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Politik

Türkei und Saudi Arabien wollen Rebellen in Syrien vereinen

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Nachdem die Anzeichen dafür unübersehbar waren, ist es nun offiziell, dass Saudi Arabien und die Türkei die Rebellen in Syrien einigen wollen. Dabei kennt man zum Leidwesen der USA keine Berührungsängste zu terroristischen Gruppen.

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Die Türkei und Saudi Arabien haben sich – ungeachtet US-amerikanischer Bedenken hinsichtlich der Unterstützung extremistischer Gruppen – auf eine neue gemeinsame Strategie geeinigt, deren Ziel es sein soll, den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen.

Beide Länder – eines davon eine Demokratie, das andere eine wahhabitisch orientierte Monarchie – hatten es über Jahre nicht geschafft, eine gemeinsame Linie zu finden, wenn es darum ging, den gemeinsamen Feind Assad zu Fall zu bringen. Beide aber eint die Unzufriedenheit mit der zögerlichen Haltung der USA, wenn es darum geht, alle Rebellengruppen gegen Assad zu einer gemeinsamen Front zu vereinigen, um am Ende einen Regierungswechsel herbeizuführen.

Die USA sind über eine solche Option sogar überaus besorgt, denn eine vereinigte Front der Rebellen, nicht zuletzt unter Beteiligung des al-Qaida-Ablegers al-Nusra, könnte am Ende zur Folge haben, dass ein Regime an die Stelle Assads tritt, das im Zweifel noch ungleich gefährlicher ist als dieser. In einer Zeit, in der die USA sich darauf fokussiert haben, die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu bekämpfen, und wo sich zu allem Überfluss die Erfolge der Anti-IS-Koalition in überschaubaren Grenzen halten, wäre eine neue Allianz, die al-Nusra entscheidende Geländegewinne ermöglichen würde, das Letzte, was Washington gebrauchen könnte.

Differenzen in außenpolitischen Fragen zwischen Saudi Arabien und der Türkei und unerwünschte Backlash-Effekte aus früheren Pakten mit djihadistischen Organisationen haben vor allem die Saudis davon abgehalten, einige Anti-Assad-Gruppen in der Gegend zu unterstützen. So bereitete der Vormarsch des „Islamischen Staates“ Riad dahingehend Sorgen, dass dieser seine Kampfzone auf die Golfmonarchie selbst ausweiten könnte. Vor allem aber sieht Saudi Arabien in der von der Türkei massiv unterstützten Muslimbruderschaft einen potenziellen Gefahrenherd, der die eigene Monarchie in Frage stellen könnte – weshalb Riad in Ägypten Putschgeneral al-Sisi und in Libyen der Fraktion rund um die Exilregierung in Tobruk zur Seite steht, auch militärisch.

„Entscheidend ist, dass Saudi Arabien nicht länger gegen die Opposition arbeitet“, äußerte sich ein türkischer Offizieller, der ungenannt bleiben wollte, gegenüber Hürriyet.

USA befürchten „Somalisierung“ und Ende des Iran-Tauwetters

Die USA unter Präsident Barack Obama hingegen haben abgesehen von den Einsätzen gegen den IS ihr Engagement in Sachen Syrien selbst weitgehend auf Eis gelegt. Mehrere Faktoren sprechen aus Sicht der USA dagegen, sich in irgendeiner Weise für einen Sturz des syrischen Präsidenten Assad einzusetzen: Zum einen ist es die Gefahr der vollständigen Somalisierung des Landes infolge des entstehenden Machtvakuums, zum anderen die Gefahr einer Regierung, in der terroristische Gruppen das Sagen haben, darüber hinaus aber auch die Chance auf eine Normalisierung des Verhältnisses zum Iran – dem engsten Verbündeten Assads in der Region.

Was auffällig war und bereits im Vorfeld der nunmehrigen Andeutungen Spekulationen rund um eine mögliche verstärkte Allianz zwischen Saudi Arabien und der Türkei in der Syrienfrage nährte, war, dass erst Anfang März der erst wenige Wochen zuvor gekrönte König Salman den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Riad empfangen hatte – und bereits Ende des Monats vereinte Rebellengruppen Idlib eingenommen, später auch die strategisch wichtige Stadt Jisr al-Shughour und eine wichtige Militärbasis der Regierung. An einen Zufall will vor diesem Hintergrund kaum einer glauben.

Zeitgleich mehren sich die Anzeichen dafür, dass Saudi Arabiens Schwerpunkt künftig nicht mehr auf die Zurückdrängung der Muslimbruderschaft gerichtet sein könnte, sondern dass Riad die Hauptbedrohung seiner Interessen im Iran sieht und gegen diesen einen Stellvertreterkrieg führt – unter anderem mittels der Intervention im Jemen gegen die Huthi-Milizen.

Joshua Landis, Direktor des Zentrums für Nahoststudien an der Universität Oklahoma, macht deutlich, dass die Situation in Syrien sich geändert habe. Nun habe Saudi Arabien sich dazu entschlossen, aktiv seinen Interessen zum Durchbruch zu verhelfen und die Amerikaner seien nicht in der Lage, sie daran zu hindern.

Saudi Arabien und Türkei wollen Abkehr der Rebellen von al-Qaida bewirken

Die jüngste Vereinbarung zwischen der Türkei und Syrien habe zur Folge, dass es nun ein gemeinsames Kommandozentrum der syrischen Rebellen in der nordostsyrischen Provinz Idlib gebe. Von dort aus ist es einer Koalition aus Rebellengruppen – darunter auch den von den USA als terroristisch betrachteten al Nusra und Ahrar al-Sham – gelungen, den Vormarsch der Assad-Truppen, die gegen Ende des Vorjahres noch kurz davor standen, Aleppo einzunehmen und diese zunehmend zurückzudrängen. Überall, wo keine Hilfstruppen aus dem Iran oder in dessen Auftrag, wie etwa die Hisbollah, zur Verfügung stehen, erodiert Assads Front zunehmend. Die von den USA unterstützte „moderate“ Freie Syrische Armee ist Teil der Rebellenfront.

Die „Eroberungsarmee“, so nennt ein türkischer Offizieller diese neue Front, „hat gelernt, zusammen zu kämpfen“. Offiziellen zufolge versorge die Türkei einige Teile der Koalition mit logistischer und geheimdienstlicher Unterstützung, Interaktionen mit al-Nusra gäbe es aber keine, da auch die Türkei Nusra als Terrororganisation betrachte. Im Unterschied zu, IS sehe man in ihr jedoch kein Sicherheitsrisiko für die Türkei.

Die Türkei und Saudi Arabien würden versuchen, so der Offizielle weiter, Ahrar al-Sham auf Kosten von al-Nusra zu stärken, wobei man zwar deren extremistischen Charakter, den sie nach US-Angaben aufweise, anerkenne, aber zwischen internationalen Djihadistengruppen und solchen mit lokalen Zielen differenziere. Eine stärkere Unterstützung Ahrar al-Shams würde al-Nusra dahingehend unter Druck setzen, sich von al-Qaida loszusagen und sich für Hilfe von außen zu öffnen, spekuliert man in Ankara.

Djihadisten haben sich bisher immer als unkontrollierbar erwiesen

Ob die neue Taktik am Ende tatsächlich zum Sturz Assads führen wird und ob Ankara oder Riad im Unterschied zu Washington eine Stabilisierungsstrategie für Syrien aufweisen, ist jedoch strittig – auch wenn Washington und Ankara derzeit handverlesene so genannte „moderate Rebellen“ trainieren.

Immerhin bestätigt Usama Abu Zeid, ein Rechtsberater der Freien Syrischen Armee (FSA) offiziell, dass es eine neue Form der Koordination zwischen der Türkei und Saudi Arabien gäbe und dass dies den Vormarsch der Rebellen erleichtert hätte, auch wenn keine neuen Waffen geliefert worden wären. Die Vereinigungsbestrebungen und das dadurch veränderte Selbstverständnis hätten jedoch den Rebellen geholfen. „Wir sind in der Lage, eine Menge Schaden anzurichten und dem Regime mehr an Territorium abzunehmen“, so Abu Zeid.

Landis hält dies für gefährlich – vor allem für die Türkei selbst. „Das Problem im Nahen Osten ist, dass bislang jede Macht im Mittleren Osten versucht hat, die Kampfkraft von Islamisten für ihre eigenen Zwecke einzuspannen“, so der Wissenschaftler. Auch Assad habe dies einst versucht. Der Effekt sei stets gewesen, dass diese Islamisten am Ende ihre Waffen stets gegen die eigenen Gönner gerichtet hätten.