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Politik

Türkei – Verlängerter Arm der USA?

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In einem Interview mit der türkischen Zeitung „Milliyet“ stellt ein Hamas-Sprecher klar, Ägypten sei erster Ansprechpartner seiner Organisation. Schwächt die enge Bindung Ankaras an die USA die Rolle der Türkei in der Region? (Foto: epa)

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Türkei - Verlängerter Arm der USA?
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Die Türkei strebt eine regionale Vormachtstellung in ihrem regionalen Umfeld an – politisch, wirtschaftlich und auch diplomatisch. Die von Ankara in Bezug auf seine Nachbarstaaten verfolgte außenpolitische Strategie der „Null-Problem-Politik“ schien lange Zeit aufzugehen. Doch in jüngster Zeit mehren sich die Anzeichen für eine Veränderung hinsichtlich des diplomatischen Einflusses Ankaras. Nachdem sich Ankara politisch im Syrienkonflikt eindeutig positioniert und somit jegliche Verhandlungsbasis verspielt hatte und Israel trotz offizieller politischer und wirtschaftlicher Wiederannäherung an Ankara offensichtlich den diplomatischen Fähigkeiten der türkischen Regierung misstraut,lässt nun auch die Hamas Ankara hinten anstehen.

Der Sprecher der Hamas, Sami Abu Zuhri, sagte in einem Interview mit der türkischen Zeitung „Milliyet“, dass sich die Türkei an Ägypten wenden solle, falls sie größeren Einfluss auf die politische Aussöhnung zwischen den verfeindeten Palästinensergruppen Hamas und Fatah erreichen wolle. „Die Gespräche (zwischen Hamas und Fatah) zur Einheit Palästinas finden in Ägypten statt, das dabei eine aktive Rolle einnimmt. Falls die Türkei zu diesem Zeitpunkt in den Prozess miteingebunden werden will, so sollte sie dies durch Ägypten tun. Sollte die Türkei einbezogen werden, dann nur, wenn sie mit Ägypten kooperiert“, sagte der Hamas-Sprecher am Freitag der türkischen Zeitung. Außerdem äußerte sich er sich überrascht zu den Ankündigungen einiger türkischer Offizieller, die Türkei wolle die Hamas davon überzeugen, Israel anzuerkennen.

Der Hamas-Sprecher betonte in dem Interview das Prinzip seiner Partei, niemals Gespräche mit Israel zu führen und kündigte an, dass die Hamas daran „felsenfest“ festhalten werde. Er dementierte außerdem in den Medien kursierende Gerüchte, wonach bald schon israelisch-palästinensischen Friedensgespräche in der Türkei stattfinden würden. „Die Hamas lehnt jegliche Gespräche mit Israel und auch mit der Türkei über dieses Thema ab. Wir haben aus unseren Erfahrungen gelernt. Die Fatah hat eine lange Geschichte mit Israel. Sie saßen schon oft am Verhandlungstisch und das Ergebnis ist ja offensichtlich. Diese Gespräche haben niemals Erfolg“, fügte Abu Zuhri hinzu.

Türkei wird immer stärker als Verbündeter der USA gesehen

Die Äußerungen des Sprechers lassen vermuten, dass die im Gazastreifen herrschende Hamas Ankaras wiederaufgenommenen Beziehungen mit Israel mit Skepsis betrachtet und nicht mit der aktuellen türkischen Nahostpolitik übereinstimmt. Ein Umstand, der diese Entwicklung erklären kann, ist, dass die USA im festgefahrenen Verhandlungsprozess zwischen Israelis und Palästinensern verstärkt auf das NATO-Mitglied Türkei setzen. So diskutierten der amerikanische Außenminister John Kerry und sein türkischer Amtskollege Davutoğlu bereits vor Kerrys offiziellen Türkeibesuch letzte Woche per Telefon über einen Weg, den Friedensprozess wiederzubeleben.

Davutoğlu sprach daraufhin mit palästinensischen Politikern über den aktuellen Verhandlungsstand in den innerpalästinensischen Streitigkeiten. Diplomatischen Kreisen zufolge bot Davutoğlu palästinensischen Offiziellen seine Unterstützung beim Aussöhnungsprozess zwischen Hamas und Fatah an. Inwieweit die Türkei eine von der NATO oder den USA entwickelte Nahostpolitik betreibt, ist unklar. Doch wird durch die Äußerungen des Hamas-Sprechers deutlich, dass die Türkei in der Region immer stärker als enger politischer Verbündeter der USA (und damit auch Israels) gesehen wird. War Ankara vor 2011 noch einer der wenigen politischen Ansprechpartner für isolierte Gruppen wie etwa die Hamas, so scheinen die im Verlaufe des Arabischen Frühlings an die Macht gelangten islamischen Kräfte in einigen arabischen Ländern nun eine attraktive politische Alternative darzustellen. Nach dem Sturz Mubaraks und dem Wahlerfolg Mohammed Mursis scheint sich die Hamas in diplomatischen Bereichen nun wieder stärker an Kairo zu wenden.

Doch die Hamas will Ankara auch keinesfalls politisch vor den Kopf stoßen. „Wir werten die Unterstützung der Türkei für das palästinensische Volk als sehr wichtig. Jedoch befürworten wir nicht wirklich die Idee, den Aussöhnungsprozess mit der Fatah noch komplizierter zu machen. Wie ich bereits erwähnte, kontrolliert Ägypten den Aussöhnungsprozess“, sagte Abu Zuhri und unterstrich damit seine Skepsis gegenüber einer Beteiligung Ankaras an den Verhandlungen. Gleichzeitig beteuerte er aber auch, dass die Hamas eine größere Rolle der Türkei im Aussöhnungsprozess nicht kategorisch ausschließe.

Annäherung Ankaras an Jerusalem gefährdet Einfluss der Türkei auf Palästinenser

In Bezug auf die Entschuldigung des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu für die blutige Erstürmung der „Mavi Marmara“ 2010 sagte der Hamas-Sprecher, dies sei ein politischer Erfolg für die Türkei. Seinen Angaben zufolge habe die Hamas Ankara gebeten, die Beziehungen zu Israel nicht wieder zu normalisieren. Doch scheint die Hamas mit einer Fortsetzung der Annäherung zwischen der Türkei und Israel zu rechnen. „Die Türkei ist ein freies Land und sie kann machen, was immer sie wünscht. Die Entschuldigung hat unsere Beziehungen zur Türkei nicht beeinflusst“, sagte Abu Zuhri.

Die türkische Regierung setzt sich seit Längerem für die innerpalästinensische Aussöhnung ein und verweist auf den negativen Effekt der Streitigkeiten auf die Durchsetzung der palästinensischen Interessen. Dass die extremistische Hamas und die gemäßigtere Fatah ihre politischen Differenzen in naher Zukunft beilegen werden, erscheint indes jedoch als eher unwahrscheinlich.

Nach dem Wahlsieg der Hamas bei den palästinensischen Parlamentswahlen Anfang 2006 brach ein offener Machtkampf zwischen den beiden Organisationen aus. Die Hamas übernahm nach bewaffneten Auseinandersetzungen mit vielen Toten die Kontrolle über den Gazastreifen und die Fatah über das Westjordanland. Seitdem sind die palästinensischen Autonomiegebiete politisch gespalten.

Ägypten spielte in der Vergangenheit auf diplomatischer und politischer Ebene stets eine wichtige Rolle in der Region. So unterzeichnete der ägyptische Präsident Anwar as-Sadat 1979 den israelisch-ägyptischen Friedensvertrag. Ägypten war damit das erste arabische Land, das Israel offiziell anerkannte. Nach der Machtübernahme der Hamas im Jahre 2006 verhängte Israel eine Blockade über den gesamten Gazastreifen und auch Ägypten riegelte alle Grenzübergänge ab. Die Türkei war damals ein lautstarker Gegner der Blockade. Als die aus der Türkei kommende Flottille „Mavi Marmara“ 2010 beim Versuch, die israelische Seeblockade zu durchbrechen und Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen, von einem israelischen Kommando gestürmt wurde und dabei neun Aktivisten getötet wurden, kam es zu schweren Spannungen zwischen der Türkei und Israel.