Connect with us

Politik

Türkei: Journalist und Ex-EU-Parlamentarier Joost Lagendijk wird Einreise verweigert

Spread the love

Dem seit mehreren Jahren in Istanbul lebenden niederländischen Journalisten Joost Lagendijk wurde die Einreise in die Türkei verweigert. Der ehemalige Europa-Abgeordnete der Grünen schrieb für mehrere regierungskritische Zeitungen und arbeitet an der Istanbuler Sabancı-Universität.

Published

on

Spread the love

Das harte Durchgreifen der türkischen Regierung gegen kritische Journalisten betrifft zunehmend nicht nur türkische Staatsbürger, sondern auch Ausländer in der Türkei. Nun hat es den holländischen Staatsbürger Joost Lagendijk erwischt, der lange Jahre als Kolumnist für die Tageszeitungen Zaman und Today’s Zaman gearbeitet hat. Dem ehemaligen Mitglied des Europäischen Parlaments wurde gestern am Istanbuler Flughafen Sabiha Gökçen die Einreise in die Türkei verweigert, als er aus den Niederlanden zurückreisen wollte. Als Grund sollen die Sicherheitsbeamten Lagedijk vorgehalten haben, kein Visum bei der türkischen Botschaft in den Niederlanden eingeholt zu haben. Dabei handle sich um eine neue Regelung. Der Journalist hat das Land heute morgen verlassen müssen.

Über Twitter teilte Lagendijk gestern Abend mit: „Shit! Türkische Behörden haben mich bei der Rückreise aus den Niederlanden am Flughafen Sabiha Gökçen aufgehalten. Ich darf nicht einreisen. Werde mit dem Flug um 08.30 Uhr zurück in die Niederlande geschickt.“

Er müsse in der türkischen Botschaft in den Niederlanden ein „spezielles Visum“ beantragen, hoffe aber, dass es sich dabei „um ein bürokratisches Hindernis“ handelt und nicht „um die Entscheidung, mich dauerhaft zu sperren.“

Der 59-jährige Lagendijk lebt seit mehreren Jahren in der Türkei und ist seit 2006 mit der türkischen Journalistin Nevin Sungur verheiratet. Vor seiner Tätigkeit als Journalist bei Zaman und Today’s Zaman war er von 1998 bis 2009 Mitglied des Europaparlaments für die niederländische Partei GroenLinks, der Schwesterpartei von Bündnis ’90/ Die Grünen. Ab 2002 war er Vize-Präsident der Türkei-Delegation des Europäischen Parlaments und setzte sich in Europa und der Türkei gleichermaßen für einen türkischen EU-Beitritt ein. In dieser Funktion bekam er jedoch auch Ärger mit der türkischen Justiz: 2006 hatte er in einer Rede die starke Stellung des Militärs im politischen System der Türkei kritisiert und dem Militär vorgeworfen, unter dem Deckmantel der Bekämpfung des PKK-Terrors Gewalt gegen die kurdische Zivilbevölkerung auszuüben. Daraufhin wurde er von türkischen Ultranationalisten wegen „Beleidigung des Türkentums“ verklagt. Das Gericht wies die Klage jedoch unter Verweis auf die türkische Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention ab.

2009 ließ er sich in Istanbul nieder, wo er begann, am Zentrum für Politische Studien der Sabancı-Universität zu arbeiten. Seine journalistische Karriere begann er als Kolumnist für die linke Tageszeitung Radikal und setzte sie bei Zaman und Today’s Zaman fort. Lagendijk hat bis Anfang März 2016 Kolumnen für die beiden der Hizmet-Bewegung nahen Zeitungen geschrieben, bevor die AKP-Regierung sie stürmen und unter Zwangsverwaltung stellen ließ. Nach dem gescheiterten Putsch von 15. September wurden beide Zeitungen gemeinsam mit weit über anderen 100 Medien verboten.

Ob Lagendijk weiterhin in der Türkei leben kann, ist derzeit offen. Laut der niederländischen Zeitung NRL Handelsblad prüfen türkische Behörden derzeit seine Beziehungen zur Gülen-Bewegung, die die türkische Regierung für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich macht. Lagendijks Ehefrau Nevin Süngür zufolge wurde er während des Wartens auf den Rückflug von den Behörden gut behandelt. Ob er in die Türkei wird zurückkehren können, ist jedoch nach wie vor ungewiss. Der niederländischen Zeitung Algemeen Dagblad sagte er, er wolle in der Türkei alt werden, „aber wenn ich einen Maulkorb erhalte, muss ich darüber nachdenken, was zu tun ist. Die ultimative Sanktion wäre, dass sie mich aus dem Land werfen.“