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Politik

Regierungsnaher Sender im Vorfeld über Jet-Abschuss informiert?

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War der Abschuss eines syrischen Kampfjets eine richtlinienkonforme Reaktion auf eine Grenzverletzung oder steckt Wahlkampftaktik dahinter? Syrien leugnet eine Grenzverletzung, Präsident Gül rühmte die Entschlossenheit der TSK. (Foto: cihan)

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Turkish Air Force, zwei türkische Kampfjets.
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Aus der türkischen Regierung heißt es, dass der syrische Jet, der am Sonntag von den Türkischen Streitkräften (TSK) abgeschossen wurde, türkischen Luftraum verletzt habe. Man warnte Syrien vor einer „massiven Antwort“, sollte der türkische Luftraum noch einmal verletzt werden. Der Zwischenfall könnte die Spannungen an der ohnehin instabilen türkisch-syrischen Grenze weiter eskalieren lassen.

Der Abschuss wurde während einer Wahlkampfveranstaltung des Premierministers Recep Tayyip Erdoğan in Kocaeli verkündet. „Sie haben unsere Grenzen, unseren Luftraum verletzt“, so Erdoğan.

„Unsere F-16 haben sich erhoben und ein Flugzeug heruntergeholt. Unsere Antwort wird massiv sein, wenn unser Luftraum verletzt wird. Ich gratuliere unseren Streitkräften, unseren ehrenvollen Piloten und vor allem dem Chef unseres Generalstabes.“

Die Opposition quittiert die Entwicklung mit Argwohn. Der Vorsitzende der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kılıçdaroğlu, warnte die Regierung davor, am Vorabend der Kommunalwahlen einen bewaffneten Konflikt mit Syrien zu provozieren. Bereits in der Vorwoche hatte Kılıçdaroğlu angedeutet, die Regierung könnte die Armee für ihre Zwecke instrumentalisieren. „Wir haben aus verschiedenen Quellen gehört, die Regierung könnte die Armee dazu drängen, in Syrien einzufallen, unter dem Vorwand angeblicher Drohungen gegen das Grab Süleyman Shahs.“

Präsident Abdullah Gül hingegen gratulierte Generalstabschef Necdet Özel zur Verteidigung der türkischen Grenze. „Die Türkei hat ihre Entschlossenheit zur Verteidigung der türkischen Grenzen gezeigt“, so Gül gegenüber Anadolu.

Zu Zwischenfällen dieser Art war es bereits zwei Mal gekommen: Im Juni 2012 wurde ein türkischer Jet von der syrischen Armee abgeschossen, im September 2013 holten die TSK einen syrischen Helikopter vom Himmel.

Kampfjet soll 1,5 Kilometer in türkischen Luftraum eingedrungen sein

Einem Bericht der TSK zufolge habe sich alles innerhalb weniger Minuten abgespielt. Um 13 Uhr wären zwei syrische MIG-23 vom Radar erfasst worden, als sie sich auf türkischen Luftraum zubewegten.

Man habe die Piloten vier Mal davor gewarnt, sich weiter zu nähern. Einer der Jets habe seine Route geändert, der andere jedoch flog fast 1,5 Kilometer in den türkischen Luftraum. Der Jet wurde vom Himmel geholt, der Pilot rettete sich mittels Schleudersitzes. Um 13.13 sei das Flugzeug in den türkischen Luftraum eingedrungen, ein zu dieser Zeit bereits auf Patrouillenflug befindlicher F16-Jet habe die Maschine getroffen. Der Einsatz wäre gemäß der seit Juni 2012 geltenden Richtlinien erfolgt.

Der bekannte außenpolitische Analyst Gökhan Bacik äußerte gegenüber Today’s Zaman, die türkisch-syrische Grenze sei durchlässig und die Türkei fände täglich Gründe, gegen syrische Grenzverletzungen zu agieren. „Wichtig ist der politische Wille der Türkei, nicht die technische Umsetzung. Der Webseite der TSK zufolge gibt es täglich mindestens eine Grenzverletzung. Dass der Zeitpunkt des Abschusses punktgenau mit einer Wahlkundgebung der AKP sechs Tage vor den Kommunalwahlen stattfindet, ist bedeutungsvoll.“

Syrien: Jet war unterwegs, um Bodentruppen gegen Terroristen zu unterstützen

Savas Genç von der Fakultät für Ökonomie und Verwaltungswissenschaften an der Fatih Universität hingegen meint: „Sollte dies die erste syrische Grenzverletzung sein seit September, wäre der Abschuss des Kampfflugzeugs eine normale Reaktion.“ Sollte es jedoch seit der Änderung der Einsatzrichtlinien noch andere Grenzverletzungen gegeben haben, stelle sich jedoch zweifellos die Frage, warum dies exakt sechs Tage vor den Wahlen geschehe.

Zweifel an der Darstellung der Regierung, es habe sich um eine Reaktion auf eine Grenzverletzung gehandelt, schürt auch die Berichterstattung des als regierungsnah geltenden Senders Habertürk. Der Korrespondent an der syrischen Grenze ging nur wenige Augenblicke vor dem Abschuss auf Liveschaltung. Die Kameras übertrugen den Zwischenfall live.

Syrien beschuldigte die Türkei indessen einer „abscheulichen Aggression“ und leugnet eine Grenzverletzung. Aus dem syrischen Militär hieß es, der Abschuss zeige, dass die Regierung Erdoğan terroristische Gruppen in Syrien unterstütze. Die Kampfflugzeuge hätten, so die Militärs, gerade terroristische Elemente in der Region um Kasab gejagt. Die MIG-23 wären Luftunterstützung für die Bodentruppen gewesen, die gegen Einheiten der Freien Syrischen Armee vorgegangen seien. Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte diese Darstellung. Seit dem 21. März ist Kasab umkämpft, mindestens 80 Kämpfer auf beiden Seiten sind bislang in den Gefechten umgekommen.