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Kultur/Religion

„Ferne Nachbarn, Nahe Erinnerungen“

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Vor 600 Jahren trafen erstmals polnische Boten beim osmanischen Sultan ein. Seither bewegte sich die gemeinsame Geschichte Polens und der Türkei zwischen Konfrontationen und Bündnissen. In Istanbul wird diese nun dokumentiert. (Foto: zaman)

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Ein Treffen mit den Freunden des Urgroßvaters zu arrangieren, um mehr über dessen Leben zu erfahren, ist nahezu unmöglich, obwohl sich viele danach sehnen, mehr über das Leben unserer Vorfahren, deren Alltagsleben und deren Zeit zu erfahren. Unsere Urgroßenkel könnten es dereinst dank digitaler Speichermedien und der facebook-Timeline diesbezüglich wesentlich leichter haben. Die heutigen Generationen hingegen sind darauf angewiesen, sich noch aus alten Dokumenten, Briefen und sonstigen Aufzeichnungen ein Bild zu machen.

Türkischen und polnischen Bürgern macht es derzeit das Istanbuler Sakıp Sabancı Museum (SSM) mittels der Ausstellung „Ferne Nachbarn, Nahe Erinnerungen: 600 Jahre Türkisch-Polnische Beziehungen“ möglich, einen kleinen Blick in die gemeinsame Vergangenheit zu werfen. Diese findet in der Zeit vom 7. bis 15. März statt.

Wie es der Titel bereits verrät, findet die Ausstellung im Rahmen der Feierlichkeiten zum 600-jährigen Jubiläum der türkisch-polnischen diplomatischen Beziehungen statt, die 1414 begannen, als König Ladislaus Jagiello von Polen zwei Boten, nämlich Jakub Skarbek von Gora und Gregor, der Armenier, zum osmanischen Sultan Mehmed I. Çelebi nach Bursa sandte.

Die Ausstellung zeigt insgesamt 348 Gegenstände, einschließlich osmanischer Kleidung, Teppichen, Rüstungen sowie Malerei, um die kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden mehrere hundert Kilometer voneinander entfernten Ländern während der Kriege, der Konflikte und der Friedenszeiten bis zum Ende des 17. Jahrhunderts deutlich zu machen.

Die ausgestellten Stücke stammen aus den Sammlungen von 35 polnischen Museen, Kirchen, Archiven, Büchereien und Klöstern sowie Istanbuler Institutionen wie dem Topkapı Palace Museum, dem Museum für türkische und muslimische Kunst und dem Sadberk Hanım Museum.

Das Leben von osmanischen und polnischen Herrschern untersucht

SSM-Direktor Nazan Ölçer erklärt am Dienstagmorgen in einer Pressekonferenz: „Wir wollten die Persönlichkeiten und Familien beider Herrscher zeigen, des osmanischen Sultans Mehmed IV. [der eine wichtige Rolle im polnisch-osmanischen Krieg von 1672-76 spielte] und des polnischen Königs Johann III. Sobieski [der eine wichtige Rolle bei der Belagerung von Wien spielte, die mit der Niederlage der Osmanen endete].”

Der Museumsdirektor bezog sich auch auf die friedlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern und nannte als Beispiel die Ablehnung der Osmanen im Jahr 1795, die Teilung Polens durch Österreich, Russland und Preußen anzuerkennen.

Der polnische Minister für Kultur und nationales Erbe, Bogdan Zdrojewski, sagte, dass der wechselseitige Respekt auf Informationen basiere und dass durch diese Ausstellung ein Rückblick in die Geschichte beider Länder ermöglicht werde, um dies zu bezeugen und zu bestätigen. „Kunstausstellungen können uns zusammenbringen, doch wir müssen hier auch die Unterschiede respektieren”, so der Minister. Zdrojewski denkt, dass der Titel der Ausstellung perfekt den Charakter der Beziehung beider Länder reflektiert, die bis auf die geografischen und kulturellen Distanzen, viele Gemeinsamkeiten haben.

Osmanisches Kunsthandwerk und Mode in Polen beliebt

Die Reisen polnischer Botschafter in die osmanischen Länder, der Export kommerzieller Produkte nach Polen durch die Osmanen und die Kriegsbeute, die von einer osmanischen Armee verblieb, gehören zu den Hauptquellen der gemeinsamen Geschichte beider Länder.

Um dies zu demonstrieren, lenkte Ölçer die Aufmerksamkeit der Pressemitglieder sodann auch beispielsweise auf das Design und die Materialien, die für die Kleidung polnischer Geistlicher verwendet wurden und auf die Teppiche, welche die Häuser reicher Polen zu dieser Zeit schmückten.

Beata Biedronska-Slota vom Nationalen Museum zu Krakau schrieb einen Artikel über das gleiche Thema für ein Buch über die Ausstellung. Darin heißt es: „Die besten Beispiele für türkische Handwerke, einschließlich Teppiche […], Seidenstoffe mit Designs und Kleidung, wurden seit dem Mittelalter dank des Handels durch die Armenier stetig in das Land des polnisch-litauischen Staatenbundes gebracht”. Vor allem die polnischen Könige, Adelsleute und die reicheren Bürger bestellten Biedronska-Slota zufolge Kunst aus den osmanischen Ländern.

Die Ausstellung zeigt außerdem den Einfluss des osmanischen Geschmacks auf die polnische Mode. Es werden Portraits von polnischen Menschen gezeigt, die im osmanischen Stil gekleidet sind.

Das Licht auf die diplomatischen Beziehungen richten

Auch eine Reihe von Gravuren, persönlichen Gegenständen, Medaillen, Ölgemälden und Briefen neben weiteren schriftlichen Dokumenten, die dem Friede von Karlowitz von 1699 zuzuordnen sind, welcher das Ende der osmanischen Kontrolle in einem großen Teil Zentraleuropas markierte, befinden sich unter den Ausstellungsobjekten.

„Im 17. Jahrhundert brachten die veränderte Machtverteilung und Bündnisse in Europa sowie die Politik, die von den Habsburgern in Osteuropa verfolgt wurde, Konfrontationen zwischen dem Osmanischen Reich und dem Königreich Polen mit sich. Dies kulminierte bei der zweiten Belagerung von Wien im Jahr 1683“, heißt es in der Pressemitteilung. Die Entwicklungen, die zum Höhepunkt dieser Entwicklung in Form der ersten beiden Schlachten von Khotyn führten, konnten alle anhand einer Reihe von Exponaten dokumentiert werden.

Auch die historischen Entwicklungen im Osmanischen Reich und in Polen nach der zweiten Belagerung von Wien sind Gegenstand der Ausstellung. Die Periode nach 1699 reichte von der Teilung Polens, der Zuflucht für einige polnischen Patrioten und deren Soldaten im Osmanischen Reich bis hin zu jenem polnischen Bataillon, das von Sadık Paşa geführt wurden, der mit der osmanischen Armee während des Krimkrieges kämpfte.

Die Ausstellung wird begleitet von einer Reihe von Veranstaltungen, einschließlich polnischen Filmen, Diskussionen mit polnischen Regisseuren, Konzerten von polnischen Musikern, sowie Workshops für Kinder.

Die Direktorin des Warsaw National Museums, Agnieszka Morowinska, die ebenfalls bei der Pressekonferenz zu Beginn der Ausstellung anwesend war, gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Ausstellung noch mehr Anregungen für Menschen in Polen geben werde, in die Türkei zu reisen und sich für diesen Teil des eigenen kulturellen Erbes zu interessieren, das in Istanbul dokumentiert werde.

Weitere Informationen finden Sie auf muze.sabanciuniv.edu.