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Politik

Alles andere als kommunal

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Der türkische Regierungschef Erdoğan und seine Widersacher haben in den vergangenen Monaten alle Register gezogen. Am Sonntag entscheiden nun die Wähler in einer Kommunwalwahl, in der es um mehr als Städte und Gemeinden geht. (Foto: dha)

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Zwei AKP-Anhänger halten ein Portrait von Ministerpräsident Erdogan hoch.
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Nach einem von Korruptionsvorwürfen und Internet-Sperren belasteten Wahlkampf entscheiden die türkischen Wähler am Sonntag kommunal über ihre Unterstützung für Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan. Der Parteichef der AKP geriet am Donnerstag wegen der jüngst verhängten Blockaden gegen Twitter und Youtube auch international unter Druck.

Die Kommunalwahl in den 81 Provinzen haben sowohl Erdoğan als auch die Oppositionsparteien zur Entscheidung über den künftigen Kurs im Land erklärt. Obwohl es um Stimmen für die Bürgermeisterkandidaten geht, ist der Premierminister in allen Provinzen omnipräsent. Zur Wahl sind mehr als 52 Millionen Menschen aufgerufen.

Erdoğan verlor im Endspurt zu den Kommunalwahlen seine Stimme. Deswegen sagte er Freitag zwei Wahlkampfauftritte in Konya und Kayseri ab. Er wollte sich in seiner Heimatstadt Istanbul schonen. In Konya vertrat ihn Außenminister Ahmet Davutoğlu. Mit einer unerwartet hohen Stimme hatte Erdoğan am Vortag Anhänger und Fernsehzuschauer bei einem Auftritt im osttürkischen Van überrascht.

Die türkische Staatsführung reagierte derweil scharf auf die Veröffentlichung einer Audioaufnahme von Sicherheitsberatungen, die am Vortag auf Youtube online gestellt worden waren. In der Aufnahme beraten mehrere Männer – darunter auch Außenminister Davutoğlu sowie Vertreter von Geheimdienst und Militär – über einen Militäreinsatz in Syrien und ob ein rechtfertigender Grund dafür notfalls geschaffen werden könnte.

Gülen: Regierung soll den Fall aufklären, nicht Verdächtigungen aussprechen

Präsident Abdullah Gül sagte am Freitag, es handele sich um Spionage, die die Sicherheit des Staates gefährde. Den Tätern drohten härteste Strafen. Davutoğlu sprach im Zusammenhang mit der Veröffentlichung zuvor von einer „Kriegserklärung“ an die Türkei. In den vergangenen Monaten sind immer wieder Mitschnitte von Telefonaten und Gesprächen ins Netz gestellt worden. Sie sollen Vorwürfe von Korruption und Machtmissbrauch in der AKP belegen. Die Regierung reagierte mit einer immer schärferen Kontrolle des Internets und beschuldigt die Hizmet-Bewegung um Fethullah Gülen, hinter den Abhörmaßnahmen zu stecken, ohne jedoch Beweise dafür zu liefern.

Gülen ließ heute über seinen Anwalt mitteilen, dass er nicht für die Veröffentlichungen verantwortlich sei. Die Regierung müsse den Fall umgehend aufklären und aufhören, ihn oder ihm nahestehende Menschen anzuschwärzen und zu verleumden.

Unterdessen hält die Bundesregierung die Sperre von Youtube in der Türkei für überzogen. Millionen von Nutzern dafür zu strafen, dass in einem Fall etwas Ungesetzliches geschehen sein könnte, sei eine unangemessene Reaktion, sagte Martin Schäfer, der Sprecher des Außenministeriums.

Auch namhafte internationale Schriftsteller verlangten in einem offenen Brief die sofortige Aufhebung der Blockade von Twitter und Youtube. Ein freier Austausch von Gedanken sei unabdingbar für die Demokratie, aber ebenso für Kreativität, Empathie und Toleranz, heißt es in dem Schreiben der Autorenvereinigung PEN. (dpa/dtj)