Connect with us

Gesellschaft

Syrische Flüchtlinge in der Türkei: „Wir sind wie Ausländer in unserem eigenen Land“

Spread the love

Berichten zu Folge kommt es in der Türkei vermehrt zu heftigen Auseinandersetzungen mit syrischen Flüchtlingen. Untypisch für gastfreundliche Türken. Ein Sinneswandel? Hoffentlich nicht.

Published

on

Spread the love

Der aktuellen Berichterstattung zu Folge kommt es in der Türkei häufig zu Ausschreitungen und heftigen Auseinandersetzungen mit den syrischen Flüchtlingen. Eher untypisch für die Türkei und die Türken, überall auf der Welt gelten sie als sehr gastfreundlich. Doch warum der Sinneswandel?

Heute vor fünf Jahren… es weht der Wind des Arabischen Frühlings im Nahen Osten. Die Regierung Tunesiens und Ägyptens sind gestürzt. Libyen und Jemen stehen auf dünnem Eis. Vom „Frühlingswetter“ ergriffen, bildet sich auch in Syrien eine Auflehnung; gegen Assad und seine Gräuel. Und heute? Seitdem herrscht Bürgerkrieg. Nach Angaben der Vereinten Nationen starben knapp 200.ooo Menschen. 7,6 Mio. sind wohnungslos. Die Hälfte der Bevölkerung ist ausgewandert- ein Viertel davon in ein anderes Land, als Flüchtlinge. Terroristische Organisationen wie Al-Nusra und der IS sind heute stärker denn je präsent. Hunger, Zerstörung, Verelendung und Not überall. Aussicht? Schwer zu sagen. Experten sprechen von mindestens 15 Jahren bis zur „Normalisierung“. Fakt ist: Das Heimatland der Syrer ist keinesfalls sicher und bewohnbar.

Syrische Flüchtlinge in der Türkei

Mit dem Ausbruch des Bürgerkrieges hat die Türkei viele Flüchtlinge aufgenommen. Nach offiziellen Angaben zufolge an die 2 Millionen. Inoffiziell suchten weitere 2 Mio. Schutz in der Türkei. Die Tendenz steigend. Die türkische Regierung entwickelt für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge Pläne: in neun Städten 19 Flüchtlingscamps. Knapp 300.000 leben dort. Und der Rest? Fast auf jedem Bürgersteig, Spielplatz und öffentlichen Bereichen kann man bettelnden Frauen und Kindern begegnen. Der Anblick zerbricht einem das Herz. Genau diese menschliche Tragödie lässt einen Türken nicht davon abhalten, zu helfen.

„Wir sind wie Ausländer in unserem eigenen Land“

Grund: „Wir sind wie Ausländer in unserem eigenen Land“. Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege. Ich meine denselben Satz auch hier in Deutschland als Deutsch-Türkin abermals gehört zu haben. In den vergangenen Wochen hat sich die Problematik um die syrischen Flüchtlinge in der Türkei zugespitzt. Die sozialen Medien entlarven ein anderes Gesicht der Türken. Nach Schlagzeilen „Arbeitsplätze der Syrer besteinigt“, „Drei Syrer krankenhausreif geschlagen“, „Syrer wurden gelyncht“ wurden die sozialen Medien mit rassistischen und diskriminierenden Kommentaren überschüttet. Kommentare wie „Wir sind wie Ausländer in unserem eigenen Land“, „Syrer sind eine schmutzige Rasse“ und „Wir müssen die türkische Rasse aufrechterhalten“ sind Warnsignale, die man nicht unterschätzen sollte.

Gastfreundlichkeit hört bei persönlichem Profit auf

Eine andere Perspektive zeigten wiederum folgende Kommentare: „Die Syrer bekommen Gehälter ohne Gegenleistung“, „Sie nehmen uns die Arbeitsplätze weg“, Sie können steuerfrei Arbeitsstellen eröffnen, wir aber nicht“ und „Wegen der Syrer steigen die Mieten“.  Man muss feststellen, dass die Gastfreundlichkeit einiger Menschen bei persönlichem Profit und Existenzsorgen offenbar aufhört. Eine eher untypische Haltung für ein Land mit fast 100 Prozent Musliminnen und Muslimen als Einwohner. Denn nach islamischem Glauben liegt die Versorgung der einzelnen Menschen unter der Garantie Gottes.

Verlierer: die Menschlichkeit

Geld, Mieterhöhung, Arbeit, Einheimische, diese oder jene Rasse. Es sind Menschen. Menschen mit fürchterlicher naher Vergangenheit. Zunächst vom Gräuel Assads geprägt, dann von Unruhen und Kriegen im eigenen Land. In diesen Kriegen sahen die meisten den Tod ihrer Ehepartner, Mütter, Väter, Kinder und Nachbarn. Die meisten Häuser wurden in den Kämpfen so zerstört, dass sie nicht mehr bewohnbar waren. Knapp die Hälfte der Syrer wurde somit obdachlos. Die andere Hälfte ist ausgewandert. Verwandte, Nachbarn und Bekannte waren plötzlich weg. Die ständige Bedrohung durch den IS und und anderen Gruppen ließ sie außerdem in Angst leben. Sie haben ihr Heimatland, ihr Hab und Gut, ihre Familien und ihre Erinnerungen zurückgelassen. Sie MUSSTEN alles zurücklassen, weil sie einfach keine andere Wahl hatten. Und plötzlich sind sie in der Türkei. Und womit werden diese traumatisierten Menschen konfrontiert? Mit den unbegründeten und egoistischen Ängsten einiger Menschen. Selbstverständlich gibt es Andersdenkende. Natürlich haben die Menschen in der Türkei Probleme und Sorgen. Doch dass es nicht genügend Flüchtlingscamps gibt, heute mehr Flüchtlinge als erwartet da sind und Probleme zu Stande kamen, legitimiert nicht, Syrer zu steinigen oder sie zu diskriminieren.