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Bildung & Forschung

Türkische Justiz ermittelt gegen deutsche Auslandsschule in Istanbul

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Eine mit Steuergeldern geförderte deutsche Auslandsschule in Istanbul ist massiv ins Gerede geraten. Mittlerweile ermittelt die Justiz. Der Vorstand des Trägervereins soll die Veruntreuung mehrerer Millionen Euro „übersehen“ haben.

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Ein Konto, von dem ein Millionenbetrag verschwunden sein soll. Eine Handkasse, in die Schulgebühren in bar eingezahlt wurden und aus der Hunderttausende Euro abhandengekommen sein sollen. Jahrelang wurde die Deutsche Schule Istanbul von einem Vorstand geführt, der nach seiner erzwungenen Ablösung einen Scherbenhaufen hinterlassen hat. Intern wurden die Vorgänge, über die kaum jemand reden möchte, 2013 bekannt. Transparent gemacht oder aufgeklärt wurden sie nie. Die türkische Justiz ermittelt wegen des Verdachts der Veruntreuung.

Aus dem Auswärtigen Amt heißt es auf Anfrage, das Generalkonsulat in Istanbul und die Schule hätten nach Bekanntwerden des Verdachts Strafanzeige erstattet. Die Schule habe Schadensersatzklagen erhoben. Fragen über die Höhe des fehlenden Betrages werden mit Verweis auf laufende Ermittlungen nicht beantwortet.

Auslandsschule besteht seit 1868

Gunnar Köhne war damals Vorsitzender des Elternbeirats. Er sagt, der neue Vorstand habe zunächst angegeben, mehr als eine Million Euro seien vom Schulkonto verschwunden, mehrere hunderttausend Euro aus der Handkasse. Inzwischen sei die Rede sogar von insgesamt mehr als vier Millionen Euro. „Die Schule ist immer noch dabei, sich einen endgültigen Überblick zu verschaffen“, sagt Köhne. „Was verschwunden ist, sind unsere Beiträge für die Beschulung unserer Kinder.“ Der neue Vorstandsvorsitzende, Matthias Köhle, teilt mit, „die Höhe des veruntreuten Betrags“ liege deutlich unter vier Millionen.

Dabei gilt die 1868 gegründete Schule als eine der besten der Türkei. Ihr Prachtbau – ein bundeseigenes Gebäude – liegt im Herzen der Millionenmetropole. Das für den inzwischen abgesetzten Vorstandsvorsitzenden eigens eingerichtete Büro, das sich im selben Stock wie die Finanzverwaltung befindet, hat einen spektakulären Bosporusblick. Die Schule gehört zu den mehr als 140 deutschen Auslandsschulen, die vom Bund gefördert werden.

Verein ließ Eltern außen vor

Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) prüft die Verwendung der Fördermittel des Bundes. Was die ZfA nicht kontrolliert: Wie die Schulgebühren ausgegeben werden. Wer sein Kind auf die Deutsche Schule Istanbul schicken will, muss tief in die Tasche greifen. Für die 5. bis 8. Klasse werden im nächsten Schuljahr 11 800 Euro fällig, für die 9. bis 12. Klasse sind es sogar 12 500. Bei rund 800 Schülern kommt da ein stolzer Millionenbetrag zusammen.

Bei den allermeisten Auslandsschulen sind die Ausgaben transparent. Träger sind oft Vereine, denen die Eltern angehören und aus denen ehrenamtliche Vorstände gewählt werden. „Es gibt Regeln, wie Ausgaben mehrheitlich abgesegnet werden“, sagt der Vorstand einer deutschen Auslandsschule außerhalb Europas. „Allerdings, gegen Gier oder kriminelle Energie ist trotz Kontrollen kein Kraut gewachsen.“

Der Vorstand in Istanbul wird auch aus einem Verein heraus gewählt, zusätzlich gehört dem Gremium ein Diplomat des Generalkonsulats an. Der Verein zum Betrieb der Deutschen Schule setzt sich allerdings nicht automatisch aus den Eltern zusammen, sondern vor allem aus Deutschen, die schon lange in Istanbul leben, und Vertretern deutscher Einrichtungen. „Man wird gebeten, beizutreten“, sagt Köhne, der als Journalist seit rund 20 Jahren in Istanbul arbeitet. Sein Antrag auf Mitgliedschaft sei nie beantwortet worden. Auch andere Eltern seien mit dem Versuch gescheitert, dem Verein beizutreten.

„Organisiert wie eine Geheimloge“

„Handverlesene 80 Mitglieder“ des Vereins hätten den in Misskredit geratenen Vorstand gewählt, sagt Köhne. „Der alte Vorstand war organisiert wie eine Geheimloge.“ Der Verein ist nicht in Deutschland eingetragen, sondern ein Verein des türkischen Rechts. Die Kontrolle der Schulgebühren für die türkischen Schüler obliegt den örtlichen Behörden.

Für die Gebühren der rund 160 deutschen Schüler, die in einem getrennten Zweig unterrichtet werden, gilt das nicht, wie Köhne sagt. „Für die Verwendung von Millionen an Elternbeiträgen ist der Vorstand niemandem rechenschaftspflichtig.“ Das passt kaum zum Leitbild der Schule, das „transparente Kommunikation“ verspricht.

Aus dem Auswärtigen Amt (AA) heißt es nun auf Fragen nach den verschwundenen Geldern, bei der Schule seien Vorkehrungen getroffen worden, „um ähnliche Fälle in Zukunft auszuschließen“. Der Vorstand wurde 2013 neu gewählt und erweitert. Köhne bescheinigt dem neuen Gremium, deutlich besser zu sein, auch wenn sich „im Administrativen noch nicht viel geändert“ habe.

Den geschassten Vorstandsvorsitzenden konnten die Eltern beim Weihnachtsmarkt an der Schule wiedertreffen, wie Augenzeugen berichten: Er habe an der Kasse gesessen, an der Wertmarken verkauft wurden. Köhne ist nach langem Engagement als Elternbeirat frustriert, seinen Sohn nimmt er nun von der Schule. „Das AA hat versagt, die ZfA hat versagt, die Kontrollen vor Ort haben versagt“, sagt er. „Das ist wirklich kein Ruhmesblatt für die Auswärtige Kulturpolitik.“ (dpa/dtj)