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Politik

Türkisch-israelische Beziehungen: Ein Spiel, das nur Gewinner kennt

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Die Wiederannäherung zwischen Israel und der Türkei, nach drei Jahren Eiszeit durch die USA vermittelt, bringt für alle drei Beteiligten entscheidende Vorteile. Die freiheitlichen Staaten können nun gemeinsam zum Wohle der Region wirken. (Foto: rtr)

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Türkisch-israelische Beziehungen: Ein Spiel, das nur Gewinner kennt
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Beim Rorschach-Test, den Psychologen oft anwenden, werden der Versuchsperson unterschiedliche Formen gezeigt. Dabei beschreibt jede Versuchsperson die Formen entsprechend seiner Wahrnehmung.

Wenn man das Bild genauer betrachtet, das durch die – nach Mediation seitens der USA zustande gekommene – Versöhnung zwischen Israel und der Türkei nach dem jahrelangen Zwist infolge der Mavi Marmara-Ereignisse entstanden ist, sehen sich alle drei Staaten in dieser Angelegenheit als Sieger.

Das Gute daran ist, dass sich die Handlungen mit diesen Wahrnehmungen decken. Also handelt es sich hierbei um eine Win-Win-Win-Situation. So wird erfolgreiche Diplomatie geführt.

Aus der Sicht der Türkei betrachtet, hat die Versöhnung mit Israel viel an Nutzen. Trotz der stellenweisen Intensität des feindseligen politischen Diskurses haben türkische Diplomaten auf Anweisung Erdoğans seit drei Jahren mit den Israelis heimlich schwierige Verhandlungen geführt.

Die Regierung Erdoğan hat eingehalten, was sie versprochen hat und erreicht, dass die Voraussetzungen für eine Normalisierung größtenteils erfüllt wurden. Wenn es eine Entschuldigung ist, dann ist es nun mal eine Entschuldigung und wenn es eine Entschädigung ist, dann ist es eine Entschädigung. Auch mit Blick auf die Verbesserung der Lebensumstände im Gazastreifen stellten die Schritte, welche Israel zunächst einmal auf Druck der Türkei und dann auch der internationalen Gemeinschaft in die Wege geleitet hat und noch machen wird, Ankara zufrieden.

Es ist offenkundig, dass die türkische Regierung die Konfliktsituation mit Israel als nicht im Interesse der Türkei gelegen ansieht. Vor allem die historischen Entwicklungen in Syrien, im Irak und mit Blick auf die Kurden haben das Bedürfnis verstärkt, wenigstens die Kanäle für Konsultationen zwischen den wichtigsten Mächten der Region gegenüber Israel zu öffnen. Israel und die Türkei besitzen insbesondere im Thema Syrien das Potenzial, wie Dr. Soner Çağaptay es beschreibt, „sich zu vervollständigen“.

Die Türkei verfügt über Legitimität und Glaubwürdigkeit im internationalen Kreis und Israel besitzt starke Geheimdienste und militärische Fähigkeiten. Wenn Ankara mit Israel zusammenarbeitet, kann das Ende des Assad-Regimes noch schneller herbeigeführt werden. Doch nach der langen Kälte und Vertrauenskrise braucht es noch Zeit, bis der wünschenswerte Zustand erreicht werden wird. Auch die tiefen ideologischen Gräben zwischen beiden Regierungen werden eine Verzögerungswirkung zeitigen.

Das Ziel der Türkei ist es, Obama von der Stelle zu bewegen

Ein anderer wichtiger Fortschritt für die Türkei ist es, dass eine Angeleinheit, welche die Beziehungen zu den USA vergiftet hatte, aus dem Weg geschafft wurde. Ankara wird sich immer mehr bewusst, dass sie ohne die Unterstützung der USA in dieser Region keinen wirklichen Spielraum hat, um außenpolitisch Wesentliches zu erreichen. Deswegen möchte sie vor allem mit Blick auf Syrien und den Irak Obama etwas von der Stelle bewegen und ihn dazu motivieren, seine zögerliche Haltung aufzugeben. Für den Sturz des Assad-Regimes, für die Zügelung des Maliki-Regimes braucht Ankara die Hilfe Amerikas.

Aber auch die USA hatten Nutzen: Ministerpräsident Erdoğan war seinem Freund Obama und Minister Davutoğlu seinem frischgebackenen Amtskollegen Kerry dabei behilflich, gleich zu Beginn der zweiten Amtszeit einen wichtigen diplomatischen Erfolg auf ihrer Habenseite verbuchen zu können.

Als Gegenleistung dafür werden die in letzter Zeit etwas verengt scheinenden politischen Kanäle weiter und das Datum von Erdoğans Termin im Weißen Haus genauer.

Aus der Sicht der Amerikaner ist die Tatsache, dass die Türkei und Israel wieder miteinander reden, eine tolle Neuigkeit. Sie sind darüber glücklich, dass sie von der Anspannung, welche das Risiko einer Eskalation zwischen den beiden Verbündeten im östlichen Mittelmeer mit sich brachte, befreit sind. Doch legen sie dabei immer noch eine gewisse Vorsicht an den Tag.

Obama erklärte, das wäre nur ein Anfang. Vor uns steht eine sensible Phase der gegenseitigen Erwärmung. Der Frühling beginnt, doch mit nur einer Blume kann es keinen Frühling geben. Die Regierung Obama möchte noch stärker als bisher die materielle und moralische Verantwortung im Nahen Osten mit ihren Freunden und Verbündeten teilen und hofft deshalb, dass eine mögliche Koordination zwischen der Türkei und Israel die Arbeiten in der Region erleichtern wird.

Ein innenpolitisches Geschenk an Obama

Mit der positiven Rolle Obamas bei der Versöhnung zwischen der Türkei und Israel hofft dieser auch auf die Erweiterung seines Bewegungsspielraums in der Innenpolitik. Dem US-Präsidenten machen seine Gegner den Vorwurf, dass er das Wohlergehen Israels nicht beachte – doch wird er nun in der Lage sein, darauf folgendermaßen zu antworten: „Schaut her, ich habe jenen Zustand, der Israel in dem Gebiet noch mehr zum Einzelgänger gemacht hatte, beendet.“

Obama benötigt auch die Hilfe von Israels innigsten Freunden im US-Kongress, um perspektivisch in der Wirtschaft und in der Innenpolitik seine gewünschten Schritte machen zu können. Er möchte die bisher gegen ihn ins Treffen geführte Karte einer angeblich zu distanzierten Politik gegenüber Israel vom Tisch haben und sich auf diese Weise seinem Ziel, in den Midterm-Elections 2014 die Blockademöglichkeit der Republikaner im Repräsentantenhaus von den Republikanern zu nehmen, annähern.

Dass er seine erste Auslandsreise der zweiten Periode letzte Woche in Israel macht; den Ministerpräsidenten Netanjahu umarmt – obwohl ihm nachgesagt wird, diesen nicht allzu sehr zu schätzen –; die Positionen in der Palästina-Frage zugunsten Israels kalibriert und versucht, das israelische Volk und die israelische Regierung zu besänftigen, sind die Anzeichen für das Streben nach den oben skizzierten Wunschzielen.

Und was ist der Gewinn Israels an der Versöhnung mit der Türkei? Zuallererst hat das Land Obama gewonnen. Die Regierung Netanjahu, die lange Zeit versucht hatte, Obamas Position zu untergraben, kam, nachdem dieser wiedergewählt wurde, an den Punkt, an dem gilt – wie man im Türkischen sagt: „Die Hand, die du nicht biegen kannst, sollst du küssen“.

Israel ist sich bewusst, dass es ohne die Rückendeckung durch das Weiße Haus seine nationalen Sicherheitsinteressen in den lebenswichtigen Gebieten Palästina, Iran und Syrien nicht weiter voranbringen kann. Aus diesem Grund wollte Israel Obama bei der Erzielung eines atemberaubenden diplomatischen Erfolges seiner – inhaltlich gesehen eigentlich ziemlich leeren – Reise in den Nahen Osten behilflich sein. Im Gegenzug erwartet man ein noch besseres Verhältnis zum Weißen Haus.

Der Syrien-Faktor

Eine andere wichtige Angelegenheit, die eine Versöhnung mit der Türkei für Israel interessant macht, ist die Notwendigkeit eines noch besseren Überblicks in Syrien. Es liegt mit Blick auf diese Situation im Interesse Israels, den Boden für Konsultationen mit einem der wichtigen Akteure in Syrien vorzubereiten.

In der Zwischenzeit wird Ankara als Gegenleistung für die Entschuldigung und die Entschädigung durch Israel das gerichtliche Verfahren gegen die Verantwortlichen für die Erstürmung der Mavi Marmara nach dem Prinzip des Haftungsausschlusses aussetzen. Es ist darüber hinaus auch zu hoffen, dass die gewohnte Dosis an Israelkritik vonseiten der Türkei künftig spürbar reduziert wird.

Unabhängig davon, was noch auf der einen oder anderen Seite bemäkelt werden sollte: Als Ergebnis steht ein diplomatischer Erfolg im Mittelpunkt. Zunächst einmal für Premierminister Erdoğan, Außenminister Davutoğlu und Staatssekretär Feridun Sinirlioğlu. Viele Akteure in der Türkei haben sich auch israelische und amerikanische Gratulationen verdient. Die Türkei hat vorletzte Woche sowohl auf dem Weg zur Versöhnung mit den Kurden als auch mit Israel historische Schritte vollzogen, und auf diese Weise etwas geschafft, worum Freunde wie auch Feinde sie beneiden.

Autoreninfo: Aslan war jahrelang als Auslandskorrespondent verschiedener Zeitungen in den USA tätig und ist heute Kolumnist bei „Zaman“.