Connect with us

Gesellschaft

„Wir mussten 12 Tage lang auf leere Wände schießen“

Spread the love

Im Jahre 1993 starben der ehemalige Gendarmeriebefehlshaber General Aydın und sein persönlicher Freund General Bitlis. Für den Mord an Aydın, der gegen Korruption in den eigenen Reihen vorging, wurden Terroristen verantwortlich gemacht. (Foto: zaman)

Published

on

Salih Yogunali möchte, dass die Morde an den Generälen Aydın und Bitlis aufgeklärt werden.
Spread the love

„Jahrelang erzählte man uns, dass er bei einem Terroranschlag gestorben sei. Wir werden jetzt im Prozess als Nebenkläger auftreten.“ Salih Yoğunali (Foto) behauptet, dass sein Schwager, der 1993 durch einen Kopfschuss im Bezirk Lice in der Provinz Diyarbakır getötete Brigadegeneral Bahtiyar Aydın, seiner Aufrichtigkeit wegen zur Zielscheibe geworden war.

Einen Tag vor Ende der Verjährungsfrist sei die Anklageschrift gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen vor dem Strafgericht in Diyarbakır zugelassen wurde. Dazu sagt Yoğunali: „Man hat uns falsche Angaben zu der Tat gemacht und behauptet, dass es sich um einen Terroranschlag gehandelt habe. Aber warum durfte 12 Tage lang niemand den Tatort in Lice, wo der General getötet worden war, betreten? Ich habe diesen Fall von Anfang an mit Skepsis betrachtet.“ Die Familie suche nun einen guten Anwalt, der sie als Nebenkläger im anstehenden Verfahren vertreten soll.

1993 wurde der damalige Befehlshaber der Gendarmerie, Brigadegeneral Bahtiyar Aydın, exakt in dem Moment, als er aus dem Hubschrauber stieg, der im Garten der Kommandantur der örtlichen Staffel von Lice gelandet war, durch Gewehrschüsse von Scharfschützen getötet. Die Ermittlungen in diesem Fall wurden erst einen Tag vor der Verjährungsfrist abgeschlossen. In der Anklageschrift wird gegen den damaligen Oberst der Gendarmerie von Diyarbakır, den inzwischen im Ruhestand befindlichen Oberst Eşref Hatipoğlu, sowie gegen den damaligen Oberstleutnant Tünay Yanardağ erschwerte lebenslange Haft beantragt.

Einsatz gegen Korruption und Schmuggel mit dem Leben bezahlt

Nach diesem Antrag der Staatsanwaltschaft rückte die Familie des ermordeten Generals Aydın in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Seine Mutter, Hatun Aydın, betont: „Ich habe die Bestrafung derer, die meinen Sohn ermordet haben, dem Jenseits überlassen. Ich übergebe sie Gott.“ Der Schwager des Generals, Salih Yoğunali, sprach mit der Tageszeitung „Zaman“.

Yoğunali, der in der Schwarzmeer-Provinz Giresun als Haselnusshändler tätig ist, erzählt, dass er den General wie einen Bruder gesehen habe. „Der Tod des Generals hat unser aller Leben verändert“, sagt er und berichtet davon, dass seine Ehefrau, die Schwester des Getöteten, eine ganze Reihe von Schwierigkeiten zu bewältigen hatte. Er betont, dass er in Bezug auf die Todesumstände seines Schwagers schon immer eine Reihe von Zweifel gehabt habe und schildert einige unbekannte Seiten des ermordeten Generals: „Als er im Gebiet von Samandağ in der Provinz Hatay Oberstleutnant war, leistete er als Kommandant der Gendarmeriewache Dienst. In Samandağ stand zu jener Zeit der organisierte Schmuggel auf seinem Höhepunkt. Mein Schwager hat dem ein Ende gesetzt. Viele Personen wollten in dieser Angelegenheit intervenieren und ihn daran hindern, doch er blieb unbeugsam und gab dem Druck nicht nach. Er hat auch keinen Groschen Bestechung angenommen.“

Keine Spur von angeblich getöteten Terroristen

Salih Yoğunali hatte die Nachricht vom Tod seines Schwagers in Istanbul erhalten. Zusammen mit dem Sohn des Generals, Bülent, machte er sich unverzüglich auf den Weg nach Diyarbakır. „Man behauptete uns gegenüber, dass er Opfer eines Terroranschlags geworden war“, sagt Yoğunali, aber es fiel ihm und der Familie schwer, das zu glauben. Der damalige Bezirkssicherheitskommandant Eşref Kundakçı in Diyarbakır sei zu ihnen gekommen und habe sie mit folgenden Worten zu trösten versucht: „Sie können beruhigt sein, wir haben die Stellungen der Terroristen dem Erdboden gleichgemacht.“

Und Yoğunali erzählt weiter: „Man gab uns Informationen darüber, welche militärische Operationen durchgeführt worden waren. Aber ich frage mich jetzt, was sie dem Erdboden gleichgemacht haben wollen? Wen haben sie erschossen? Sie haben behauptet, dass sie zehn Tage, nachdem General Bahtiyar getötet worden war, die Terroristen, die angeblich den Anschlag auf ihn verübt haben sollen, aufgespürt und getötet hätten. Aber wo sind die Leichen der Terroristen?“.

Tödlicher Belastungseifer eines Zeugen

In den darauffolgenden 12 Tagen habe kein Mensch Lice betreten dürfen. Er will, dass der Staatsanwalt diesen Umstand aufklärt. Die Antwort auf diese Frage sei der Schlüssel zur Aufklärung des Falles: „Ein Unteroffizier, an dessen Namen ich mich nicht erinnern kann, war damals zu uns gekommen und machte folgendes Eingeständnis: ‚Man hat uns 12 Tage lang auf die leeren Wände schießen lassen.’ Dieser Unteroffizier, der mit meiner Schwester gesprochen hat, war bereit, alles zu schildern, doch er sagte, dass ihn niemand beschützen würde. Kurze Zeit später erkrankte er und verlor zuerst die Sprache, schließlich starb er an den Folgen dieser Krankheit.“

Yoğunali, der auch auf die Tatsache hinweist, dass sein ermordeter Schwager in Kontakt mit dem im gleichen Jahr bei einem ungeklärten Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen, ehemaligen Obersten Kommandanten der Gendarmerie, General Eşref Bitlis, stand, weist noch auf einen weiteren Umstand hin: „Die Generäle Aydın und Bitlis mochten sich sehr. Sie hatten auch familiär einen guten Kontakt. Mein Schwager dachte genauso wie General Bitlis. Er war überzeugt davon, dass das Terrorproblem nicht allein mit Waffengewalt zu lösen sei. Er hatte zum Ausdruck gebracht, dass dieses Problem nur durch eine Zusammenarbeit, an der auch Politiker beteiligt sind, endgültig gelöst werden könnte.“

In den 90er-Jahren war das türkische Militär regelmäßig in zwielichtige Ereignisse verwickelt, die bis heute größtenteils nicht aufgeklärt sind. So wird aktuell ein Prozess gegen türkische Soldaten geführt, die unter Verdacht stehen, für die Verschleppung und Ermordung von sechs Dorfbewohnern verantwortlich sein sollen.