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Geschichte

Türkei: „Opposition“ macht Erdoğan weiter das Leben leicht

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In der Türkei hat es seinerzeit mal eine Opposition gegeben. Die scheint mittlerweile völlig in den Schlafmodus gewechselt zu sein. Dabei glaubt sie nach wie vor an eine Machtübernahme in der Türkei, zumindest nach eigenen Angaben. Doch wie oppositionell ist die türkische Opposition noch?

Präsident Recep Tayyip Erdoğan kann in der Türkei nahezu alles machen, wonach ihm gerade ist. Das zeigte er jüngst wieder mit der demonstrativen Umwandlung der Hagia Sophia zurück in eine Moschee. Die vielleicht größte Geste des Gründers der modernen Türkei Mustafa Kemal Atatürk an den „Westen“ wurde durch Erdoğan zerschlagen. Atatürk war es schließlich, der per Kabinettsbeschluss im Jahre 1934 den Status der Hagia Sophia in ein Museum umwandeln ließ. Das Weltkulturerbe sollte den türkischen Säkularismus ausstrahlen und das Kalifat ideologisch aus dem historischen Kontext der Türkei unwiderruflich entfernen. Doch die Mehrheit der Türken war und blieb islamisch-konservativ. Zudem ist die große Mehrheit, die Liberalen oder Areligiösen eingeschlossen, nach wie vor stark nationalistisch geprägt. Dieser Teil der Bevölkerung war noch nie mit einer Hagia Sophia als ein Museum einverstanden. Vielmehr ist dieser Komplex bis heute eine Keimzelle für den organisierten politischen Islam, ein erklärtes Ziel der Milli Görüş-Bewegung weltweit.

Erdoğan punktet mit Hagia Sophia gleich mehrfach

Den Lebenswunsch des Begründers der Milli Görüş-Bewegung, Necmettin Erbakan, hat nun dessen politischer Zögling Erdoğan verwirklicht. Somit gelang ihm ein mehrfacher Triumph zugleich. Seine sinkende Popularität unter den Konservativen wird nun einen Anstieg verzeichnen, die Befürworter aus der strammen Milli Görüş-Szene werden angesichts des Charisma Erdoğans jetzt vielleicht eher schwach und die Ultra-Nationalisten werden im Präsidenten einen noch stärkeren Leader sehen. Zudem gelingt Erdoğan mit diesem Politikum ein großer Rundumschlag unter den Islamisten. Erdoğan hat den Vater der laizistischen Türkei im Sinne einer „neo-osmanischen“ Strategie geschlagen. Die Rede des Vorsitzenden der türkischen Religionsbehörde Diyanet beim ersten Freitagsgebet in der Hagia Sophia nach 86 Jahren wird derzeit auf allen türkischen Kanälen heiß diskutiert.

Hat Ali Erbaş Atatürk verflucht?

Der Diyanet-Vorsitzende Ali Erbaş trug jene Predigt nämlich mit einem Schwert in der Hand vor. Dabei erinnerte er an das Vermächtnis des Istanbul-Eroberers „Fatih“ Sultan Mehmet erinnert. Dieser soll einst gesagt, dass diejenigen, die den Status der Hagia Sophia nach seinem Ableben verändern, verflucht sein mögen. Da Atatürk derjenige ist, der diesen Status faktisch verändert hat, sei diese Aussage von Erbaş klar auf Atatürk bezogen, so der im Raum stehende Vorwurf. Seither verhärten sich in der Türkei die Fronten zwischen Kemalisten und Anti-Laizisten. Dabei gibt es eine starke Doppelzüngigkeit. Aufgrund der Streitigkeiten hatte Erbaş nach seiner Predigt erklärt, dass er mit seiner Aussage nicht auf den Gründer der Türkischen Republik abgezielt habe. „Atatürk kann man nicht verfluchen, sondern nur für ihn beten“, so Erbaş. Warum er die Gelegenheit nicht nutzte, um für ihn zu beten, blieb allerdings sein Geheimnis.

Opposition versinkt im Widerspruch

Die kemalistische Opposition ist nun außer sich. Sie sieht ihre Ideale gefährdet, ihr unantastbares Idol beleidigt und ihre säkulare Republik vor dem Ende. Doch nachdem klar wurde, dass das Oberste Verwaltungsgericht in der Türkei die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee beschloss, reagierten Prominente CHP-Politiker zunächst mit Schmeicheleien. Beispielsweise verkündete der einstige Erdoğan-Herausforderer Muharrem Ince, dass er gerne an einem Gebet in der Hagia Sophia teilnehmen würde. Dieser Vorstoß wurde zwar prompt in der Opposition diskutiert. Dennoch verstößt diese Aussage im Prinzip gegen die Grundsätze Atatürks.

Star der Opposition: Hagia Sophia schon immer eine Moschee

Ebenso lässt sich die Aussage von Ekrem Imamoğlu interpretieren. Dem beliebten Oberbürgermeister von Istanbul wird aus inneren Kreisen zur Last geworfen, dass er die Ideale Atatürks für politische Zwecke aufgebe, wenn er sage, dass für ihn die Hagia Sophia schon immer eine Moschee gewesen sei.

Die Türkei befindet sich wie schon so oft in unruhigem Fahrwasser. Doch in diesem Dickicht scheint die Opposition in ihrer Bedeutungslosigkeit immer weiter zu versinken. Dass die CHP ihren jüngsten Parteikongress als „Gang in die Regierung“ bezeichnet, erscheint gegenwärtig als eine unerreichbare Fantasie. Erdoğan dürfte dafür insgeheim nur ein müdes Lächeln übrig gehabt haben. Er konterte umgehend mit rhetorischen Fragen: „Ja, ihr kommt an die Regierung. Aber womit? Was sind eure Konzepte? Welche Projekte habt ihr?“

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