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Politik

Türkei: Gericht schafft Präzedenzfall in Richtung freie Schulwahl

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Dem Kind eines muslimischen Vaters und einer armenischen Mutter wurde in der Türkei die Aufnahme in einen armenischen Kindergarten verweigert. Ein Gericht gab der Klage der Familie nun statt und schuf so einen Präzedenzfall. (Foto: zaman)

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Akdamar Kloster in Van - zaman
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Wie türkische Medien enthüllten, hat die Istanbuler Regierungsdirektion ein Dokument an eine Abteilung der Schulbehörde in Şişli geschickt, in dem ein offizieller Code genutzt wurde, um Bürger als Personen armenischen Ursprung zu kennzeichnen.

Dieses System der geheimen Kategorisierung war aufgeflogen, als ein Elternteil in einem armenischen Kindergarten nach einem Dokument fragte, das belegen solle, dass es kein Hindernis für die Anmeldung ihres Kindes in der Einrichtung gäbe. Als sich die Abteilung der Schulbehörde in Şişli beim Volkszählungsbüro über den Hintergrund der Familie erkundigte, trat zutage, dass religiöse Minderheiten eine spezifische Code-Ziffer erhalten. Der Fall war im August durch einen Bericht der armenisch-türkischen Tageszeitung Agos bekannt geworden.

Im bekannt gewordenen Fall war die Mutter des Kindes getauft worden und hatte vor einiger Zeit eine armenische Identität angenommen. Laut Personalausweis war sie christlichen Glaubens. Der Vater wurde allerdings als Muslim geführt. Der Direktor der Vorschule, an den sich die Familie wandte, bat sie, die offizielle Erlaubnis der Istanbuler Regierungsdirektion für Bildung mitzubringen und wies darauf hin, dass es ansonsten keine Hindernisse gäbe, das Kind in einer armenischen Schule anzumelden.

Der Rechtsanwalt der Familie, İsmail Cem Halavurt, forderte ein offizielles Dokument an, welches schließlich den Skandal zutage brachte. Das Dokument zeigte deutlich, dass im Schulwesen ein Codesystem für verschiedene religiöse Minderheiten, einschließlich Armeniern, genutzt wird.

Urteil des Gerichts ermöglicht Einschulung

Das Dokument besagte, dass das Kind nicht als Armenier betrachtet werden könne, da der Code nicht vorhanden wäre. Die Familie brachte den Fall schließlich vor Gericht.

Das 7. Verwaltungsgericht in Istanbul entschied, dass es sich bei dem Kind um ein armenisches Kind im Sinne des Bildungsrechts handele und ignorierte das Codiersystem. Die Schulverwaltung verstoße gegen die Rechte des Kindes, wenn es ihm eine Aufnahme ohne offizielle Dokumente verweigere.

Der Familienanwalt Halavurt erklärte der Zeitung Agos, dass die Entscheidung des Gerichts einen Weg für Kläger geebnet hätte, die ihr Kind ebenfalls in einer armenischen Bildungseinrichtung anmelden wollen und dem gleichen Problem gegenüberstehen.

Halavurt kritisierte zudem das Codiersystem und forderte dessen Abschaffung. Agos zufolge reichen seine Ursprünge bis zum Gründungsjahr der Republik 1923 zurück. Das Bildungsministerium hatte im August diese Praxis eingeräumt.

In der Türkei gibt es Bildungseinrichtungen für Minderheiten. Eltern, die ihr Kind dort anmelden möchten, müssen belegen, dass sie einer Minderheit angehören. Dem Bildungsministerium zufolge dient die Codierungspraxis diesem Zweck. Kritiker bezweifeln das allerdings.