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Politik

Türkei: Geheimdienst spionierte bis 2013 religiöse Bewegungen aus

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Der türkische Geheimdienst soll bis 2013 gezielt glaubensbasierte Gruppen überwacht haben. Das berichtet die Tageszeitung Taraf. Die AKP distanziert sich von den Tätigkeiten des MIT. Taraf muss indes mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. (Foto: zaman)

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Der türkische Geheimdienstchef Hakan Fidan
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Die Regierung in Ankara ist über die in der Vorwoche publik gewordene Enthüllung eines Dokuments, das Unterschriften von AKP-Größen unter einem Dokument zeigt, das geplante Repressionen gegen die Hizmet-(Gülen-)Bewegung vorsieht und das die Tageszeitung „Taraf“ veröffentlicht hat, in keiner Weise angetan. Nun wollen der Premierminister, der Nationale Sicherheitsrat (MGK) und der Nationale Geheimdienst (MIT) mit strafrechtlichen Mitteln gegen die Publikation vorgehen.

Die drei Institutionen arbeiten Informationen zufolge an einer gemeinsamen Strafanzeige gegen die Taraf, die behauptet hatte, die Regierung hätte dem Nationalen Sicherheitsrat gegenüber eine Reihe von Maßnahmen zugesagt, die helfen sollten, den Aktivitäten der Hizmet-Bewegung Einhalt zu gebieten. Diese soll zeitnah bei der Staatsanwaltschaft in Ankara eingebracht werden.

Am 28. November hatte die Zeitung das zweiseitige Dokument publiziert, in dem der Nationale Sicherheitsrat der Regierung aufgetragen habe, harte Repressionsmaßnahmen gegen Institutionen durchzusetzen, die der Hizmet-Bewegung nahestehen.

Das Dokument trug die Unterschriften des Premierministers Recep Tayyip Erdoğan, des damaligen Außenministers Abdullah Gül, des damaligen Staatspräsidenten Ahmet Necdet Sezer, mehrerer Kabinettsmitglieder, des damaligen Generalstabschefs Gen. Hilmi Özkök, des Kommandeurs der Landstreitkräfte Aytaç Yalman, des Kommandierenden der Seestreitkräfte, Adm. Özden Örnek, des Luftwaffenkommandierenden Gen. Ibrahim Fırtına und des Generals Şener Eruygur. Die Regierung hatte die Existenz des Dokuments zwar bestätigt, jegliche Bedeutung jedoch heruntergespielt, da die Maßnahmen nie umgesetzt worden seien.

MIT hat umfangreiche Profile erstellt

In dem Dokument mit der Bezeichnung „MGK Entscheidung Nr. 481“ wurde von der Regierung ein Aktionsplan gefordert, der sicherstellen sollte, dass den Empfehlungen des Nationalen Sicherheitsrats entsprochen werde und Direktiven an den Rat zur Beobachtung des Premierministers (BTK) beinhaltete, der die Arbeit der Ministerien koordinieren und dafür sorgen sollte, dass die verlangten Schritte veranlasst werden.

Außenminister Gül wurde angewiesen, frühere Instruktionen an türkische Vertretungseinrichtungen im Ausland zurückzunehmen, die den Zweck verfolgen würden, den Hizmet-Schulen und dem Milli-Görüş-Netzwerk Unterstützung zu leisten. Im Übrigen sollen auch Taktiken der Zersetzung und der psychologischen Kriegsführung sowie gezielte Diffamierungskampagnen im Rahmen des Vorgehens gegen die Hizmet-Bewegung angewendet werden.

Unterdessen hat ein Sprecher der AKP eingeräumt, dass der MIT zwar Profile über einzelne Bewegungen und Gruppen angelegt habe, wies aber Anschuldigungen zurück, es hätte darüber hinausreichende Aktionen der Regierung gegen diese Gruppen gegeben.

AKP-Sprecher Hüseyin Çelik gab an, es wären über eine Vielzahl an Personen Profile angelegt worden, von denen man annahm, sie würden bestimmten religiösen oder glaubensbasierten Gruppen angehören. Diese Aussage hatte einen Aufschrei in der Öffentlichkeit zur Folge und gab Anlass zu Fragen hinsichtlich des Status von Individualrechten und Freiheiten.

Es stecke, so Çelik, allerdings kein Plan der Regierung dahinter, soziale oder glaubensbasierte Gruppen zu diskreditieren, sondern Teile des MIT würden ein Eigenleben führen. „Selbst mit Hakan Fidan oder wem auch immer als MIT-Untersekretär sterben altmodische Eigenheiten wie weitreichendes Monitoring und Profiling kaum aus“, so Çelik. Diese Tätigkeiten seien Routine. Der Taraf zufolge sollen diese Tätigkeiten bis 2013 angehalten haben, während es der Regierung zufolge nur bis 2010 diese Praktiken gegeben hätte.

AKP-Sprecher bezeichnet Spionierung als „inakzeptabel“

Die meisten der von Überwachungen durch den Geheimdienst betroffenen Personen waren Anhänger der vom islamischen Gelehrten Fethullah Gülen inspirierten Bewegung. Die Maßnahmen erstreckten sich jedoch auch auf andere religiöse Gruppen, die Kritik an Entscheidungen der Regierung übten, vor allem Zivilbedienstete im öffentlichen Dienst oder Bewerber auf einen Beamtenposten.

Çelik bezeichnete dies als „ruchlosen Akt“ und als inakzeptabel. Seine Regierung hätte dies aber nie gebilligt. „Es gibt verschiedene Gruppierungen mit unterschiedlichen Weltanschauungen im MIT und möglicherweise handelten diese auf eigene Faust ohne Rückendeckung durch die Führung. […] Es gibt eine große MIT-Datenbank, die Personen, bestimmte Gruppen und Bewegungen erfasst. Der Dienst sammelt alle Informationen, die für die nationale Sicherheit relevant sind und klassifiziert diese nach Kategorien. Das bedeutet nicht, dass die Regierung dann auch die Daten für Aktionen nutzen würde“, schildert der AKP-Sprecher.

Die meisten in der MIT-Datenbank gesammelten und verfügbaren Informationen werden geheim gehalten und nicht mit Dritten oder staatlichen Institutionen geteilt. Der MIT habe den Whistleblower, der die geschützten Dokumente an die Taraf weitergeleitet habe, noch nicht identifiziert.