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Gesellschaft

Türkei: Haftstrafen wegen Kritik an Staatspräsident Erdoğan

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Die Kritik an Staatspräsident kann sowohl Journalisten als auch Schüler ins Gefängnis bringen. Experten sehen die Meinungs- und Pressefreiheit in dem Land ernsthaft bedroht. (Foto: DHA)

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Kritik an Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan kann in der Türkei zu Haftstrafen führen. Jetzt wurde die Journalistin Hafize Kazcı von der „Sol Gazetesi“ zu 11 Monaten und 20 Tagen Haft verurteilt. Das Urteil begründeten die Richter des „İstanbul Anadolu 2. Asliye Ceza Mahkemesi“ mit der Beleidigung des Staatsoberhaupts und früheren Ministerpräsidenten. Die Strafe wurde allerdings zur Bewährung ausgesetzt.

Das Blatt hatte in seiner Ausgabe vom 1. März 2014 den damaligen Regierungschef angegriffen, weil er die Studenten der Technischen Universität des Nahen Ostens (Orta Doğu Teknik Üniversitesi-ODTÜ) mit den Worten „Das sind Terroristen, das sind Atheisten“ beschrieben hatte. Die Zeitung hatte damals mit der Überschrift „Wir sind Linke, Du bist ein Dieb“ („Biz solcuyuz, sen hırsız”) Erdoğan ins Visier genommen.

5 Jahre und 4 Monate wegen eines Tweets?

Ähnlich erging es der Journalistin Sedef Kabaş. Die Staatsanwaltschaft fordert für sie inzwischen 5 Jahre und 4 Monate Gefängnis. Sie hatte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter kritisiert, dass die Ermittlungen vom Dezember 2013 gegen die ins Visier geratenen Regierungsmitglieder, ihre Verwandten und regierungsnahe Geschäftsmänner im größten Korruptionsverfahren des Landes eingestellt wurden. Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst 18 Monate für die Journalistin gefordert und diese dann angehoben. Sie soll die Polizisten, die ihr Haus durchsuchen wollten, bei ihren Ermittlungen gehindert haben, weil sie diese warten ließ. Über Twitter schrieb sie, dass drei Männer vor ihrem Haus stünden und sie deswegen ihren Anwalt anrief. „5 Minuten, 5 Jahre“, twitterte sie.

Im Dezember vergangenen Jahres wurde durch die  Massenverhaftungen von Dutzenden Journalisten ein trauriger Höhepunkt erreicht. Unter den Verhafteten war auch der Chefredakteur der Tageszeitung Zaman, Ekrem Dumanlı, der mittlerweile wieder auf freiem Fuß ist, und der Chef der Sendergruppe STV, Hidayet Karaca. Ihnen wirft die Regierung Putsch und Terrorismus vor.

Auch Schüler wegen Erdoğan-Beleidigung verhaftet

Staatspräsident Erdoğan lehrt nicht nur Journalisten das Fürchten, sondern auch Schülern. In Konya wurde letzten Monat der 16-jährige Schüler M.E.A. verhaftet. Er hatte bei einer Veranstaltung der „Halkçı Liseliler Grubu“ zur Ermordung von Mustafa Fehmi Kubilay vor 84 Jahren in Menemen das Staatsoberhaupt kritisiert. Der Jugendliche hatte bei seiner Rede auf die Korruptionsfälle im Land aufmerksam gemacht und wurde deswegen in der Schule verhaftet und abgeführt. Das Gericht in Konya wirft auch ihm Beleidigung des Staatspräsidenten vor.

EJF: „Druck auf Journalisten für ein demokratisches Land nicht akzeptabel“

Die Angriffe auf die Meinungsfreiheit in der Türkei führen bei zahlreichen Organisationen und westlichen Regierungen zu großem Unverständnis. „Der Druck auf Journalisten ist für ein demokratisches Land nicht akzeptabel“, äußerte Barry White von der europäischen Journalistenvereinigung „European Federation of Journalists“ (EJF). Gerade angesichts der geplanten neuen Sicherheitsgesetze fürchtet auch die Oorganisation „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) eine Zunahme des Drucks auf Journalisten. „Die Türkei braucht nicht zuletzt im Interesse der Pressefreiheit mehr rechtsstaatliche Aufsicht statt noch weniger davon“, merkte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr an. Der Gesetzesentwurf dürfte die schon jetzt häufigen Durchsuchungen von Redaktionen und Wohnungen von Journalisten erleichtern, warnt der Verband in einer aktuellen Stellungnahme.