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Politik

Alle Wege führen über Teheran

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Erdoğan und Rouhani scheinen, so sieht es jedenfalls nach dem Besuch des türkischen Premiers in Teheran aus, an einem strategischen Bündnis zu schmieden. Doch welchen Nutzen hätte die Türkei von einem möglichen Bündnis mit dem Iran? (Foto: iha)

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Teheran Besuch
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Eigentlich sollten die Fronten doch klar sein: Die Türkei und der Iran verfolgen als aufstrebende Regionalmächte gerade in der Außenpolitik unterschiedliche Ziele. Beide Länder sehen in Syrien eine ihrer außenpolitischen Prioritäten und unterstützen gegnerische Fraktionen: Ankara die syrische Opposition und Teheran das Regime in Damaskus. Ein Stellvertreterkrieg zweier verfeindeter Staaten, deren unterschiedliche Konfession und politische Ideologie die Gräben noch vertiefen, so könnte man meinen.

Doch der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdoğan unterzeichnete vergangene Woche in der iranischen Hauptstadt Teheran eine Wirtschaftsvereinbarung und festigte damit die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Türkei und dem Iran. Auch auf politischer Ebene scheinen sich die beiden Regionalmächte einander anzunähern. Immer öfter reisen die Außenminister oder politische Delegationen beider Länder zu Gesprächen in die jeweils andere Hauptstadt.

Nähert sich die Türkei in der Syrienfrage Teheran an?  

Die derzeitige Annäherung der beiden Länder versteht man, wenn man sich einige außenpolitische Entwicklungen der letzten Jahre vergegenwärtigt.

Der Iran befindet sich nach Jahren der Isolation in einem Prozess der politischen Wiederannäherung an den Westen und ist sehr an einer Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen mit der Türkei interessiert.

Die Türkei hingegen orientiert sich nach jahrzehntelangen Verhandlungen über einen möglichen EU-Beitritt in der zweiten Amtszeit Erdoğans zunehmend nach Osten. Die türkische Wirtschaft expandiert sowohl in Zentralasien als auch in der Golfregion. Auf politischer Ebene erscheint neben Russland und China auf internationaler Ebene auch der Iran auf regionaler Ebene aus verschiedenen Gründen als ein gewinnbringender Partner für die Türkei.

Bei genauerer Betrachtung wird sogar klar, dass die Türkei den Iran dringend braucht, um sich erfolgreich nach Osten orientieren zu können. Das Außenhandelsdefizit ist zum Nachteil der Türkei. In der Türkei sind in den vergangenen Jahren mehrere Tausend iranische Unternehmen gegründet worden. Eine vergleichbare Entwicklung ist im Iran nicht eingetreten.

Der Iran hält alle Trümpfe in der Hand

Bei der wirtschaftlichen und politischen Umorientierung der Türkei spielt der Iran nicht nur geografisch eine entscheidende Rolle. Auch auf politischer Ebene führt kein Weg mehr an Teheran vorbei. Der renommierte Journalist und Nahost-Experte Dexter Price Filkins bezeichnete den iranischen General Qassem Soleimani, Kommandeur der berüchtigten iranischen „Quds“-Eliteeinheit, jüngst als den mächtigsten Mann im Mittleren Osten. Der Iran hat Filkins Analyse zufolge in der vergangenen Dekade durch verschiedenste Mittel in der Region massiv an Macht gewonnen. Die Regierungen in Beirut, Damaskus und Bagdad stehen demnach zufolge unter dem direkten Einfluss der iranischen Führung.

Die Beziehungen der Türkei zu vielen ihrer Nachbarstaaten befinden sich im Gegensatz dazu in einer Krise. Die außenpolitische Strategie „Null Probleme mit den Nachbarn“ ist spätestens mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien gescheitert. Zwischen Ministerpräsident Erdoğan und dem syrischen Präsidenten al-Assad herrscht sogar eine offene Feindschaft. Ein feindschaftliches Verhältnis zu den unmittelbaren Nachbarn beeinträchtigt auf Dauer jedoch die Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen der Türkei in der gesamten Region.

An folgenden Punkten profitiert die Türkei allerdings perspektivisch von einer Annäherung:

Rückendeckung beim Friedensprozess mit den Kurden

Der von der Erdoğan-Regierung begonnene Friedensprozess ist eine Chance für die Türkei, nach Jahrzehnten des Krieges endlich zur Ruhe zu kommen.

In der Türkei war immer wieder darüber spekuliert worden, dass die iranische Führung den Kurdenkonflikt in der Türkei dazu nutzen könnte, um die Türkei innenpolitisch zu destabilisieren und so ihren Einfluss in der Region zu mindern.

Durch eine Annäherung an den Iran könnte das Risiko einer negativen iranischen Einflussnahme auf diese historische Entwicklung minimiert werden.

Südlicher Kaukasus: Isolation Armeniens?

Die Türkei und Aserbaidschan halten seit Jahren eine wirtschaftliche Blockade gegen Armenien aufrecht, um diplomatische Bewegung in den festgefahrenen Bergkarabach-Konflikt zu bringen. Teheran verfolgt bislang jedoch andere Ziele in der Region.

Der von internationalen Sanktionen belastete Iran intensivierte im April 2013 seine Kooperation mit Armenien.

Durch eine Annäherung der Türkei an den Iran könnte sich Lage im südlichen Kaukasus wieder zu Gunsten der Türkei wenden.

Zentralasien: Handelsweg über Iran

Zwischen der Türkei und den zentralasiatischen Staaten besteht eine historische Verbindung, die nach dem Zerfall der Sowjetunion zunehmend an Bedeutung wiedergewinnt. Ankara hat große wirtschaftliche Interessen in Zentralasien und arbeitet auch an einem Militärbündnis mit einigen Turkstaaten.

Eine Allianz mit dem Iran könnte eine Landverbindung nach Zentralasien öffnen und so den Handel der Türkei mit dieser Region ankurbeln.

Arabische Welt: Alle Wege nach Süden führen über Teheran

Die Türkei braucht den Iran als Vermittler, um seine beschädigten oder abgebrochenen Beziehungen zum arabischen Nachbarn wieder aufzubauen. Hier nur drei Beispiele, die zeigen, in welchen Bereichen eine Mediation des Irans der Türkei nutzen könnte.

1. Wiedereröffnung der Handelsrouten nach Süden:

Viele arabische Golfstaaten mit hoher Kaufkraft werden für die türkische Exportwirtschaft immer bedeutender. Doch gestaltet sich die Ausfuhr von türkischen Exportgütern in diese Region momentan als schwierig: Alle Landrouten verlaufen durch Syrien oder den Irak, zu deren Regierungen die Türkei ebenfalls ein angespanntes Verhältnis hat, und sind entweder unpassierbar geworden oder bergen große Sicherheitsrisiken.

2. Besänftigung Bagdads und Sicherung türkischer Ölimporte

Außerdem schloss die Türkei 2013 einen wichtigen Öl-Deal mit der Kurdischen Regionalregierung in Arbil. Dies sorgte für Ärger bei der irakischen Zentralregierung, die sich von Arbil um ihren Anteil an den Gewinnen betrogen fühlte. Der Streit zwischen Arbil und Bagdad droht immer wieder zu eskalieren und somit die Ölversorgung der Türkei zu gefährden.

3. Die Türkei steht in Syrien vor einer Sackgasse

Die Türkei brach kurz nach Ausbruch der Syrienkrise alle Verbindungen nach Damaskus ab und stellte sich in der Annahme eines schnellen Zusammenbruchs des Regimes öffentlich auf die Seite der syrischen Opposition. Doch Assad fiel nicht und es scheint wahrscheinlich, dass sein Regime sich auch auf lange Sicht halten kann.

Die Türkei ist in einigen Punkten jedenfalls auf die Zusammenarbeit mit den Machthabern in Damaskus angewiesen. So etwa bei der Koordination der Rückführung von Hunderttausenden syrischen Flüchtlingen, die momentan in riesigen Flüchtlingslagern in der Türkei leben.

Ankara blickt außerdem mit wachsender Sorge auf das Erstarken al-Qaida-naher Gruppen in Nordsyrien, die sich auch aggressiv gegenüber der Türkei gebärden. Auch zur Bekämpfung dieser Gefahr könnte es aus Sicht der Türkei nützlich sein, sich mit syrischen Sicherheitsbehörden abzustimmen.