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Politik

Putschprozesse in der Türkei: Verurteilte hoffen auf zweite Chance

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Offenbar um seine These einer Verschwörung im Polizei- und Justizapparat zu untermauern, strebt Premierminister gemeinsam mit der türkischen Anwaltskammer eine Wiederaufnahme der großen Prozesse gegen ehemalige Putschgeneräle an.

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Die Demokratie hat gesiegt, der Westen hat verloren
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Mit einer überraschenden Aussage ließ Premierminister Recep Tayyip Erdoğan am Montag aufhorchen. Gegenüber Journalisten erklärte er in Istanbul, er könne sich vorstellen, die Strafverfahren gegen hunderte Armeeoffiziere wiederaufnehmen zu lassen, die derzeit Haftstrafen wegen des Versuchs verbüßen, die Regierung zu stürzen. Dies berichtete die Hürriyet.

„Wir müssen hierfür allerdings erst die erforderlichen Rechtsgrundlagen schaffen“, betonte Erdoğan vor seiner Abreise zu mehreren geplanten Staatsbesuchen in Asien. Nähere Details dazu nannte der Regierungschef nicht, er fügte jedoch hinzu, er hoffe, für dieses Vorhaben parlamentarischen Rückhalt zu bekommen.

Erdoğans Statement folgte auf ein Treffen mit Metin Feyzioğlu, dem Chef des Türkischen Dachverbands der Anwaltsvereinigungen (TBB), der dem Regierungschef Vorschläge unterbreitete, um den Weg frei zu machen für Wiederaufnahmen der Prozesse gegen inhaftierte Offiziere.

Feyzioğlu gab bekannt, dass die Rechtsanwaltsvereinigungen mit dem Justizminister zusammenarbeiten würden, um einen Entwurf für ein Gesetz zu verfassen, dass diese Möglichkeit schaffen solle. Man wolle die Angelegenheit mit dem Premierminister nach dessen Rückkehr aus der mehrwöchigen Reise in den Fernen Osten noch einmal debattieren.

Ein Militärkommando hatte um eine Revision der Massenverfahren ersucht, die 2012 und 2013 im Balyoz- bzw. Ergenekon-Verfahren zur Verurteilung hunderter Offiziere geführt hatte. Die Militärs argumentierten, Beweismaterial sei manipuliert worden, um eine Verurteilung zu ermöglichen.

Stigmatisierung der Justiz angestrebt?

Beobachter sehen einen Zusammenhang des Vorhabens Erdoğans mit seinen jüngsten Darstellungen, wonach die Hizmet-Bewegung im Auftrag internationaler Mächte versuche, seine Regierung zu stürzen und zu diesem Zwecke die Justiz und die Polizei in ihre Gewalt gebracht hätte. Angesichts der im März bevorstehenden Kommunalwahlen und des Korruptionsskandals, der seit Wochen die türkische Innenpolitik überschattet, soll eine Wiederaufnahme der Verfahren gegen die Generäle vor allem Staatsanwälte und Gerichte diskreditieren.

Die Korruptionsermittlungen seien ein Komplott innerer und äußerer Mächte, um „den nationalen Willen zu brechen” und die Regierung zu stürzen, so Erdoğan.

Unterdessen lehnte ein Gericht den Antrag des früheren Armeekommandanten Ilker Başbuğ auf Freilassung ab, den dieser unter Verweis auf positive Erledigung im Falle von sechs Abgeordneten und mit der Behauptung, in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt worden zu sein, eingebracht hatte. Başbuğ war vom 13. Hohen Strafgerichtshof in Istanbul im Ergenekon-Prozess zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Premierminister Erdoğan wird unterdessen zuerst Japan besuchen. Am Dienstag soll er seinen Amtskollegen Shinzo Abe und im weiteren Verlaufe des Tages Kaiser Akihito treffen.