Connect with us

Politik

Türkei: Polizei nimmt Ehefrau von gesuchtem Journalisten in Geiselhaft

Spread the love

Die türkische Regierung geht weiterhin unerbittlich gegen echte und vermeintliche Gegner vor, Zehntausende von Menschen wurden bisher entlassen oder verhaftet. Nun hat die türkische Polizei eine weitere Grenze überschritten: Da sie eines Journalisten nicht habhaft werden konnte, hat sie seine Frau verhaftet und bedroht seine Kinder.

Published

on

Bülent Korucu
Spread the love

Seit dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli führt die türkische Regierung eine gigantische Säuberungswelle in allen Institutionen des Staates und der türkischen Gesellschaft durch. Besonders hart trifft sie regierungskritische Journalisten. Nach zwei Verhaftungswellen in der vergangenen Woche befinden sich nunmehr 62 von ihnen in Haft; viele sind untergetaucht oder haben sich ins Ausland abgesetzt. Einer von ihnen ist der ehemalige Chefredakteur der regierungskritischen Tageszeitung Yarına Bakış, Bülent Korucu (Foto). Auch gegen Korucu ist Haftbefehl erlassen worden. Als die Polizei ihn in seiner Wohnung in Istanbul nicht auffinden konnte, durchsuchte sie auch seine Wohnung in seiner Heimatstadt Erzurum. Da Korucu auch dort nicht aufzufinden war, griff die Polizei auf eine Methode zu, die bis jetzt so noch nicht angewendet wurde: Sippenhaft.

Am vergangenen Samstag wurde Hacer Korucu, die Ehefrau des Journalisten, von der Polizei festgenommen. Ihren beiden Kindern sagte man: „Falls sich euer Vater nicht stellen sollte, werden wir auch euch der Reihe nach in Haft nehmen.“ Wie türkische Nachrichtenportale berichten, liegt bisher noch keine offizielle Stellungnahme zu dem Fall vor. Tarık Korucu, Sohn des Ehepaars Bülent und Hatice, teilte heute über Twitter mit: „Wir waren heute bei der Polizeiwache, um meine Mutter zu sehen. Wir wurden aber gar nicht erst hereingelassen und wissen nicht, wie es ihr geht. Morgen werden wir uns an die Anwaltskammer wenden, um einen Rechtsbeistand zu erfragen.“

Die Nichtregierungsorganisation Reporter Ohne Grenzen (ROG) ist über den Fall informiert und sucht nach Wegen, der Familie behilflich zu sein. Aktuell ist in der Türkei auch das Grundrecht auf Rechtsverteidigung eingeschränkt. Viele Inhaftierte wissen nicht genau, was ihnen vorgeworfen wird, und in einigen Fällen finden sich keine Anwälte, die die Verteidigung der Beschuldigten übernehmen. Darüber hinaus berichtet Amnesty International von glaubhaften Berichten, denen zufolge Soldaten, die den Putschversuch angeblich oder tatsächlich unterstützt haben, gefoltert werden. Medizinisches Personal sowie Anwältinnen und Anwälte berichteten über Vergewaltigungen und andere Misshandlungen: „Der Putschversuch dient jetzt offenbar als Vorwand für einen weiteren Schlag gegen die Pressefreiheit“, sagt Amke Dietert, Türkei-Expertin von Amnesty International in Deutschland. „Von den Haftbefehlen betroffen sind vor allem Journalistinnen und Journalisten, die für Medien arbeiteten, denen vorgeworfen wird, der Gülen-Bewegung nahezustehen.“

Seit dem gescheiterten Putschversuch geht die türkische Regierung mit äußerster Härte gegen mutmaßliche Gegnerinnen und Gegner vor: In Ministerien, dem Militär, dem Polizeiapparat, Bildungseinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen wurden bisher über 70 000 Personen suspendiert oder entlassen, mehr als 18.000 Menschen wurden festgenommen.

Continue Reading