Connect with us

Politik

Türkische Streitkräfte: Neue Führungsriege, umfassende Reformen

Spread the love

Bei der Tagung des Hohen Militärrats werden bedeutende Weichen für die nächsten Jahre gestellt. Große Teile der Führungsriege ändern sich, was nicht nur angesichts der Situation im Südosten des Landes von Bedeutung ist.

Published

on

Ahmet Davutoğlu, Necdet Özel und Hulusi Akar bei der Beerdigung Kenan Evrens
Spread the love

In Ankara tagt vom 3. bis 5. August der Hohe Militärrat YAŞ (Yüksek Askerî Şûra) der türkischen Streitkräfte, der zwei Mal im Jahr zusammentritt, um die Agenda des Militärs zu bestimmen.

Der aktuellen Sitzung wird jedoch nicht nur wegen der momentan angespannten Sicherheitslage besondere Bedeutung zugemessen, sondern weil über eine Reihe von Personalien und Programmpunkten entschieden wird, die in den nächsten Monaten großen Einfluss auf die Politik Ankaras haben werden. Es gibt sogar Analysten, die die These aufstellen, die Sitzung sei der Grund für Recep Tayyip Erdoğans Verzögerungstaktik bei der Regierungsbildung. Er wolle mit einer geschlossenen Ein-Parteien-Regierung der Militärführung gegenübertreten, um seine Anliegen effektiver gegen das nach wie vor mächtige Militär durchsetzen zu können.

Die wichtigste Personalie, die im YAŞ dieser Tage entschieden wird, ist niemand geringeres als der neue Generalstabschef, also der militärische Oberbefehlshaber der Türkischen Streitkräfte. Als Nachfolger des bisherigen Generalstabschefs Necdet Özel, der seinen Posten nach dem geschlossenen Rücktritt der Militärführung 2011 überraschend bekommen hat, wird der Kommandeur der Türkischen Landstreitkräfte General Hulusi Akar gehandelt. General Özel hat seinen Nachfolger schon seit längerem auf seine zukünftige Aufgabe vorbereitet und ihm bereits einige Kompetenzen übertragen, um eine reibungslose Übergabe der Amtsgeschäfte zu gewährleisten.

Auf den neuen Generalstabschef warten große Aufgaben

Dabei hat er ihn anscheinend nicht nur aus beruflichen Gründen bereits seit längerer Zeit auf seine neue Rolle vorbereitet, sondern – wie gemutmaßt wird – auch um sicherzustellen, dass die Berufung zum Generalstabschef nicht in letzter Minute durch Erdoğans Einflussnahme verhindert und ein anderer Kandidat eingesetzt wird. Denn die Personalie Akar ist auch ein Politikum, weil der 63-jährige nicht voll auf Erdoğans Parteilinie ist. Der General, dem großer analytischer Sachverstand und eine gewisse Toleranz anderen Sichtweisen gegenüber nachgesagt werden, gilt als überzeugter Verfechter der militärischen Westbindung der Türkei. Er hat jahrelange NATO-Erfahrung und schätzt die transatlantische Partnerschaft.

Das ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil in Akars voraussichtlich kommender Amtszeit große Reformen der Streitkräfte anstehen, von denen teils tiefe Veränderungen in Aufbau und Kommandostruktur erwartet werden, vor allem aber in den Beziehungen zwischen Militärführung und Regierung sowie zwischen den Ministerien und Stäben. Die politische Ausrichtung des dafür verantwortlichen Oberbefehlshabers ist nicht zuletzt wegen der nach wie vor starken Stellung des Militärs in Staat und Gesellschaft von Bedeutung für Erdoğan, verstärkt noch durch die kritische Situation im Südosten des Landes. Dort werden ebenfalls einige zentrale Militäreinheiten einen Führungswechsel erleben, sodass unter den 179 Generälen und Admirälen sowie den 300 Obersten, über deren Beförderung entschieden wird, viele schon bald für den Kampf gegen PKK und IS verantwortlich sein werden.

Zumindest in diesem Punkt wird Akar wahrscheinlich zu Erdoğans Zufriedenheit agieren, denn er gilt als Hardliner im Kampf gegen Terrorismus, Schmuggel und bei der Grenzsicherheit. In Kombination mit seiner Nähe zum Atlantischen Bündnis könnte das darauf hindeuten, dass der Kampf gegen den IS unter ihm intensiviert wird – falls nichts unvorhergesehenes passiert und Erdoğan einen ihm gefügigeren General einzusetzen versucht.