaufnahme der Verfahren zu den Ergenekon- und Balyoz-Fällen gutheißt und man deshalb ein Stück des Weges mit ihm zusammen gehen möchte.

3. Viele glauben tatsächlich, die Türkei stehe einer, auch von der Hizmet-Bewegung gestützten, internationalen Verschwörung gegenüber. Man solle demnach Erdoğan unterstützen, der versuche, gegen diese Verschwörung anzukämpfen, welche von denjenigen inszeniert werde, die den Aufstieg der Türkei nicht ertragen könnten.

4. Das aus Sicht der meisten Türken wichtigste Argument: Die Wirtschaft der Türkei hat unter Erdoğan an Kraft und Dynamik gewonnen. Damit dieser Erfolg fortgesetzt wird, sollte man Erdoğan, allen Beschuldigungen zum Trotz, weiterhin unterstützen.

5. Erdoğans mutige Aussagen und seine aufrechte Haltung hätten der Türkei weltweit Respekt und einen entscheidenden Einfluss verschafft. Gegen diejenigen, welche versuchten, dies zu unterdrücken, müsse man weiter zu Erdoğan halten.

6. Erdoğan bemühe sich um eine zunehmende Stärkung der islamischen Welt gegenüber dem – bereits an Bedeutung verlierenden – Westen, daher müsse er unterstützt werden.

7. Nur Erdoğan sei in der Lage, das Kurdenproblem zu lösen, deshalb sollte er unterstützt werden.

8. In der Demokratisierung der Türkei und Entmilitarisierung des Regimes machte Erdoğan große Fortschritte, somit müsse er unterstützt werden.

9. Derzeit gebe es keinen politischen Führer, der die Stelle Erdoğans einnehmen und den Eindruck erwecken kann, dass er die Türkei besser regieren könne als Erdoğan. Deshalb sollte Erdoğan, trotz all seiner Fehler, unterstützt werden.

Persönliche und wirtschaftliche Gründe

10. Viele, die unter Erdoğan Karriere gemacht haben, sagen sinngemäß: „Meine heutige Position und Reputation habe ich Erdoğan zu verdanken. Aus diesem Grund sollte man ihn bis zum Ende, treu bis in den Tod‘ unterstützen.“

11. „All meine Geschäftspläne und Investitionen habe ich entsprechend der Annahme gestaltet, dass Erdoğan und die AKP für weitere 10 Jahre an der Führung bleiben werden. Ich habe überhaupt keine Ahnung, was diejenigen, die an seine Stelle treten würden, an Weichenstellungen vornehmen. Daher muss man Erdoğan unterstützen, damit er weiterhin an der Spitze bleibt.“

12. „Auch wenn ich die Weltanschauung Erdoğans nicht teile, habe ich ihn, weil ich seine Ansätze zur Demokratisierung und Entmilitarisierung unterstütze, als jenen Politiker und Ideologen akzeptiert, dessen Worte in einer Umwelt, wo Gedanken- und Meinungsfreiheit beschränkt sind, respektiert werden. Das Ende der Erdoğan-Regierung würde in vielerlei Hinsicht gegen meine Interessen gerichtet sein. Infolgedessen möchte ich, auch wenn ich seine momentanen Handlungen nicht begrüße, dass die Erdoğan-Ära fortgesetzt wird.“

Autoreninfo: Osman Ulagay ist Journalist, Ökonom und Schriftsteller. Früher für Milliyet tätig, erscheinen heute seine Artikel bei t24, wie auch der obige (hier geht’s zum Originaltext).