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Politik

Türkische Söhne für die al-Qaida?

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Ende September drohte al-Qaida der türkischen Regierung mit Anschlägen. In der Türkei wird nun über türkische Extremisten diskutiert, die sich in Syrien al-Qaida-Gruppen angeschlossen haben. (Foto: dpa)

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Syrischer Rebell in Aleppo - dpa
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Lange war die Grenze zwischen der Türkei und Syrien offen, lange ließen die türkischen Behörden die Transporte von Waren und vermutlich auch Waffen und Kämpfern von türkischem Boden aus nach Syrien gewähren. Lange war darüber in der Türkei auch wenig berichtet worden und die möglichen Auswirkungen einer solchen Politik wurden von der türkischen Regierung nicht weiter thematisiert.

Mittlerweile ist in einigen von den Rebellen kontrollierten Gebieten im Norden Syriens neben Arabisch immer öfter auch Türkisch zu hören. Denn es waren nicht nur arabische oder kaukasische Männer, die von der Türkei aus in das Bürgerkriegsland gelangten. Auch hunderte türkische Staatsbürger sind seit Ausbruch des bewaffneten Konfliktes nach Syrien gekommen, um dort zu kämpfen.

Hunderte Türken gingen bereits nach Syrien

Die türkische Öffentlichkeit beginnt nun endlich, diese Entwicklung zu thematisieren und das Schicksal der oft jungen Männer, die sich in Syrien extremistischen Gruppen anschließen, zu beleuchten.

Etwa 500 türkische Staatsbürger sollen mittlerweile auf Seiten al-Qaida-naher Gruppen in Syrien kämpfen. Auf türkischsprachigen Internetseiten djihadistischer Gruppierungen sind Bilder junger Türken zu sehen, die im Kampf gegen das Assadregime getötet wurden. Sie werden auf den Seiten als „Şehit“ (Märtyrer) gefeiert. Auf Youtube gibt es Videos, in denen bewaffnete Männer in fließendem Türkisch ihre Landsleute dazu aufrufen, sich ebenfalls nach Syrien zu begeben und dort „in den Djihad zu ziehen“.

Die türkische Zeitung Today’s Zaman sprach mit einem türkischen Schmuggler, der eigenen Angaben zufolge bereits Dutzende Männer aus seiner Heimatstadt im Südosten der Türkei nach Nordsyrien gebracht hat, wo sich diese einschlägigen Gruppen angeschlossen hätten.

„Wir schicken diejenigen, die auf dem Gottes Pfad den Djihad tätigen (nach Syrien)“, sagte Abu Huseyin, ein einfacher Händler, an den die Anwohner der ethnisch durchmischten Stadt, rund 50 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, die Reporter verwiesen. Er ist in die Rekrutierung und den anschließenden Transport nach Syrien von jungen Männern aus seiner Heimatstadt, in der kurdische, türkische und arabische Bevölkerungsgruppen leben, involviert.

„Niemand befiehlt diesen Leuten, zu kämpfen“

„Niemand befiehlt diesen Leuten, aufzubrechen und zu kämpfen. Die meisten treffen sich in Gruppen von drei bis fünf Personen und entscheiden dann, gemeinsam (nach Syrien) zu gehen.“

Der Zeitungsbericht berichtet von einem Fall in der türkischen Stadt Adıyaman, bei dem der Vater zweier Zwillinge stadtbekannte Extremisten beschuldigt, seine Söhne ohne sein Wissen und gegen seinen Willen rekrutiert zu haben.

„Sie haben mir meine Kinder mit Gewalt genommen. Die haben sie einer Gehirnwäsche unterzogen. Ich werde mein Leben dafür geben, sie wieder nach Hause zurückzubringen und hier auf sie aufzupassen, damit ihnen nichts zustößt“, sagte der verzweifelte Vater der beiden Zwanzigjährigen.

Der Mann war dem Bericht zufolge auf seiner Suche nach seinen Söhnen vor zwei Monaten selbst nach Syrien gereist, nachdem er herausgefunden habe, wo sich die beiden zu dem Zeitpunkt befanden. Vor dem Unterschlupf in Aleppo hielt ihn dann jedoch ein syrischer Kämpfer auf: „Sie haben sich geweigert, mir meine Söhne zu zeigen und sie oben im Gebäude behalten. Als ich daraufhin mit ihnen diskutierte, haben sie ihre Waffen auf mich gerichtet und drohten, mich zu erschießen, sodass ich gehen musste.“

Die Türkei befürchtet, dass einige der in Syrien kampferfahrenen Männer möglicherweise Anschläge auf türkischem Boden durchführen könnten. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich die Männer in Syrien weiter radikalisierten und den von al-Qaida propagierten konfessionellen Hass und die sog. „Takfiri“-Mentalität mit in die Türkei bringen.

Al-Qaidas Arm in der Türkei

Die lange offen gehaltene Grenze zu Syrien wird mittlerweile strenger überwacht. Als Reaktion auf die strengeren Kontrollen drohten al-Qaida nahe Gruppen der Türkei bereits mit Anschlägen. Doch ob die nun eingeführten Grenzkontrollen ausreichen werden, um das Einsickern von Kämpfern zu verhindern, ist mehr als fraglich.

Die funktionierende Rekrutierung von jungen Männern und die bereits bestehenden Schleusernetzwerke zeigen vielmehr, dass al-Qaidas Arm bereits tief in die Türkei hineinreicht.

Zwar gingen türkische Sicherheitskräfte jüngst mit einer großangelegten Polizeioperation gegen Strukturen djihadistischer Gruppierungen vor und nahmen zahlreiche Personen fest. Doch es Bedarf vor allem einer öffentlichen Debatte über das Thema Terrorismus und religiösen Extremismus in der Türkei und einer Aufklärungskampagne unter gefährdeten Jugendlichen, um deren Anwerbung bereits im Vorfeld zu verhindern.

Die Türkei steht mit ihrer Sorge vor radikalisierten Rückkehrern jedoch nicht alleine da. Mehrere arabische und europäische Länder veröffentlichten bereits Listen mit Staatsangehörigen, die im Verdacht stehen, al-Qaida-nahen Gruppen in Syrien anzugehören.

Auch aus Deutschland reisten einige Personen nach Syrien, um sich dort al-Qaida nahen Gruppen anzuschließen, darunter der ehemalige Gangsta-Rapper Denis Mamadou Cuspert. Auch der kürzlich verstorbene frühere Fußballer und U17-Nationalspieler Burak Karan steht unter Verdacht, in Syrien gekämpft zu haben. Sein Bruder bestreitet dies allerdings.