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Politik

Türkei und Russland: Mehr Gegensätze als Gemeinsamkeiten

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Die Isolation von Russland zwingt das Land Alternativen zu finden. Jetzt will das Land sein Gas über die Türkei in die EU bringen. Der Türkei scheint die Eiszeit zwischen dem Westen und Russland zu Gute zu kommen.

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GASTBEITRAG Wer gegenwärtig einen Blick in die deutschen Tageszeitungen wirft, wird kaum noch etwas Erfreuliches über Russland lesen können. Mit seiner Haltung im Syrien- und insbesondere Ukrainekonflikt, führte der russische Präsident Vladimir Putin, dem im Westen ohnehin geschädigten Ansehen seines Landes, erheblichen Schaden zu. Es steht nicht gut um den Ruf des Riesenreiches. Westliche Medien und Politiker führen einen erbarmungslosen Propagandakrieg gegen Putin und seiner Politik. Ob aus westlicher Sicht falsch oder richtig; Putin macht eigentlich nicht mehr und nicht weniger als das er bestrebt ist die Interessen seines Landes durchzusetzen.

Die „Neue Türkei“ und Europa

Auch über die politische Entwicklung in der Türkei lässt sich momentan kaum Gutes in der europäischen Medienlandschaft finden. Es herrscht Unmut und teilweise Verärgerung über den politischen Kurs der AKP-Regierung, der weg von Europa nach Asien, zur islamischen Welt oder eben wie jetzt nach Russland zu gehen scheint. Umso ungelegener kommt nun aus westlicher Sicht das Zusammentreffen beider Staatschefs und die strategische Zusammenarbeit im Energiebereich. Zwei Staaten, die wirtschaftlich, strategisch und politisch von großer Bedeutung für Europa und der USA sind, kommen sich also näher.

Dabei haben Russland und die Türkei starke Meinungsunterschiede bei andauernden Konflikten als auch in regionalen Fragen. Zur Hochphase des Syrienkonflikts waren Moskau und Ankara unerbittliche strategische Gegner. Während der Kreml alles daran setzte seinen letzten vertrauenswürdigen Partner im Nahen Osten an der Macht zu halten, zählte Erdoğan international als der lautstärkste Gegner des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Wegen des Syrienkonflikts stieg die Spannung zwischen Ankara und Moskau zeitweilig dermaßen hoch, dass ein syrisches Passagierflugzeug aus Russland kommend, mit dem Verdacht russische Munition an Bord zu haben, in der Türkei zur Landung gezwungen wurde. Ebenso gehen in der Krimkrise die Positionen stark auseinander. Auch wenn es kaum zu hören ist; die Türkei ist keineswegs glücklich über die russische Annexion der Krim.

Syrien und Krim nicht die einzigen Streitpunkte

Auf der Halbinsel Krim leben rund dreihundert Tausend Tataren, mit denen man sprachlich, kulturell und religiös verwandt ist. Sie waren unter dem sowjetischen Regime unmenschlichen Repressalien ausgesetzt und fürchten sich Opfer des aufflammenden russischen Nationalismus zu werden. Außerdem ist Ankara besorgt über den wachsenden russischen Einfluss im Schwarzen Meer. Zudem ergibt sich auch geopolitisch betrachtet einiges an Konfliktpotenzial zwischen beiden Ländern.

An den östlichen Grenzen der Türkei hat Russland den Kaukasus fest im Griff. In der zweitgrößten armenischen Stadt Gjumri unterhält Moskau direkt an der türkischen Grenze eine Militärbasis und symbolisiert seine Hoheit über den Kaukasus. Die abtrünnigen prorussischen Gebiete in Georgien hingegen, Abchasien und Südossetien, scheinen sich in ihrem de-facto Zustand zu verfestigen. Auch Aserbaidschan hat es nach wie vor nicht geschafft, sich vom Einflussbereich Russlands zu lösen und ist weiterhin wirtschaftlich und politisch eng mit dem Land verbunden. Zum Nachteil der Türkei, die mühselig versucht seinen Einfluss im Kaukasus auszuweiten. Ebenso kommen sich Moskau und Ankara in Zentralasien und auf dem Balkan in die Quere. Die Türkei gehörte zu den größten Unterstützern der Unabhängigkeit der zentralasiatischen Republiken und zu den ersten Staaten, die diese Region nach ihrer Unabhängigkeit in den 90er-Jahren ins strategische Visier nahmen. Immerhin sah man sich mit den Völkern Zentralasiens kulturell, sprachlich und religiös verbunden. Seither versucht Ankara seine Beziehungen mit der Region politisch, wirtschaftlich und kulturell auszubauen. Doch noch zu tief sitzt der Einfluss Moskaus in den zentralasiatischen Staaten.

Putin und Erdoğan: Männerfreundschaft ja, Interessengemeinschaft schwer 

Auf dem Balkan hingegen offenbart sich die gegensätzliche Haltung beider Länder im Falle des Kosovo. Die Türkei zählte zu den ersten Staaten, die die Unabhängigkeit des vor einigen Jahren gegründeten Staates anerkannte. Heute ist Ankara mit Pristina eng verbunden und pflegt freundschaftliche Beziehungen zu dem kleinen Balkanstaat. Ein Grund mehr um die russischen Machthaber in Moskau zu verärgern. Der Kreml betrachtet die Unabhängigkeit des Kosovo als strategischen Akt der NATO.

Auch wenn oft von einer „Männerfreundschaft“ zwischen Putin und Erdoğan die Rede ist, Russland und die Türkei sind in geosrategischen Fragen noch lange keine Partner. Die zunehmende politische Isolation beider Länder ist es was sie zu mehr Partnerschaft zwingt. Russland muss zusehen, wie sich die NATO und die EU bis an seine Grenzen vordrängen und die ehemaligen Staaten der sowjetischen Einflusszone, einer nach dem anderen, in den westlichen Einflussbereich ziehen. Die Türkei hingegen muss mit ansehen, wie sein mühsam erarbeiteter Einfluss im Nahen Osten schwindet. Beide sind nicht mehr in der Lage sich seine Partner auszusuchen. Auch wenn es der Kontrahent von nebenan ist.