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Politik

Üşüyoruz başkan – Tod von Yazıcıoğlu bleibt von Nebel umhüllt

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Vor fünf Jahren starb Muhsin Yazıcıoğlu nach einem Hubschrauberabsturz in den Bergen. Von diesem Tag an traten zahlreiche dubiose Begleitumstände zutage. Nun wurden den Ermittlern in Kahramanmaraş die Akten entzogen. (Foto: reuters)

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Eine Szene von der Beerdigung des türkischen Politikers Muhsin Yazicioglu, der 2009 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam.
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Die Versetzungswelle im Beamtenapparat, die mit dem Bekanntwerden der Korruptionsermittlungen am 17. Dezember einsetzte, hat mittlerweile auch besonders heikle Ermittlungen erreicht.

Wie zahlreiche Medien ausgerechnet am heutigen fünften Jahrestag des Todes des langjährigen Vorsitzenden der Büyük Birlik Partisi (Partei der Großen Einheit, BBP), Muhsin Yazıcıoğlu, berichten, wurden die Ermittlungen rund um den Hubschrauberabsturz in den Bergen kurz vor den Kommunalwahlen des Jahres 2009 von der Staatsanwaltschaft in Kahramanmaraş an die Kollegen in Malatya delegiert. Auch im Zusammenhang mit den Fällen Ergenekon, KCK, Balyoz und dem Wettskandal von vor einigen Jahren wurden Zuständigkeitsänderungen vorgenommen. Der Tageszeitung „Cumhuriyet“ zufolge seien bis heute 271 Staatsanwälte und Richter ihrer bisherigen Aufgaben entbunden worden.

Der Fall Yazıcıoğlu zählt wegen zahlreicher zum Teil erst Jahre später zutage geförderter, verdächtiger Umstände als besonders mysteriös.

Der beliebte, 1954 in Şarkışla (Provinz Sivas) geborene Politiker hatte sich bereits als Jugendlicher der Idealistenbewegung angeschlossen und dort über lange Jahre hinweg politische Funktionen bekleidet, schwerpunktmäßig in Ankara. Nach dem Militärputsch 1980 saß er insgesamt siebeneinhalb Jahre in Haft. 1991 wurde er für die Milliyetçi Çalışma Partisi (Partei der Nationalistischen Arbeit, MÇP; Nachfolgepartei der damals von den Militärs verbotenen und später unter diesem Namen wiedergegründeten MHP) ins Parlament gewählt, nach der Spaltung der Partei 1992 schloss er sich der BBP an, 1995 gelang ihm auf Grund eines Wahlbündnisses mit der Anavatan Partisi (Mutterlandspartei, ANAP) der Wiedereinzug ins Parlament.

Dorfbewohner fanden die Leichen

Am 25. März 2009 stürzte der Hubschrauber ab, in dem sich Muhsin Yazıcıoğlu, damals Parlamentsabgeordneter für Sivas, zusammen mit fünf weiteren Passagieren auf dem Rückflug von einem Wahlkampfauftritt in Kahramanmaraş befunden hatte. Erst nach drei Tagen wurden die Leichen in der tief verschneiten, bergigen Umgebung von Kahramanmaraş durch Dorfbewohner gefunden. Anhänger prägten in der Folge den Spruch „Üşüyoruz başkan“ (Wir frieren, verehrter Vorsitzender) – in Anspielung an ein Gedicht, das Yazıcıoğlu 1980 im Gefängnis verfasste.

Einer der Offiziere, die damals bei den Suchaktionen dabei gewesen sein sollen, reichte schriftliche Informationen bei der Staatsanwaltschaft ein, in denen er die Behauptung aufstellte, dass der abgestürzte Hubschrauber absichtlich nicht gefunden worden wäre – was als Gerücht bereits zu jenem Zeitpunkt die Runde gemacht hatte, als die Leiche des Politikers und seiner Begleiter gefunden worden waren.  „Wir haben darauf gewartet, dass Yazıcıoğlu stirbt und uns deshalb bei der Suche viel Zeit gelassen“, äußerte sich der Offizier, der anonym bleiben möchte. Zudem seien der „Hürriyet“ zufolge Manipulationsspuren am Hubschrauber festgestellt worden, die darauf hindeuten, dass die Flugaufzeichnungsvorrichtung nach dem Absturz entfernt worden sei. Außerdem gab es Hinweise, wonach Flugzeuge den Hubschrauber behindert haben sollen und wonach es zu einer Löschung der Radaraufzeichnungen im Zusammenhang mit dem Flug gekommen sein soll.

Wusste Yazıcıoğlu zu viel über den „tiefen Staat“?

Zwei Monate vor seinem Tod soll Muhsin Yazıcıoğlu Berichten in türkischen Nachrichten zufolge eine Drohung von einem General erhalten haben, der geäußert haben soll: „In letzter Zeit gehst du zu weit. Ich fürchte, dass man deine Überreste in den Bergen nicht mal zusammenbringen wird“. Yazıcıoğlu soll über Informationen verfügt haben, welche helfen hätten können, eine Unterwanderung der Idealistenbewegung durch Angehörige von Ergenekon zu beweisen. Möglicherweise wusste er zu viel über die Rolle des „tiefen Staates“ im Zusammenhang mit dem durch nationalistische Provokateure angezettelten Massaker von Sivas am 2. Juli 1993, als trotz Hinweisen auf mögliche Ausschreitungen keine Sicherheitskräfte in der Nähe des Hotels waren, in dem sich Aleviten zu einem Treffen versammelt hatten. Die Ermittlungen in dieser Angelegenheit liefen zum damaligen Zeitpunkt seit etwas mehr als einem Jahr. Yazıcıoğlu gilt seither als das möglicherweise letzte Ergenekon-Opfer. Zuletzt hieß es sogar, dass Premierminister Erdoğan von dem geplanten Attentat auf Yazıcıoğlu wusste.

Der Tod ihres langjährigen Vorsitzenden hat der nationalkonservativen BBP politisch sehr geschadet und sie kam unter Yazıcıoğlus Nachfolger Mustafa Destici über Achtungserfolge in ihren Hochburgen wie Sivas, Trabzon und Kahramanmaraş nicht hinaus.