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Wirtschaft

Die Türkei sucht das nächste Wirtschaftswunder

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Die türkische Regierung möchte mehr Wachstum und setzt ihre Hoffnungen auf den heimischen Binnenmarkt. Für Verunsicherung sorgen allerdings enorm angewachsene Schulden der Bevölkerung bei Kreditinstituten. (Foto: aa)

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Die Türkei sucht das nächste Wirtschaftswunder
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Das Land hatte in den letzten zehn Jahren, seit der Machtübernahme der AKP 2002, viel nachzuholen. Die Türken hatten zuvor über Jahrzehnte hinweg kaum Spielraum, um sich weiterzuentwickeln. Mit der AKP änderte sich das. Die Türkei wuchs während der Regierungszeit Premierminister Erdoğans unheimlich schnell. Heute, 11 Jahre danach, bietet die wirtschaftliche Situation des Landes aber ein differenzierteres Bild. Die Türkei ist mittlerweile zur sechzehntgrößten Volkswirtschaft der Welt geworden. Der Kampf um die Wachstumspunkte wird nun schwieriger. Wachstum muss hart erarbeitet werden, um noch weiter bis zur Spitze der Wirtschaftsmächte aufsteigen zu können.

Die AKP- Regierung braucht Wachstum für ihren politischen Erfolg

Hinzu kommt, dass sich in den Jahren von 2009 bis 2013 das Leistungsbilanzdefizit um 10 Prozent erhöhte. Gleichzeitig fiel das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes 2012 auf lediglich 2 Prozent, nachdem eigentlich 4 Prozent angestrebt worden waren. Das ist nach den Jahren des serienmäßigen Erfolgs ernüchternd.

Gerade die Regierung möchte das ändern. In den kommenden zwei Jahren werden drei Wahlen abgehalten: Kommunalwahlen, Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen. Die regierende AKP möchte deshalb jetzt erst recht Erfolge vorweisen können, denn was den Wählern im Kopf hängen bleibt, das sind zumeist immer die letzten Ergebnisse einer Partei. Die AKP kann es sich deswegen nicht leisten, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Der wirtschaftliche Erfolg der Türkei ist entscheidend für den Erfolg der AKP bei den nächsten Wahlen. Ziel der AKP ist es, in diesem Jahr ein Wachstum von 4 bis 5 Prozent zu erreichen.

Abhängig vom heimischen Markt

Die Regierung setzt aus diesem Grund auch Anreize. Letzte Woche senkte die türkische Zentralbank ihren Leitzins um einen halben Prozentpunkt von 5,0 auf 4,5 Prozent. Die Bank verteidigte die Senkung wie folgt: „Während sich unser Binnenmarkt einigermaßen positiv entwickelt, zeigt der Export ins Ausland auf Grund der schwachen internationalen Nachfrage noch Schwächen. Wir müssen die heimische Nachfrage konsolidieren.“

Der Fokus liegt demnach auf dem heimischen Konsum. Der Binnenmarkt soll Wachstumsmotor des Landes sein. Eigentlich nichts Neues für die Türkei. Die türkische Volkswirtschaft wuchs in den letzten Jahren ohnehin hauptsächlich aufgrund der starken Binnennachfrage. Das Land wächst aus sich selbst heraus.

Innerhalb der letzten Dekade, genauer gesagt in den Jahren 2003 bis 2012, wuchs die Türkei im Durchschnitt jährlich um 5,1 Prozent. Das Fundament dieses Wachstums bildete die starke Nachfrage auf dem heimischen Binnenmarkt mit 3,5 Prozent. Der Rest setzt sich aus – schwachem – Export und Investitionen zusammen.

Neue Anreize für die Binnennachfrage

Nun droht aber auch der wichtigste ökonomische Pfeiler des Landes zu wackeln. Ende 2012 brach die Binnennachfrage um 0,5 Prozent ein. Die Menschen fangen allmählich auch in der Türkei an, mehr zu sparen und kaufen immer seltener ein. Vor allem halten sie sich bei Gebrauchsgütern und Wohnungen zurück.

Die AKP-Regierung erhofft sich mit der Leitzins-Senkung, den Konsum wieder anzuregen, denn der um 0,5 Prozent gesenkte Leitzins macht Sparen unattraktiver. Die Verzinsung des angelegten Geldes ist fortan schlechter. Im Gegenzug werden Kredite jeglicher Form für den Konsumenten günstiger, weil der allgemeine Leitzins auch die Zinssätze der Kredite senkt. Das Ergebnis: Die Bevölkerung wird künstlich dazu angespornt, wieder mehr zu konsumieren.

Insolvenzen steigen rasant an

Ein einfacherer Zugang zu Krediten kann aber im Fall der Türkei gefährliche Folgen haben. Schulden gegenüber Banken, die durch Kredite oder Kreditkarten entstanden waren, sind in den letzten Jahren rapide angestiegen. 2003 hatten noch 2,4 Millionen Menschen Kreditschulden. Ende 2012 erreichte die Zahl an Schuldnern schon 13,2 Millionen Menschen. Laut der türkischen Zentralbank und der Bankenregulierungs- und Aufsichtsbehörde betrug der Schuldenstand der privaten Haushalte im April 2013 rund 285 Milliarden Lira. Das sind umgerechnet 48 Prozent der gesamten Haushaltseinkommen. Die Höhe der Kredite, die nicht rechtzeitig an die Kreditinstitute zurückbezahlt werden konnten, liegt insgesamt bei 10 Milliarden Lira. Das steht stellvertretend für 2,5 Millionen Menschen, die nun auf der Schwarzen Liste der Kreditinstitute stehen.

Hinzu kommt, dass die türkischen Haushalte nicht nur Schulden gegenüber Banken haben, sondern auch über informelle Kanäle Schulden aufbauen. Genaue Zahlen gibt es dafür nicht. Die Ergebnisse aus den gemachten Consumer-Umfragen sind von Optimismus geprägt. Unterdessen gab Wirtschaftsminister Zafer Çağlayan bekannt, dass die Frühindikatoren der Wirtschaft für die ersten drei Monaten nicht sehr vielversprechend waren.