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Gesellschaft

Warum nur ein Stuhl, wenn ich auf zweien sitzen kann?

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Türken in Deutschland: „Sie hat sich wohl für eine Karriere in Deutschland entschieden“, so lautete die Aussage, über die kürzlich schmunzeln musste. Ich schmunzle, weil ich diese perfekte Steilvorlage nutzen möchte, um euch, liebe LeserInnen, zu erklären, weshalb sich eine Partizipation in der deutschen Gesellschaft lohnt.

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Als jemand, der sich gerne engagiert und sich in diesem Rahmen auch mit Mitmenschen austauscht, wurde ich vor kurzem mit einer Aussage konfrontiert, über die ich schmunzeln musste.

„Sie hat sich wohl für eine Karriere in Deutschland entschieden“, so lautete die Aussage, die gegen mich gerichtet war. Ich schmunzle, weil ich diese perfekte Steilvorlage nutzen möchte, um euch, liebe LeserInnen, zu erklären, weshalb sich eine Partizipation in der deutschen Gesellschaft lohnt.

Vor allem liegt mir dieses Thema aber am Herzen, weil nicht nur ich, sondern zahlreiche andere junge Menschen mit Migrationshintergrund mit dieser Aussage konfrontiert werden. Wir sind nicht allein und das wichtigste ist, dass wir uns im Rahmen dieser Diskussion nicht blenden lassen dürfen.

Ich bin etwas verwundert, denn ich frage mich, weshalb ich mich nicht, als hier Geborene und Aufgewachsene, für eine Karriere in Deutschland entscheiden sollte. Hinter dieser Aussage steckt die Behauptung, dass man nicht in Deutschland erfolgreich sein kann, ohne sich gegen das Heimatland der Eltern zu stellen.

Diese Aussage bedeutet nämlich, dass ich mich für eines der beiden Länder entscheiden müsste.

Dieses Ereignis ist deshalb eine tragische Komödie, weil mich diesmal nicht der Altdeutsche dazu drängt, sondern dass der Wunsch sich segregieren zu müssen, von einem Mitmenschen mit Migrationshintergrund kommt. Dabei hatten wir erst vor einigen Monaten im Rahmen der Doppelten Staatsbürgerschaft darüber diskutiert, wie absurd dieser Segregationsgedanke ist.

„Schwarz-weiß kann ich nicht malen, wenn alles bunt ist für mich!“

Als großer Fan der deutschen Sprachgesangskunst muss ich sagen, dass ich den Rapper Chefket für diese Line liebe!

Der Entscheidungsdruck, der von der Gesellschaft kommt, erfordert von uns ein Schwarz-Weiß-Denken, ein „Entweder-Oder“, das uns um die Sympathie für ein Land beraubt.

Es entsteht in jungen Leuten die Angst, verstoßen zu werden. Denn scheinbar kann man nicht mehr als Hüter der Kultur aus dem Heimatland der Eltern agieren, wenn man sich für die Karriere in Deutschland entscheidet.

Was einige allerdings nicht verstehen, ist, dass es für uns kein schwarz-weiß gibt. Wenn wir lernen, den Migrationshintergrund als Schlüsselqualifikation zu sehen, dann ist die Welt um uns herum bunt. Das müssen wir uns endlich in das Gedächtnis brennen, liebe Freunde!

Meine Familie hat mir immer erklärt, dass gerade wir die vielen bunten Farben zwischen dem Schwarzen und Weißen sind. Wir sind Schlüsselfiguren und können mit der notwendigen Distanz und dem Blick von außen, zwei Länder und Kulturen näher bringen. Wenn wir klug genug handeln, dann sehen wir ganz genau das Potenzial in beiden Ländern und in Feldern, in denen sie voneinander lernen können und das auch bereits tun. Wir können beide Länder mit einem stabilen Netzwerk und dem erforderlichen Erfahrungsaustausch weiterbringen.

Es ist ein Privileg, sich aus zwei Quellen und zwei Perspektiven informieren und zwei Sprachen als ein aufsaugendes Medium für zwei Welten nutzen zu können. Es ist ein Talent, eine Sache nicht wie die Türken in der Türkei zu sehen, weil man nicht ihren ideologischen Blick fährt, was wiederum erklärt, weshalb Deutsch-Türken besonders in der Wirtschaft so beliebt sind.

Wer in seiner Opferrolle einknickt, sein Talent nicht nutzt und anfängt, sich emotional auf eines der beiden Länder zu fokussieren, verfällt in das Schwarz-Weiß-Denken. Aufgrund negativer Erfahrungen verfallen viele Menschen in dieses Raster und stecken dann mit dieser Krankheit, die sich Hass, Enttäuschung und Wut nennt, die Gesellschaft an.

Es gibt auch genug Menschen in meinem Alter und aus meiner Generation, die sich bereits infiziert haben. Aber ich hoffe, dass auch diese Menschen erkennen, dass mit einer Anti-Haltung noch keiner die Welt, geschweige denn sein Umfeld retten konnte. Wer schreit und wer trotzig reagiert, dem hört man nicht zu, weil man ihn nicht ernst nimmt.

Nur wer die notwendige Distanz wahrt, seine Emotionen unter Kontrolle hat und ehrlich zu sich selbst ist, der kann Gutes loben und Schlechtes kritisieren und bestenfalls sogar optimieren.

Das nennt man geschickte Kommunikation und Diplomatie, zu der Respekt und Ehrlichkeit dazu gehören. Wer emotional wird, der kann nicht mehr sachlich bleiben und verfängt sich teilweise in falschen und widersprüchlichen Aussagen.

Es war einmal…

… ein Märchen, das uns weismachen wollte, dass man in Deutschland nur aufsteigen kann, wenn man sich gegen sein Heimatland bzw. das Heimatland der Eltern stellt. Ich dichte das Märchen einmal um und führe es zur eigentlichen Realität zurück.

Man hat häufig den Anschein, dass Deutsche mit Migrationshintergrund hier Karriere dadurch machen würden, indem sie sich das Heimatland ihrer Eltern vorknöpfen und sich damit profilieren. Richtig, es gibt einige! Aber auch das Schiff der Claudia und des „Tschem“ ist aufgrund des undiplomatischen Verhaltens am Sinken. Zu Recht!

Jedoch machen viele Menschen in Deutschland gerade deshalb Karriere, weil sie ihren differenzierten Blick für beide Länder wahren können. Das bedeutet im Klartext, dass sie Gutes erkennen und loben und Kritik sachlich äußern.

„Zwischen den Stühlen sitzen“ und sich bitte schnell für einen der Stühle entscheiden? Das war gestern.

Diejenigen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland Karriere machen und gleichzeitig der Heimat ihrer Eltern verbunden bleiben, sitzen auf BEIDEN Stühlen. Wir haben nämlich etwas Wunderbares entdeckt: man kann die Stühle zusammenschieben und ganz gemütlich auf beiden sitzen. Wir haben unser Talent und unseren Migrationshintergrund positiv genutzt, anstatt uns ständig in die Opferrolle drängen zu lassen.

Liebe Freunde, ich sitze so gemütlich auf beiden Stühlen, dass ich mich weder von einem Altdeutschen, noch von einem Bürger mit Migrationshintergrund sagen lassen muss, wo ich zu sitzen habe. Beide Stühle gehören mir und ich lasse sie mir von keinem nehmen!

Diejenigen, die sich mit einem Stuhl zufrieden geben, sind dazu aufgefordert, sich in die Ecke zu setzen, anstatt eine Jagd auf andere zu machen, die talentiert genug sind, auf beiden zu sitzen.

Sie haben noch eine andere Möglichkeit: nämlich den Stuhl, den sie seit geraumer Zeit im Keller abgestellt haben, wieder hervorzuholen und sich uns anzuschließen.