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Bildung & Forschung

Türkische Schulen in Deutschland: (K)ein Grund zur Panik

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Die Türkei verhandelt mit der Bundesrepublik über drei türkische Schulen in Deutschland − eine davon in NRW. Kritiker befürchten einen ideologischen und die Türkei verherrlichenden Ansatz. Sie fürchten die mögliche Einflussnahme.

Es gibt Dutzende ausländische Schulen in Deutschland. Aber wenn Ankara hierzulande die Errichtung drei türkischer Bildungseinrichtungen anstrebt, erregt das die Gemüter. Kritiker äußern Sorgen vor unerwünschter Einflussnahme seitens der türkischen Regierung. Noch laufen die Verhandlungen mit der Bundesrepublik über die Schulen. Die Türkei plant, diese jeweils in Köln, Frankfurt am Main und in Berlin zu eröffnen.

Muss man befürchten, dass Schüler indoktriniert werden sollen? „Einen ideologischen Ansatz wird es in den Schulen schon geben und den Versuch, Einfluss zu gewinnen“, glaubt Hacı-Halil Uslucan. Er ist der Leiter des Zentrums für Türkeistudien. „Etwas Türkei-verherrlichend könnten die Schulen werden.“ Seit Jahren unternehme die Türkei Anstrengungen, im Ausland „ideologisch und kulturpolitisch“ Fuß zu fassen. Zugleich gibt Uslucan zu bedenken: „Generell sind Schulen kein Ort politischer Neutralität − die Schule hat immer einen gewissen Einfluss auf die Schüler.“

Überreagierende Gemüter

Angesichts der sehr überschaubaren Zahl drei geplanter Schulen im ganzen Land solle man „kein politisches Drama“ konstruieren. Denn auch in der Türkei gibt es schon seit langem drei deutsche Schulen. Die türkische Sprache habe zwar wenig Prestige in Deutschland, sei aber mancherorts trotzdem die am zweithäufigsten verwendete Sprache, so Uslucan. Insofern könnten türkische Schulen mit Blick auf Bilingualität von Interesse sein. Wer würde seine Kinder wahrscheinlich hinschicken? „Eltern, die Türkei-affin sind, eher dem Bildungsbürgertum angehören. Ich glaube weniger, dass es eine Rolle spielt, ob sie eine Beziehung zur AKP haben oder nicht.“

Wichtig findet der Bildungspsychologe: „Die Lehrkräfte müssen hierzulande sozialisiert und ausgebildet worden sein. Es darf keine Loyalitäten oder Abhängigkeiten des Lehrpersonals vom türkischen Staat geben.“ Die Schulbücher sollten eine internationale Perspektive einnehmen, kein türkisch-nationales Bild verbreiten.

Karakoyun sieht keinen Nutzen

Ercan Karakoyun, Vorsitzender der Stiftung für Bildung und Dialog, die offizieller Vertreter der Gülen-Bewegung in Deutschland ist, sieht hingegen keine Bereicherung: „Das türkische Bildungssystem ist desolat, in der internationalen Pisa-Studie landet die Türkei auf den hinteren Plätzen.“ Er vermutet: „Erdoğan will seinen Einfluss in Europa ausbauen, es geht ihm um ideologische Hoheit.“ Zielgruppe der von Ankara angestrebten Schulen seien AKP-nahe Familien, meint Karakoyun im Gegensatz zu Uslucan.

Die Schulen in der Türkei seien nach dem Putschversuch von 2016 nationalistischer geworden, dort werde „makelloses Türkentum“ gelehrt, eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Geschichte fehle. Um dies für die anvisierten Schulen hierzulande zu verhindern, brauche es „deutsches Lehrpersonal und deutsche Schulleitung“. Daneben sei eine vielfältige Schülerschaft als auch eine enge Anlehnung an deutsche Lehrpläne erforderlich.

Staatliche türkische Maarif-Stiftung als Träger?

Und wer wird der Träger der privaten Ersatzschulen werden? Karakoyun geht davon aus, dass es auf die staatliche türkische Maarif-Stiftung hinauslaufen werde, die in mehreren Ländern viele Gülen-nahe Schulen übernommen habe − teilweise gegen Widerstände. Aus dem Schulministerium in NRW heißt es, der Abkommensentwurf für Köln benenne keinen Träger. „Es ist aber klar, dass der türkische Staat nicht selbst Träger sein kann.“

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) stellt klar: „Wer in NRW Schule machen will, muss sich an die Spielregeln des NRW-Schulgesetzes halten.“ Rahmen und Grenzen gebe das Land vor, die Schulaufsichtsbehörden wachten über die Einhaltung der Standards. Es gebe keinen „politischen Rabatt“. Viele öffentliche Schulen lehren ohnehin herkunftssprachlichen Unterricht – oft auf Türkisch. Daneben bietet die Türkei schon seit längerem in staatlichen deutschen Schulen Türkischunterricht an.

Gülen-nahe Privatschulen im Ausland unter Druck

Laut einem Bericht im „Kölner Stadt-Anzeiger“ übt Ankara über die Maarif-Stiftung Druck auf zahlreiche Regierungen aus. Ziel sei es, die Kontrolle über bisher Gülen-nahe Schulen zu gewinnen. Die im April 2019 in Köln gegründete Maarif Europe gGmbH solle als deutsche Stiftungs-Tochter bildungspolitische Interessen der Türkei im Ausland durchsetzen. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Schulen, die auf die Gülen-Bewegung zurückgehen. In der Öffentlichkeit ist das Bild über sie geteilt.

Maarif Europe habe mit den Planungen für türkische Schulen nichts zu tun, betont Geschäftsführerin Ece Sarısaltık-Aydın. Die Kölner gGmbH sei keine politische Einrichtung, sie diene dem „Brückenschlag zwischen den Kulturen“, sagt sie der dpa. Man wolle eine aktive gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund fördern.

Für Aslıhan Bakkal (39) aus der Region Köln ist die Sache klar. Mit Blick auf ihre zweisprachigen Söhne Ensar (7) und Seymen (3) sagt sie: „Wir sind in Deutschland und ich möchte, dass meine Kinder hier auch eine deutsche Schule besuchen.“ Eine Türkei-Schule käme für sie nicht in Frage. Sie glaubt, „mit der Integration würde es dann sicher nicht so gut funktionieren − türkische Schüler, türkische Sprache, türkische Kultur. Aber es wäre schön, wenn sie später mal in Istanbul studieren würden.“