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Politik

Türkei: Staatsanwalt möchte Medien zum Schweigen bringen

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Ein Staatsanwalt in Ankara schickt ein Schreiben an die Regierung mit der Aufforderung, kritische Medien zum Schweigen zu bringen. Dies wäre nicht nur ein herber Rückschlag für die freie Presse.

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Der türkische Staatsanwalt Serdar Coşkun möchte oppositionelle Medien offenbar zum Schweigen bringen. Wie türkische Medien berichten, hat der Staatsanwalt vom Büro für Vergehen gegen die Verfassungsordnung ein Schreiben an das Verkehrsministerium geschickt und verlangt, dass oppositionelle Medien zum Schweigen gebracht werden.

Konkret spricht der Staatsanwalt in seinem Schreiben von den sogenannten Parallel-Medien, womit Medien wie Samanyolu TV und Zaman gemeint sind. Sie stehen der Hizmet-Bewegung nahe, die seit dem Bekanntwerden des Korruptions-Skandals vom 17. Dezember 2013 vom damaligen Minister- und jetzigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan angefeindet werden.

Coşkun wirft ihnen vor, die Gesellschaft zu polarisieren und terrorisieren. Die Fernsehsender dieser Gruppe sollen nicht mehr von staatseigenen Satelliten übertragen werden. Der Staat solle ihnen auch keine Infrastrukturdienste mehr zur Verfügung stellen. Als Folge dessen sollen sowohl Fernsehsender als auch Nachrichtenportale nicht mehr zu empfangen und zu sehen sein.

Streng nach Verfassung und Gesetz dürfte ein solcher Schritt des Staatsanwalts nicht möglich sein. Zum einen definiert das Gesetz mit der Nummer 3713, Absatz 1 Terror mit der Anwendung von Gewalt und Zwang, andererseits besagt Artikel 30 der türkischen Verfassung, dass gegen Medienunternehmen nicht mal mit dem Vorwurf vorgegangen werden könnte, sie seien Instrumente zu kriminellen Zwecken. Nachdem aber bereits die Justiz unter die Kontrolle der Regierung geraten ist, spielt der Wortlaut der Gesetze sowie der Verfassung scheinbar eine eher untergeordnete Rolle. 

Erdoğan kritisiert auch Doğan-Gruppe

Unterdessen griff Staatspräsident Erdoğan auch die Medien der Doğan-Gruppe an, zu denen unter anderem die bekannte Tageszeitung Hürriyet sowie der Nachrichtensender CNN Türk gehören. Erdoğan kritisierte vor allem die Zeitung Hürriyet, die das Todesurteil gegen den ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mursi mit der Überschrift „Schock, Todesurteil gegen 52%“ wiedergegeben hatte. Erdoğan, der selbst mit 52 Prozent der Stimmen des Volkes gewählt wurde, bezog diese Überschrift auf sich selbst:

„Doğan-Gruppe, ich nehme Dich nicht als Ansprechpartner ernst, aber Du solltest wissen, Du lebst Dein Leben in Angst. Wisse, als wir uns auf diesen Weg gemacht haben, hatten wir unser Leichentuch angezogen (im Sinne von „Wir haben den Tod einkalkuliert“, Anm. d. Red.). Unser Tod ist charakterhaft. Der Tod Mursis durch den Strang ist charaktervoll. Dies ist Ehre“, sagte er in Kayseri.

Reaktionen aus Europa und der Regierung

Die Nachricht von der Forderung des Staatsanwalts stieß auch in Europa auf Kritik. Rebecca Harms, Vorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, sagte, sie sei geschockt von der Nachricht. Harms forderte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf, mögliche Verletzungen der Pressefreiheit in der Türkei zu untersuchen. Sie wies darauf hin, dass ein Vorgehen gegen oppositionelle Medien als eine Haltung gegen die Durchführung von freien und fairen Wahlen gewertet werden würde.

Während Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu sich noch nicht äußerte, erklärte Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu in Brüssel, dass er keine Details kenne. Er könne nur sagen, dass weder ein Staatsanwalt, noch ein Richter oder ein Mitglied der Justiz eine Entscheidung treffen könne, um oppositionelle Medien zum Schweigen zu bringen. Sie könnten auch keine Anweisungen geben. „Dies verstößt gegen das Recht der freien Meinungsäußerung“, so der Minister.