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Bildung & Forschung

Erdoğan vermisst Selbstbewusstsein im Umgang mit der Geschichte: „Westliche Quellen keine heiligen Texte“

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Die Thesen Präsident Erdoğans über die Entdeckung Amerikas durch muslimische Seefahrer könnten schon bald Teil türkischer Lehrpläne sein. In einer Rede vor Schülern mahnte er zur Kritikfähigkeit gegenüber westlichen Darstellungen.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat die Bildungsinstitutionen der Türkei dazu aufgefordert, künftig ein besonderes Augenmerk auf den Beitrag des Islam zu den globalen Wissenschaften und Künsten legen. In diesem Zusammenhang solle auch die These von der Entdeckung Amerikas durch muslimische Seefahrer etwa 300 Jahre vor Kolumbus ihren Weg in die türkischen Lehrbücher finden.

„Es muss dem Bildungsministerium und dem Rat für höhere Bildung (YÖK) klar sein, welch hohes Maß an Verantwortung auf ihren Schultern lastet“, betonte der Präsident am Dienstag in einer Grußadresse an die Schüler im Zuge der Eröffnung einer religiösen Schule in Ankara. „Eine objektive Geschichtsschreibung wird die Beiträge des Ostens, des Mittleren Ostens und des Islam zu Wissenschaften und Künsten zeigen. Als Präsident meines Landes werde ich die Auffassung nicht akzeptieren, unsere Zivilisation wäre anderen Zivilisationen unterlegen.“

Er wies bei dieser Gelegenheit auch Kritik von Kolumnisten und Karikaturisten zurück, die sich über seine Behauptungen lustig gemacht hatten, muslimische Seefahrer hätten Jahrhunderte vor Kolumbus Amerika entdeckt und auf Kuba eine Moschee errichtet.

„Warum glauben sie das eigentlich nicht?“, fragte Erdoğan. „Weil sie nie geglaubt haben, dass ein Muslim dazu imstande wäre. Sie haben auch nie geglaubt, dass ihre Ahnen einst Schiffe über Land transportierten.“ Mit letzterer Bemerkung spielte Erdoğan auf die Eroberung Istanbuls im Jahre 1453 durch Sultan Mehmet II. an.

„Sie haben nie gedacht, dass ihre Vorfahren das Mittelalter beendet haben und ein neues Zeitalter anbrechen ließen. Das ist ein Mangel an Selbstvertrauen“, ergänzte Erdoğan.

Thesen zur Entdeckung Amerikas von Professor Fuat Sezgin formuliert

Erdoğan verteidigte seine Behauptung bezüglich der Entdeckung Amerikas und unterstrich, dass schließlich nicht er diese Darstellung erfunden hätte. „Diese Darstellung ist nicht neu. Professor Fuat Sezgin hat sie bereits in seinen Büchern ausgeführt. Eine Reihe von Akademikern in der Türkei und in der Welt haben diese Behauptung aufgestellt“, verdeutlichte Erdoğan, wobei er seine eigene Annahme, die Muslime, die Kuba entdeckt hätten, hätten eine Moschee auf einem Hügel erbaut, nicht ansprach.

Fuat Sezgin ist ein emeritierter türkischer Professor der Orientalistik, der nach dem Putsch von 1960 nach Deutschland gezogen war. Einen Tag, nachdem Erdoğan erstmals seine These über die Entdeckung Amerikas geäußert hatte, nahm Sezgin an einer Pressekonferenz teil, um die türkischsprachige Ausgabe seines Buches über die Geschichte der arabisch-islamischen Literatur vorzustellen.

Erdoğan will „ermunternde Rolle“ beibehalten

Vor Jahren hatte ich geschrieben, dass der amerikanische Kontinent von muslimischen Seeleuten entdeckt wurde“, äußerte Sezgin gegenüber der Zeitung Milliyet am Sonntag auf einer Pressekonferenz, zu der er vom neben ihm sitzenden Sohn des Präsidenten, Bilal Erdoğan, begleitet worden war. „Alles, was in dem Buch steht, stimmt, aber keiner in meinem Land spricht darüber.“

„Man sollte an westliche Quellen nicht glauben, als wären es heilige Texte“, äußerte Präsident Erdoğan am Dienstag. Er kündigte an, seine „ermunternde“ Rolle in der kritischen Auseinandersetzung mit diesen beizubehalten.

In seiner Rede nannte Erdoğan auch die zahlreichen Megaprojekte in der Türkei, darunter den interkontinentalen Marmaray-Unterwassertunnel, die dritte Bosporusbrücke oder das Istanbul-Kanal-Projekt als Anlässe für die türkische Jugend, „selbstbewusst“ zu sein.