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Politik

Schicksalswahl für die AKP

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Die Kommunalwahlen in der Türkei am 30. März werden nicht nur das Schicksal der AKP, sondern des gesamten Landes entscheiden. Die Messlatte liegt mit ca. 40% nicht hoch. Verliert die Partei große Städte, wird es für den Premierminister jedoch eng. (Foto: rtr)

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Erdogan und die AKP
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MEINUNG Der Ausgang der nächsten Wahl wird eine Vorentscheidung über die politische Zukunft der Türkei bringen: Wer wird der nächste Präsident? Wird Premierminister Recep Tayyip Erdoğan seinen Regierungsstil beibehalten? Könnte gar eine alternative Partei aus den Reihen der „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“ (Adalet ve Kalkınma Partisi, kurz AKP) hervorgehen?

Nach den kommenden Kommunalwahlen am 30. März werden wir Antworten auf diese Fragen haben.

Im Vorfeld der Wahlen ist die entscheidende Frage jedoch, ob die AKP es wieder schaffen wird, eine ebenso große Zahl an türkischen Wählern zu überzeugen wie bei den letzten Wahlen. Aktuelle Meinungsumfragen lassen da Zweifel aufkommen. Von Regierungskreisen in Auftrag gegebene Umfragen zeigen, dass die AKP immer noch etwa 50 Prozent der Wählerschaft auf sich konzentrieren könnte. Eine Metropoll-Umfrage im Dezember 2013 ergab hingegen, dass die AKP 42 Prozent der Stimmen erhalten würde.

Auch offizielle AKP-Stellen verringerten ihre Erwartungen an die kommende Kommunalwahl auf lediglich 38 Prozent. Denn jüngste turbulente Entwicklungen in der Türkei machen einen Stimmenverlust der AKP wahrscheinlich.

Frühere Kernwählergruppen sind verärgert

Auch politische Beobachter gehen davon aus, dass die AKP bei der Kommunalwahl 2014 nicht mehr so starke Ergebnisse wie vor einigen Jahren einfahren wird. Zu viele Gesellschaftsgruppen seien durch die Politik der AKP negativ betroffen, so die gängige Annahme.

Zu diesen Gesellschaftsgruppen gehören beispielsweise 200 000 Polizisten, die mit den jüngsten Maßnahmen der AKP-Spitze gegen Polizeichefs äußerst unzufrieden ist. Berücksichtigt man neben den 200 000 Polizisten auch noch deren engere Familienangehörige, so könnten bis zu 1 Millionen Wähler zu dieser „Gruppe der Unzufriedenen“ gehören.

Auch eine große Zahl türkischer Lehrer ist nicht gerade zufrieden mit der AKP-Politik im Bereich der Bildung. Es wird daher davon ausgegangen, dass mindestens die Hälfte der 700 000 türkischen Lehrer der Regierung ihre Unterstützung entziehen und diesmal nicht die AKP wählen wird. Berücksichtigt man auch hier das engere soziale Umfeld der betroffenen Lehrer, so ergibt sich auch hier eine etwa 1 Millionen Personen starke „Gruppe der Unzufriedenen“.

Von Ärzten bis hin zu Studenten gibt es weitere solcher Gruppen aus den verschiedensten sozialen Schichten, die mit der Politik der regierenden AKP nicht zufrieden sind.

Zusätzlich dazu hat die AKP-Regierung einen heftigen Kampf mit der Hizmet-Bewegung entfacht, was ebenfalls einen spürbaren negativen Effekt auf die AKP-Wahlergebnisse haben könnte. Es scheint mittlerweile so, dass durch den jüngsten Schlagabtausch eine Unterstützung der AKP durch die Hizmet-Anhänger ausgeschlossen werden könnte. Dieser Konflikt könnte die AKP bis zu zehn Prozent ihrer Stimmen kosten.

Verliert die AKP große Städte, wird es eng

All diese verschiedenen Faktoren zusammengenommen scheint es sehr unwahrscheinlich, dass die AKP ihr Ergebnis bei den letzten Kommunalwahlen, bei denen sie 40 Prozent aller Stimmen erhielt, wieder erreichen wird.

Sollte das Ergebnis der AKP jedoch schlechter als 40 Prozent sein, wird das direkte Auswirkungen auf die Zukunft der türkischen Politik haben. Erdoğan könnte beispielsweise nicht mehr so einfach der nächste Präsident werden. Er wird das Land nicht mehr so problemlos regieren können. Die wirtschaftliche Stabilität wird nicht mehr so konstant bleiben wie in den vergangenen zehn Jahren.

Außerdem ist es wahrscheinlich, dass die AKP mindestens eine bedeutende Stadtgemeinde verlieren wird. Städte wie Kırşehir, Erzurum, Hatay, Mardin, Urfa, Istanbul und sogar Ankara gelten als Wackelkandidaten. Sollte Erdoğan tatsächlich Ankara oder Istanbul verlieren, so wäre das ein bitterer Verlust für die AKP.

Ein weiterer AKP-Zuwachs könnte den Weg in die Diktatur ebnen

Denn sobald Erdoğan Ankara oder Istanbul verliert, könnten dunkle Geheimnisse der örtlichen AKP-Verwaltung durch einen neuen Bürgermeister aufgedeckt werden. Die gesamte AKP wäre von einer solchen Entwicklung betroffen.

Doch es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass Erdoğan seinen Erfolg auch bei diesen Wahlen ausbauen und die AKP mehr als 40 Prozent der Stimmen für sich behaupten kann. Dann könnte Erdoğan die Türkei ohne große politische Hindernisse zu einer Quasi-Diktatur umgestalten, eine Türkei, in der er mehr Herrscher als Premierminister wäre.

Autoreninfo: Emre Uslu ist Sicherheitsexperte und Kolumnist. Er schreibt für die türkischen Zeitungen „Taraf“ und „Today’s Zaman“.