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Wirtschaft

Türkische Wirtschaft: Das „K“-Wort ist gefallen

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Wie geht es weiter mit der türkischen Wirtschaft? Die Lebensmittelpreise steigen, die Landeswährung befindet sich seit Wochen in einem Negativtrend, ein US-Dollar kostet mittlerweile fast 3,5 Türkische Lira. 

Während sich die Regierung lange Zeit mit öffentlichen Kommentaren zur wirtschaftlichen Entwicklung zurückhielt, fiel in dieser Woche erstmals das Wort „Krise“. Ministerpräsident Binali Yıldırım (Foto, links.) benutzte es im Rahmen seiner allwöchentlichen Fraktionsansprache.

Es sei nicht weiter verwunderlich, dass auch die Türkei betroffen sei von der internationalen Entwicklung, sagte der AKP-Vorsitzende. Das sei allerdings kein Grund zur Besorgnis. Die Regierungskritiker sollten sich mit ihrer „Angstmacherei“ zurückhalten.

Die Einkommensfalle

Experten weisen im Falle der Türkei wie auch anderer Schwellenländer auf die „middle income trap“ hin. Dieses Modell besagt, dass Länder ihren Wettbewerbsvorteil einbüßen, sobald sie ein bestimmtes Durchschnittseinkommen erreichen. Das heißt, sie können aufgrund des gestiegenen Lohnniveaus – hierbei werden oft 10.000-12.000 US-Dollar angesetzt – nicht mehr billiger produzieren und werden damit für Investoren uninteressant. Gleichzeitig haben sie noch nicht das Innovationsniveau, um im Wettbewerb mit entwickelten Volkswirtschaften mithalten zu können. Folge ist häufig eine Stagnation mit einer sich anschließenden Rezession.

In der Türkei war das Durchschnittseinkommen in den letzten Jahren stark gestiegen und die 10.000 Dollar-Grenze wurde überschritten. Doch im vergangenen Jahr gab es laut dem Türkischen Statistikamt einen Rückgang auf ca. 9.300 Dollar. Für dieses Jahr wird mit weiteren Einbußen gerechnet.

Prof. Dr. Elvan Aktaş warnt vor einer noch größeren Krise als 2001. Neben der middle income trap sei es die politische Lage im Land, die wenig Hoffnung auf Besserung mache. Die Spannungen mit der EU und die mangelnde Rechtssicherheit schreckten Unternehmen unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung ab, in der Türkei zu investieren.

TÜSİAD-Vorsitzende sieht Suspendierungs- und Verhaftungswellen kritisch

Cansen Başaran Symes (re.), die Vorsitzende von TÜSİAD, einer Vereinigung türkischer Industrieller und Geschäftsleute, sieht es ähnlich. Sie rief heute dazu auf, den nach dem Putschversuch verhängten und einmal verlängerten Ausnahmezustand sobald wie möglich zu beenden. Die zunächst in ihrem Ansatz berechtigten Suspendierungs- und Verhaftungswellen, die mittlerweile jedoch weit über das Ziel hinausschössen, trügen darüber hinaus zu einer allgemeinen Verunsicherung im In- und Ausland bei. Ein Zeichen dafür, dass die Menschen verunsichert sind, ließ sich in den vergangenen Tagen in sozialen Medien beobachten. Es wurde mehrfach dazu aufgerufen, die Dollar-Ersparnisse in Lira einzutauschen und damit die schwächelnde Wirtschaft zu stützen. 

Die türkische Regierung beschuldigt in erster Linie das Ausland und die in der Türkei zerschlagene Gülen-Bewegung, hinter der Wirtschaftskrise zu stecken. Ziel sei es wie schon bei den Gezi-Protesten 2013 und dem Putschversuch im Sommer, die AKP zu stürzen. Konkrete Maßnahmen, wie sie den Verfall der Lira stoppen will, hat sie bislang nicht präsentiert. Die Erhöhung des Leitzinses durch die Zentralbank trug nicht zu einer Beruhigung der Lage bei. Wie sich die in dieser Woche beschlossene Erhöhung der Sondersteuer auf Luxusgüter sowie Alkohol und Zigaretten auswirken wird, bleibt abzuwarten.